Bon-Pflicht in Deutschland

  • Wenn man's ganz genau nimmt, geht diese Logik nur auf, wenn ein potenzieller Käufer wegen des Ladendiebstahls leer ausgeht und auch nichts anderes stattdessen kauft.

    Wobei man auch argumentieren könnte, dass der Geschäftsinhaber das gestohlene Produkt ja ersetzen, also neu bestellen muss. Dabei kann er sich erneut die MwSt beim Einkauf zurückholen. Zwar weniger als beim Verkauf, aber dennoch Geld was der Staat nur des Diebes wegen ausgeben muss ;)

  • Inwiefern tut er das denn? Das Jedermann-Recht nach § 127 Abs. 1 StPO erlaubt es doch sogar ausdrücklich.

    Die Exekutive ist aber mehr als nur der "Streifenpolizist". Ab da ist der Laden doch wieder auf die Exekutive angewiesen. Und soll ich dir was sagen? Das finde ich auch gut so, auch wenn ich eher ein staatskritischer Mensch bin.

    Aber gerade in dem Diebstahlbeispiel nützt selbst genau das nichts. Ein Laden kann nicht einfach entscheiden, jeden Kunden bei Verlassen des Ladens zu überprüfen, ob er was gestohlen hat. Ohne nachvollziehbaren Verdacht geht da garnichts. Genau das passiert aber bei der Bonpflicht. Es wird nicht vorübergehend einzelnen Läden (und teilweise deren Kunden) eine Bonpflicht auferlegt, wo es den begründeten Anfangsverdacht von Steuerhinterziehung gibt. Sondern pauschal und querbeet. Das ist ein himmelweiter Unterschied und gehört genau überlegt. Es ist ja nicht so, dass es niemals Gründe für so etwas gibt. Aber ich finde einfach, dass es bei dem Thema "Diebstahl" bereits heute eine gravierende Schieflage gibt zwischen dem, was sich der Staat "rausnimmt" und was er im Gegenzug von den Bürgern und Unternehmen bei vergleichbarem Schaden "erwartet". Und ja, das kritisiere ich.

  • Ach, macht man doch mal was gegen die Steuerhinterziehung? Hab vor 2-3 Jahren mal gelesen dass es durch Kassen im Einzelhandel noch günstig geschätzte 10 Milliarden pro Jahr sein sollen.
    Damals hat Schäuble alle Lösungen abgelehnt. Die Lobby meinte, im EH elektrische Registrierkassen einzuführen wäre zu teuer und den Unternehmen nicht zumutbar. (ca. 130 € pro Stück wurden im Artikel genannt).

    Warum spendiert der Staat nicht ne Runde Registrierkassen für ein paar Milliarden und hat dann 10 Milliarden mehr pro Jahr in der Tasche. Jetzt also die italienische Lösung oder wie muss ich mir Bon-Pflicht vorstellen?

  • Das ist Ladendiebstahl auch. Und da wird vom Staat bei Weitem nicht so ein Aufwand für sich auf Milliarden läppernde Kleinbeträge betrieben. Sofern überhaupt einer betrieben wird.

    Ich kenne das Problem eher umgekehrt: Über viele Jahre hat der Staat gegen Schwarzarbeit fast gar nichts gemacht. In den letzten Jahren ist es zwar etwas mehr geworden, aber im Grunde immer noch viel zu wenig. Das ist ein absolutes Massenphänomen, aber es existieren nicht ansatzweise die nötigen Kapazitäten, das alles zu verfolgen.

    Außerdem ist der Staat da ja quasi der Betroffene und der Verfolger. Das ist anders als beim Ladendiebstahl, wo der Ladeninhaber schon ein eigenes Interesse an der Verfolgung hat. Rechtshistorisch gesehen hat man im römischen Recht fast gar keine Strafverfolgung von Amts wegen gehabt (außer die ganz schlimmen Sachen wie Mord oder Brandstiftung), und die Opfer von Vermögensdelikten mussten selbst zur Strafverfolgung schreiten. Das ist auch der historische Hintergrund für den "Strafschaden" ("punitive damages"), den es im US-Recht immer noch gibt und der zu den aus unserer Sicht abstrusen Schadensersatzbeträgen führt.

    Auch auf die Gefahr hin erneut offtopic zu werden...aber war denn das "double irish with a dutch sandwich" rechtlich im Graubereich? Selbst heute noch haben doch Firmen, die das schon länger nutzen, dafür einen Bestandsschutz. Soweit ich weiß war es eine absolut legale Lücke, die man mittlerweile geschlossen hat.Beim berühmten Fall Apple war es 1. nicht nur das "klassische" Produkt sondern mit weiteren Verknüpfungen versehen und 2. sind sie soweit ich weiß trotzdem noch nicht von einer judikativen Instanz verurteilt worden.

    Wie es beurteilt wird, weiß man eben erst hinterher. Bei "Cum Ex" waren sich die Beteiligten auch lange Jahre relativ sicher, dass nichts passieren würde, denn das Prinzip war bekannt und die Politik hat nichts vernünftiges dagegen unternommen. Heute geht den Betroffenen der Arsch auf Grundeis, weil nun Strafverfahren betrieben werden - mit offenem Ausgang.

    Letztlich hast Du im Steuerbereich immer die Abgrenzungsfrage, ob etwas noch zulässige steuerliche Gestaltung oder ein unzulässiges Umgehungsgeschäft ist. Bei letzterem bist Du dann im Grunde sofort in der Steuerhinterziehung. Das ist jeweils ein Tänzeln am (juristischen) Abgