Meine Meldung des Tages 2017

  • Ich hoffe das bleibt durch alle Instanzen bestehen: http://m.tagesspiegel.de/berlin/urteil-….html?r=7773544

    Warum?

    In solchen Fällen ist die rechtliche Bewertung vergleichsweise einfach, die zu Grunde liegende Tatsachenfeststellung - vor allem in subjektiver Hinsicht - aber schwierig. Ich hoffe, dass die richtigen Feststellungen getroffen wurden.

    Interessant zu wissen wäre auch, welche(s) Mordmerkmal(e) das Gericht aus welchem Grund bejaht hat.

    2 Mal editiert, zuletzt von Chief (27. Februar 2017 um 13:54)

  • Warum?
    In solchen Fällen ist die rechtliche Bewertung vergleichsweise einfach, die zu Grunde liegende Tatsachenfeststellung - vor allem in subjektiver Hinsicht - aber schwierig. Ich hoffe, dass die richtigen Feststellungen getroffen wurden.

    Interessant zu wissen wäre auch, welche(s) Mordmerkmal(e) das Gericht aus welchem Grund bejaht hat.

    Hierzu gibt es einen guten Kommentar in meinen Augen von Heribert Prandl http://www.sueddeutsche.de/politik/kudamm…leben-1.3393680

  • Mord setzt immer Vorsatz voraus - ich bin gespannt wie der Richter diesen Vorsatz in seinem Urteil begründet

    weil man nur von fahrlässiger Tötung nicht mehr sprechen kann, wenn ich ein Rennen durch eine Innenstadt mache. Der bedingte Vorsatz wird hier zum tragen gekommen sein.

    Ich kenne aber die Umstände nicht (rote Ampel, Geschwindigkeit etc.), weswegen mein persönliches Urteil noch ausfällt. Es sieht aber nicht gut aus für den Angeklagten. :angry:law:

  • weil man nur von fahrlässiger Tötung nicht mehr sprechen kann, wenn ich ein Rennen durch eine Innenstadt mache. Der bedingte Vorsatz wird hier zum tragen gekommen sein.
    Ich kenne aber die Umstände nicht (rote Ampel, Geschwindigkeit etc.), weswegen mein persönliches Urteil noch ausfällt. Es sieht aber nicht gut aus für den Angeklagten. :angry:law:

    Genau so wurde es begründet.

  • Ich kenne aber die Umstände nicht (rote Ampel, Geschwindigkeit etc.)

    160 über mehrere rote Ampeln. Mit der Einsichtigkeit war es auch nicht weit her in der Verhandlung.

    -----------------
    It is time for us to do what we have been doing and that time is every day.

  • Für mich als Laie, trotzdem unverständlich.

    160 und mehrere rote Ampeln heißt doch noch lang nicht das ich damit einen Menschen umbringen will.

    Gruß isten

    SB50 Champion Anderson Barrett Brenner Brewer Bush Caldwell Colquitt Daniels T.Davis V.Davis Doss Ferentz Fowler Garcia Green C.Harris R.Harris Hillman Jackson Keo Kilgo Latimer Manning Marshall Mathis McCray McManus Miller Myers Nelson Nixon Norwood Osweiler Paradis Polumbus Ray Roby Sanders Schofield Siemian Smith Stewart Talib Thomas Thompson Trevathan Vasquez Walker Ward Ware Webster S.Williams Wolfe Anunike Bolden Bruton Clady Heuerman Sambrailo K.Williams

  • Für mich als Laie, trotzdem unverständlich.

    160 und mehrere rote Ampeln heißt doch noch lang nicht das ich damit einen Menschen umbringen will.

    Gruß isten

    Dieses Tempo in der City ist IMO gleich zu setzen mit "Ich schieß einfach mal durch die Gegend mit meiner AK47. Aufn Weihnachtsmarkt. Wenn ich jmd treffe: Pech"
    Das so etwas bisher anders be-/verurteilt wurde ist mir bekannt. Das es jedoch auch begründet so geht (und da werdenbweitere Instanzen sich mit beschäftigen) finde ich jedoch erst mal sehr gut.

  • Ich habe keine juristische Bildung und somit begrüße ich das Urteil.
    Jedem Autofahrer soll bewusst sein, dass es die Verkehrsregeln(Tempolimit,Ampeln) sind, die den Unterschied ausmachen zwischen Transportmittel und einer 1-2 Tonnen Waffe, die unkontrolliert in der Nähe von Menschen bewegt wird.

  • Vielleicht kann mich ein Fachkundiger mal aufklären wie hoch eigentlich die "semantische Fallhöhe" ist in diesem Fall.
    Hätte man auch eine Strafe für die "oberste Grenze" von fahrlässiger Tötung verhängen können, die im Endeffekt ähnlich ist zum "unteren Bereich" des Mordes?

    -----------------
    It is time for us to do what we have been doing and that time is every day.

  • Mord setzt immer Vorsatz voraus - ich bin gespannt wie der Richter diesen Vorsatz in seinem Urteil begründet

    Zum juristischen Hintergrund:

    • Mord ist die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen unter Verwirklichung mindestens eines (von neun) Mordmerkmalen (Mordtatbestand).
    • Vorsatz umfasst Absicht (direkter Vorsatz ersten Grades: Man strebt die Tatbestandsverwirklichung an), Wissentlichkeit (direkter Vorsatz zweiten Grades: Man sieht die Tatbestandsverwirklichung als sicher voraus, auch wenn man sie nicht anstrebt) und bedingten Vorsatz (man hält die Tatbestandsverwirklichung für möglich und nimmt sie "billigend in Kauf" ["na wenn schon" bzw. völlige Gleichgültigkeit]
    • Schwierig abzugrenzen ist der bedingte Vorsatz von der bewussten Fahrlässigkeit. Auch da hält man die Tatbestandsverwirklichung für möglich, vertraut aber darauf, dass schon nichts passieren/alles gutgehen wird. Man kann auch irrational leichtfertig sein, ohne dass daraus Vorsatz würde. Daneben gibt es noch die unbewusste Fahrlässigkeit, bei der man aus mangelnder Sorgfalt nicht einmal in Betracht zieht, dass etwas passieren könnte.
    • Prozessual wichtig ist der Grundsatz der freien Beweiswürdigung: Das Gericht ist an keine formalen Beweisregeln gebunden. Es kommt schlicht auf die subjektive Überzeugung des Gerichts an. Man kann einem einzigen Zeugen glauben oder zehn Zeugen nicht glauben. Schlussfolgerungen müssen nur möglich, aber nicht zwingend sein.
    • Totschlag wäre die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen ohne Verwirklichung eines Mordmerkmals.
    • fahrlässige Tötung wäre die fahrlässige (= Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt) Tötung eines anderen Menschen.

    Für Mord (§ 211 StGB) gibt es "lebenslänglich", für Totschlag (§§ 212, 213 StGB) im Normalfall 5-15 Jahre (besonders schwerer Fall lebenslänglich, minder schwerer Fall 1-10 Jahre), für fahrlässige Tötung Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren.

    Die wesentliche Hürde bei einem solchen Verfahren liegt darin, ob das (Tat-)Gericht die Überzeugung gewinnt, dass die Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes erfüllt sind. Wenn das Gericht dies Überzeugung nicht gewinnt, kann es im Zweifel für den Angeklagten nur wegen fahrlässiger Tötung verurteilen. Es ist möglich, aus der objektiven Gefährlichkeit auf die Voraussetzungen des Vorsatzes zu schließen, wie es das Landgericht hier mit nachvollziehbaren Gründen getan hat. Aber man muss dies nicht tun. Die Folge davon ist, dass das (Tat-)Gericht an dieser Stelle im Grunde beide möglichen Lösungswege begründen kann, ohne dass man dagegen mit der Revision sinnvoll ankämpfen könnte. Wenn die (schriftliche) Begründung halbwegs sinnvoll ist - die mündliche Urteilsbegründung ist quasi nur "für die Galerie" -, wird der Bundesgerichtshof an diesem Punkt sagen: Das zu beurteilen ist Sache des Tatgerichts. Darauf bezog sich meine Bemerkung, dass ich hoffe, dass die getroffenen Feststellungen richtig sind.

    Als Mordmerkmale kämen "sonstige niedrige Beweggründe" oder "mit gemeingefährlichen Mitteln" in Betracht. Mindestens eines davon müsste das Gericht bejaht haben. Die anderen Mordmerkmale wären "Mordlust", "zur Befriedigung des Geschlechtstriebs", "Habgier", "heimtückisch", "grausam", "um eine andere Straftat zu ermöglichen" (Ermöglichungsabsicht) und "um eine andere Straftat zu verdecken" (Verdeckungsabsicht).

    Wichtige Konsequenz ist: Wenn man die Sache so sieht, wie das Landgericht es im konkreten Fall gesehen hat, dann wäre auch dann, wenn "nichts passiert" wäre, wegen Mordversuchs zu verurteilen gewesen, denn auch dafür reicht bedingter Vorsatz aus.


    Hierzu gibt es einen guten Kommentar in meinen Augen von Heribert Prandl http://www.sueddeutsche.de/politik/kudamm…leben-1.3393680

    Der Kommentar ist 3 Minuten lang gut. Leider gilt das für das Ende nicht mehr, wenn zum Zwecke der Generalprävention ein abschreckendes Urteil gefordert wird. Das Urteil mag richtig sein, aber mit "Generalprävention" darf die Entscheidung nichts zu tun haben, sonst wäre sie falsch. Generalprävention kann gesetzgeberisches Motiv sein, und Generalprävention kann bei der Strafzumessung eine Rolle spielen. Aber bei der Beurteilung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen einer Tat vorliegen, spielt es keine Rolle. Hätte man wegen eines anderen Delikts verurteilt, dann hätte man bei der Strafzumessung die Generalprävention als einen Faktor berücksichtigen können. Aber da für Mord ohnehin zwingend "lebenslänglich" vorgesehen ist, spielt auch dies hier keine Rolle.

    8 Mal editiert, zuletzt von Chief (27. Februar 2017 um 17:08)

  • Vielen, vielen, VIELEN Dank an @Chief für diesen großartigen Post.
    Musste ihn mehrmals lesen, finde ihn hoch interessant und sehr gut dargestellt.


    Ich hoffe, du kannst mir ein paar Nachfragen gestatten und erklären:

    Zu den Mordmotiven: Wie ist denn das Wort "heimtückisch" zu verstehen? Kann dies hier nicht auch zutreffen?

    Zu möglichen Revisionen: Du meinst also, dass wenn die schriftliche Urteilsbegründung gut ist, hier kaum für die Verteidigung Chancen bestehen? Wie weit (sprich wie viele) Instanzen gibts denn da noch?

    Zu deiner Aussage

    Zitat

    Wichtige Konsequenz ist: Wenn man die Sache so sieht, wie das Landgericht es im konkreten Fall gesehen hat, dann wäre auch dann, wenn "nichts passiert" wäre, wegen Mordversuchs zu verurteilen gewesen, denn auch dafür reicht bedingter Vorsatz aus.

    Heißt das, dass man künftig hier häufiger in diese Richtung ermitteln könnte (weil sich mal ein Richter "getraut" hat)?
    Daraus ableitent: Im Info-Radio hat gerade jmd von der GdP-Berlin gesagt, er begrüße das Urteil, weil man so künftig von Anfang an "anders" ermitteln könne und z.B. sofort bei Rasereien das Auto beschlagnahmen könne (a.k.a. mögliche/potentielle Mordwaffe). Stimmt das?

  • 160 über mehrere rote Ampeln. Mit der Einsichtigkeit war es auch nicht weit her in der Verhandlung.

    na dann ist der AK47-Vergleich nicht unpassend.

    Lebenslänglich wäre mir recht. Darf auch gern ein Lenkrad mit reinnehmen und "brumm brumm" machen. :krank:


    Ach, und Glückwunsch an den "Gewinner " des Rennens. Habt irgendwie beide gewonnen. :hinterha:

  • Vielen Dank für die Blumen :)
    "Heimtücke" ist das in der Praxis wichtigste, aber im Detail vielleicht auch das umstrittenste Mordmerkmal. Man versteht darunter im Kern das "bewusste Ausnutzen der auf Arglosigkeit beruhenden Wehrlosigkeit des Opfers". Das Merkmal ist im Detail sehr kompliziert, aber im Normalfall gilt:

    • arglos ist, wer zum Zeitpunkt des (ggf.: ersten) mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs das Gefühl hat, sicher zu sein, der also mit keinem zumindest erheblichen Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit rechnet.
    • wehrlos ist, wer in seiner Abwehrbereitschaft oder Abwehrfähigkeit in der konkreten Situation gegenüber dem konkreten Angreifer zumindest stark eingeschränkt ist. Die Wehrlosigkeit muss gerade auf der Arglosigkeit beruhen.
    • ein bewusstes Ausnutzen liegt vor, wenn der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die angegriffene Person erkennt, er sich also bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit schutzlosen Menschen zu überraschen. Nach (umstrittener) höchstrichterlicher Rechtsprechung ist zudem eine feindliche Willensrichtung erforderlich.

    Meines Erachtens dürfte es hier jedenfalls am letztgenannten Merkmal fehlen. Ich räume ein, dass man unter "Heimtücke" fast alles und nichts subsumieren kann - das macht das Merkmal ja gerade so umstritten. Aber man muss das Merkmal schon eher restriktiv behandeln, weil sonst fast jede vorsätzliche Tötung zum Mord wird. Ich hätte jedenfalls beim konkreten Feststellen eines "bewussten Ausnutzens" in einem Autoraserfall meine Bauchschmerzen. (Auch wenn Heimtücke nicht zwingend Heimlichkeit voraussetzt, ist der typische Fall eher , dass sich jemand entweder anschleicht oder versteckt oder das Opfer in eine Falle lockt oder sonst das individuelle Vertrauen des Opfers ausnutzt.)

    Zu möglichen Rechtsmitteln:

    • In Deutschland ist es kurioser Weise so, dass für den "Eierdieb" drei Instanzen zur Verfügung stehen: Amtsgericht - kleine Strafkammer des Landgerichts (Berufungsgericht) - Oberlandesgericht (Revisionsinstanz). Dagegen stehen bei schweren Delikten nur zwei Instanzen zur Verfügung: große Strafkammer des Landgerichts - Bundesgerichtshof (Revisionsgericht).
    • Das Gericht erster Instanz (und auch das Berufungsgericht) schreibt eine Urteilsbegründung, welche (typischerweise) besteht aus

      • Feststellungen

        • zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten
        • zur Tat(bzw. zum Tatvorwurf)
      • Beweiswürdigung (= Begründung, warum sich aus den erhobenen Beweisen die getroffenen Feststellungen ergeben)
      • rechtliche Würdigung (= Beurteilung der Feststellungen zur Tat in strafrechtlicher Hinsicht)
      • Strafzumessung
      • Begründung der Kostenentscheidung
    • Eine Berufungsinstanz führt im "Normalfall" das Verfahren noch einmal neu durch. Dagegen prüft die Revisionsinstanz das Urteil nur auf sog. Rechtsfehler, d. h. sie prüft "im Prinzip" nicht, ob die Tatsachen richtig festgestellt wurden, sondern nur, ob Verfahrensfehler vorlagen (- die konkret gerügt werden müssen, was eine Kunst für sich ist -) und ob sich aus den festgestellten Tatsachen die rechtlichen Folgerungen ergeben, die das "Untergericht" getroffen hat.
    • Früher hat das Reichsgericht diesen Grundsatz einmal streng durchgehalten mit der Folge, dass man im Grunde gar keine richtige Beweiswürdigung schreiben musste, zumal dies im Gesetz auch nicht erwähnt wird. Aber dann ist der Bundesgerichtshof auf die Idee gekommen, dass er die Beweiswürdigung des Untergerichts auf logische Fehler hin überprüfen dürfe und müsse, was natürlich zwingend voraussetzt, dass das Untergericht seine Beweiswürdigung niederlegt. Also schreibt das Untergericht heute in Fällen, in denen Revision eingelegt wurde, eine Beweiswürdigung, die nicht selten den größten Teil des Urteils ausmacht. In der Praxis ist das aber eher (aufwändiges) "Handwerk": Wenn man keine "Begründungsfehler" begeht, dann wird das Revisionsgericht am Ende sagen, dass die Beweiswürdigung im Kern Sache des Tatgerichts sei (wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung). Da Schlussfolgerungen im Rahmen einer Begründung für die Revisionsinstanz nicht "zwingend", sondern nur "möglich" sein müssen, kann man mit geschickter Begründung fast alles begründen. Mit einer "handwerklich" gelungenen Begründung kann man also fast jede Feststellung "revisionssicher" begründen. (Hinzu kommt, dass es beim Landgericht kein Wortlautprotokoll gibt. Wenn ein Zeuge acht Stunden lang ausgesagt hat, steht im Protokoll der lapidare Satz "Der Zeuge sagte zur Sache aus." Was der Zeuge gesagt hat, schreibt das Gericht in die Urteilsbegründung, sofern es seine Angaben für wichtig hält.)

    Mit anderen Worten: Den Angeklagten bleibt im konkreten Verfahren nur die Revision zum Bundesgerichtshof, die sie mit Sicherheit einlegen werden (Frist: 1 Woche). Erst danach schreibt das Gericht die Urteilsbegründung, zumal es sich ohne Revisionseinlegung viel kürzer fassen und insbesondere die Beweiswürdigung faktisch weglassen könnte. Wenn dem Gericht beim Abfassen der Urteilsbegründung kein "handwerklicher" Fehler unterläuft, sind die Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Beweiswürdigung zu den Feststellungen zum Vorsatz praktisch fast Null. Das gilt allerdings im umgekehrten Fall (= Vorsatz wird nicht festgestellt) genauso.

    Zu künftigen Ermittlungsmaßnahmen: Theoretisch hat das jetzige Urteil darauf keinen Einfluss. Jeder Fall ist anders. Jeder Fall ist anhand seiner konkreten Besonderheiten zu betrachten. Aber ich räume ein, dass die Entscheidung vielleicht eine psychologische Wirkung haben kann. Es gibt manche Ermittlungsmaßnahmen, die in rechtlicher Hinsicht den Verdacht eines schwerwiegenden Delikts voraussetzen, so dass man derartige Maßnahmen künftig vielleicht eher einmal bewilligt bekommt. Zudem ist es wahrscheinlich, dass bei Ermittlungen wegen Mordes auch durch die Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft) mit größerem Aufwand ermittelt wird.
    Allerdings sollte man auch nicht übersehen, dass die Staatsanwaltschaft Berlin offenkundig in diesem Fall bereits wegen Mordes ermittelt und angeklagt hat. Es hat schon bisher niemand ernsthaft bestritten, dass in "Autoraserfällen" ein vorsätzliches Tötungsdelikt in Betracht kommt.
    Der Kern des Problems ist und bleibt am Ende der Nachweis des Vorsatzes zur Überzeugung des Gerichts. Im vorliegenden - wohl besonders krassen - Fall hatte das Gericht offenbar aufgrund der außergewöhnlichen Umstände keine vernünftigen Zweifel mehr gesehen. Das heißt aber nicht, dass künftig bei jedem illegalen Autorennen mit Todesfolge eine Verurteilung wegen Mordes herauskäme. Daher wäre ich bei der Prognose etwas vorsichtiger als die GdP, die nun mal eine Interessenvertretung ist.

    5 Mal editiert, zuletzt von Chief (27. Februar 2017 um 19:44)

  • Es ergibt sich eine erneute Nachfrage, @Chief

    PS: Die Blumen sind aber so was von verdient :fleh


    Zitat

    Dagegen prüft die Revisionsinstanz das Urteil nur auf sog. Rechtsfehler, d. h. sie prüft "im Prinzip" nicht, ob die Tatsachen richtig festgestellt wurden, sondern nur, ob Verfahrensfehler vorlagen (- die konkret gerügt werden müssen, was eine Kunst für sich ist -) und ob sich aus den festgestellten Tatsachen die rechtlichen Folgerungen ergeben, die das "Untergericht" getroffen hat.


    Versteht sich für mich wie folgt: Entweder der Bundesgerichtshof (=Revision) sagt
    a) hier wurde nicht sauber gearbeitet
    oder b) alles wirde ordentlich gemacht (und vor allem dokumentiert).

    Aus b) erhibt sich dass das ganze so bestehen bleibt, also "ab ins Gefängnis".
    Nur was ergibt sich aus a)? Kommt automatisch frei? Kann sich dagegen wiederum die Staatsanwaltschaft wären?? Und könnte dies (berufliche) Konsequenzen für Richter oder StA haben?

    Einmal editiert, zuletzt von freshprince85 (27. Februar 2017 um 22:10)

  • Und könnte dies (berufliche) Konsequenzen für Richter oder SA haben?

    Ich will mich mich nicht zum interessanten formaljuristischen Exkurs äußern, nur: Deutschlands Staatsanwälte wären dir dankbar, wenn du nicht SA sondern StA als Abkürzung verwendetest. :tongue2:

  • Es ergibt sich eine erneute Nachfrage, @Chief

    PS: Die Blumen sind aber so was von verdient :fleh


    Versteht sich für mich wie folgt: Entweder der Bundesgerichtshof (=Revision) sagt
    a) hier wurde nicht sauber gearbeitet
    oder b) alles wirde ordentlich gemacht (und vor allem dokumentiert).

    Aus b) erhibt sich dass das ganze so bestehen bleibt, also "ab ins Gefängnis".
    Nur was ergibt sich aus a)? Kommt automatisch frei? Kann sich dagegen wiederum die Staatsanwaltschaft wären?? Und könnte dies (berufliche) Konsequenzen für Richter oder SA haben?

    Rechtsmittel können sowohl der Angeklagte (zur zu eigenen Gunsten) als auch die Staatsanwaltschaft als - im eigenen Selbstverständnis - "objektivste Behörde der Welt" (zu Lasten oder zu Gunsten des Angeklagten) einlegen. Hat nur der Angeklagte (oder die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten) Revision eingelegt, dann kann das Endergebnis für den Angeklagten nie schlechter werden. Anders ist es, wenn die StA Revision zu seinen Lasten eingelegt hat. Im konkreten Fall ist allerdings zu erwarten, dass nur der Angeklagte/die Angeklagten Revision einlegen.

    Hat der Angeklagte Revision eingelegt, dann prüft der BGH die Entscheidung nur auf Rechtsfehler zu seinen Lasten, Verfahrensfehler nur, soweit sie gerügt sind. Kommt er zu dem Ergebnis, dass keine Fehler zu Lasten des Angeklagten vorliegen, dann wird die Revision verworfen (und die Entscheidung ist damit rechtskräftig). Fehler zu Gunsten des Angeklagten oder nicht gerügte Verfahrensfehler werden ignoriert.

    Kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass ein Fehler zu Lasten des Angeklagten vorliegt - wobei ausreicht, dass der Fehler sich nur möglicherweise zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt haben könnte -, dann kommt es auf die Art des Fehlers an. Genauer gesagt: Es kommt darauf an, worauf sich der Fehler ausgewirkt hat oder auswirken könnte. Im Prinzip gilt:

    • Soweit nach der Auffassung des BGH sicher ist, welches Ergebnis herauskommt, kann der BGH selbst entscheiden (sehr selten), bis hin zum Freispruch. Die Entscheidung ist dann rechtskräftig.
    • Wenn sich der Rechtsfehler auf die gesamte Entscheidung auswirken kann, wird die Entscheidung mitsamt der getroffenen Feststellungen aufgehoben und in der Regel an eine andere Kammer des gleichen Gerichts, manchmal auch an ein anderes Gericht zurückverwiesen, wo der Fall komplett neu verhandelt wird (mit der Maßgabe, dass es im Ergebnis für den Angeklagten nicht schlechter werden darf).
    • Kann sich der Rechtsfehler nur auf rechtlich abgrenzbare Teile der Entscheidung auswirken, dann wird die Entscheidung nur teilweise aufgehoben und in der Regel an eine andere Kammer des gleichen Gerichts, manchmal auch an ein anderes Gericht zurückverwiesen, wo der Fall im Hinblick auf den aufgehobenen Teil neu verhandelt wird (mit der Maßgabe, dass es im Ergebnis für den Angeklagten nicht schlechter werden darf).

    Bezogen auf den konkreten Fall: Würde der BGH beispielsweise die Feststellungen oder die Beweiswürdigung bezüglich des Vorsatzes bemängeln, dann würde die Entscheidung insgesamt aufgehoben, weil damit schon in Frage steht, ob überhaupt wegen vorsätzlicher Tötung (Mord/Totschlag) verurteilt werden darf. Würde dagegen beispielsweise nur bemängelt, dass im Hinblick auf Mordmerkmale weiter hätte Beweis erhoben werden müssen, dann würde man die Feststellungen bezüglich der vorsätzlichen Tötung nicht aufheben, so dass im praktischen Ergebnis sich nur noch die Frage stellt, ob Mordmerkmale vorliegen oder nicht, man den Fall also nicht komplett neu aufrollen muss.

    zum "Freikommen": Der Normalfall ist, dass die Angeklagten nicht in Haft kommen, bevor die Entscheidung gegen sie rechtskräftig ist. Das ist eine Konsequenz der Unschuldsvermutung. Der Ausnahmefall ist, dass sich die Angeklagten in Untersuchungshaft befinden. Dann ist regelmäßig zu prüfen, ob der Fortbestand der Untersuchungshaft noch erforderlich und verhältnismäßig ist. Je länger es dauert, desto größer die Chance der Angeklagten, dass sie erst einmal wieder auf freien Fuß kommen.

    Zu "beruflichen Konsequenzen": Bei Richtern ist das in der Theorie unmöglich, weil sie nach der Verfassung richterliche Unabhängigkeit genießen - im Gegensatz zu weisungsabhängigen Beamten. Deswegen dürfen Richter auch ganz bewußt gegen die bekannte Rechtsmeinung der Revisionsinstanz entscheiden, auch wenn das (besonders im Strafrecht) aus praktischen Gründen (- es produziert, anders als in anderen Rechtsgebieten, Unmengen an zusätzlicher Arbeit und zusätzlichen Kosten -) nur selten passiert. Eine Bindungswirkung besteht nur bei bestimmten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Entscheidungen mit Gesetzeskraft) und bei einer Entscheidung der höheren Instanz im ganz konkreten Verfahren ("Ober sticht Unter" sozusagen). Hinzu kommt, dass es ein Beratungsgeheimnis gibt, so dass Du - außer beim Einzelrichter, den es im Strafverfahren nur beim Amtsgericht gibt ("Strafrichter") nie weißt, wer gerichtsintern welche Meinung vertreten hat, weil Du nicht weißt, wer innerhalb des gerichtlichen Gremiums wie abgestimmt hat.

    Sonderlich sinnvoll wären "berufliche Konsequenzen" auch bei Staatsanwälten (Beamten) nicht. Auf das Urteil haben sie ohnehin nur bedingt Einfluss. Aber unabhängig davon kann man - das betrifft Richter wie Staatsanwälte gleichermaßen - häufig schwierige Rechtsfragen einfach nicht klar beantworten. Die Rechtsmeinung einer höheren Instanz sollte zwar hoffentlich oft, muss aber keineswegs immer besser durchdacht oder begründet sein als eine Rechtsmeinung der niedrigeren Instanz. Es gibt beispielsweise Rechtsfragen, die seit über 100 Jahren zwischen Gerichten und zahlreichen klugen Professoren hoch umstritten sind.

    Die Antwort auf Deine Frage sollte also eigentlich zu 100 % "nein" heißen. So wäre es in einer perfekten Welt. Aber da bei Beförderungen immer auch die Verwaltung ihre Hände mit im Spiel hat und gerade in Strafsachen gelegentlich eine hohe Öffentlichkeitswirkung entsteht, möchte ich nicht ausschließen, dass es doch einmal faktisch der weiteren "Karriere" - so man sie anstrebt - schaden kann, wenn einem "von oben" grobe Fehler attestiert werden.

    Einmal editiert, zuletzt von Chief (27. Februar 2017 um 22:54)

  • Ich will mich mich nicht zum interessanten formaljuristischen Exkurs äußern, nur: Deutschlands Staatsanwälte wären dir dankbar, wenn du nicht SA sondern StA als Abkürzung verwendetest. :tongue2:

    Eine kleine Kuriosität am Rande: Die Abkürzungen SA/SS sind aus naheliegenden Gründen in Deutschland nahezu überall verpönt. Aber im Bridge (Kartenspiel) ist SA (= Sans Atout = ohne Trumpf) eine absolut gängige Abkürzung. Hintergrund ist wohl, dass man in Bezug auf dieses Kartenspiel auch sonst viele Begriffe aus dem Französischen verwendet.

  • Berlin ist chaotisch, wer hier lebt, weiß das, leider auch in der Rechtssprechung. In vielen Dingen zu lasch, jetzt das andere Extrem.

    Diese Raser haben aus reiner Selbstdarstellung und -befriedung ihres Testosteronhaushalts gehandelt. Sie haben definitiv fahrlässig gehandelt.

    Eine Bestrafung mit 5 Jahren Moabit-Backsteinromantik (d.h. ohne Bewährung) und lebenslanger Führerscheinentzug, zumindest in Deutschland, hat sicherlich eine abschreckende Wirkung für andere solche Resthirninhaber.
    Das härtere Durchgreifen im Rahmen der vorhandenen Gesetzte ist erforderlich geworden, um überhaupt noch "Herr der Lage" zu werden, jedoch wird hier über das Ziel hinausgeschossen.

    Wenn Gesetzte so dehnbar werden, quasi "Tatsachenentscheidung des Gerichts vor Ort", dann gute Nacht.

    Der Fall Janina in Unterfranken, hier hat der Täter 12,5 Jahre Gefängnis bekommen.
    Die Ku´damm-Profilneurotiker sollen lebenslang bekommen, wo ist hier die Verhältnismäßigkeit ?

    Dem Gericht geht es sicherlich auch um die abschreckende Wirkung, aber hätte man die nicht mit obigen Strafmaß, also Verurteilung nach fahrlässiger Tötung mit härtester Bestrafung, genauso erzielt ?

    Bayern will eine Gesetzesänderung durchbringen, bei Verdachtsgefahr einer terroristischen Tat jeden auf unbestimmte Zeit festzunehmen. Gestapo & Stasi -Methoden sind das.
    Wer darf dann verdächtigen, wer nicht ?

    Willkommen im Club von Merkels Kettenhund, nein ich meine nicht Seehofer.

    Warum immer so extrem in Old Germany. Wir Deutsche sind bekannt mit Hang zum Perfektionismus, immer schön gründlich, aber bitte mit Vernunft.


    :football: "You don´t always need a plan bro.
    Sometimes you just need balls." :king:football:

  • Wieso übers Ziel hinausgeschossen? De facto heißt das Urteil 15 Jahre und dann Antrag auf Entlassung. Dann sind diese beiden Idioten 42 bzw. 39. Immer noch genug Zeit ein gesetzestreues Leben zu führen.

    Nur ich bezweifele das bei den Jungs. Und obbdas Urteil vor dem BGH bestand hat?

    Ich empfehle mal Herrn Walter, Juraprof aus Nürnberg heute in der Zeit zu lesen. Ist zumindest interessant, wenn auch halbgar. Es zeigt aber die Denke von Juristen ganz gut auf und bestärkt mich mal wieder, mit dem Gesetz darf man ja wirklich alles machen, nur nicht den Juristen überlassen. Dann ist man verloren.

  • Ich empfehle mal Herrn Walter, Juraprof aus Nürnberg heute in der Zeit zu lesen. Ist zumindest interessant, wenn auch halbgar. Es zeigt aber die Denke von Juristen ganz gut auf und bestärkt mich mal wieder, mit dem Gesetz darf man ja wirklich alles machen, nur nicht den Juristen überlassen. Dann ist man verloren.

    Es ist sowieso total doof, irgendwas Fachleuten zu überlassen. Ich empfehle daher, sich in naturwissenschaftlichen Fragen auf Juristen und Psychologen, in juristischen Fragen auf Landwirte und in Fragen von Ackerbau und Viehzucht auf Juristen zu verlassen. Das Resultat ist bestimmt viel besser - und wenn nicht, dann ist es wenigstens unterhaltsam.

    Aber der Artikel ist in der Tat interessant und fachkundig geschrieben, auch wenn man rechtspolitisch natürlich manches auch anders sehen kann.

    Einmal editiert, zuletzt von Chief (1. März 2017 um 12:39)

  • Es ist sowieso total doof, irgendwas Fachleuten zu überlassen. Ich empfehle daher, sich in naturwissenschaftlichen Fragen auf Juristen und Psychologen, in juristischen Fragen auf Landwirte und in Fragen von Ackerbau und Viehzucht auf Juristen zu verlassen.

    ... und in gesellschafts- bzw. sozialwisssenschaftlichen Fragen nicht auf Politikwissenschaftler und Soziologen, sondern auf Juristen ;)

  • ... und in gesellschafts- bzw. sozialwisssenschaftlichen Fragen nicht auf Politikwissenschaftler und Soziologen, sondern auf Juristen ;)

    Die sind doch mit Ackerbau und Viehzucht schon überfordert. ;) Aber wir könnten ein paar "Hartz-IV-Empfänger" würfeln lassen.

  • Es ist sowieso total doof, irgendwas Fachleuten zu überlassen. Ich empfehle daher, sich in naturwissenschaftlichen Fragen auf Juristen und Psychologen, in juristischen Fragen auf Landwirte und in Fragen von Ackerbau und Viehzucht auf Juristen zu verlassen. Das Resultat ist bestimmt viel besser - und wenn nicht, dann ist es wenigstens unterhaltsam.
    Aber der Artikel ist in der Tat interessant und fachkundig geschrieben, auch wenn man rechtspolitisch natürlich manches auch anders sehen kann.

    Es kommt immer auf die wissenschaftliche Disziplin an und sorry, aber die Gedanken, die der Juristerei zugrunde liegen, waren, sind und werden nie meine sein und selbst dann, wenn wir mal einer Meinung sind, was aber selten vorkommt, auch wenn man den Juristen in der Familie hat.

    So wie der Blindenhund beim modischen Einkauf des Mannes gelegentlich aufjault, weint die Logiktöle manchmal bei der juristischen Begründung.

    Wenn ich es zeitmässig schaffe, nehme ich mir gern den Walter mal vor und schreibe was dazu. Deine Meinung als Jurist wäre willkommen, aber ich bin mir fast sicher, da treffen Welten aufeinander.

  • Die sind doch mit Ackerbau und Viehzucht schon überfordert. ;) Aber wir könnten ein paar "Hartz-IV-Empfänger" würfeln lassen.

    Ach, Würfeln ist doch eher was für das juristische Feld, wenn man sich aus historischer oder auch komparativer Perspektive einmal vor Augen führt, was alles zu irgendeiner Zeit oder in irgendeinem Rechtssystem legal ist bzw. war. Von daher können die Boys & Girls aus dem Agrarsektor diesbezüglich nicht übermäßig viel falsch machen ;)

  • Ach, Würfeln ist doch eher was für das juristische Feld, wenn man sich aus historischer oder auch komparativer Perspektive einmal vor Augen führt, was alles zu irgendeiner Zeit oder in irgendeinem Rechtssystem legal ist bzw. war. Von daher können die Boys & Girls aus dem Agrarsektor diesbezüglich nicht übermäßig viel falsch machen ;)

    Den gleichen Eindruck habe ich bei Soziologen und Politikwissenschaftlern ;) In gewisser Weise sind wir uns also ausnahmsweise mal einig.

    Aber eine kleine Anmerkung provoziert Deine Begründung dann doch: Was "in irgendeiner Zeit oder in irgendeinem Rechtssystem legal ist bzw. war", hat weniger mit Rechtsdogmatik als mit Rechtspolitik zu tun.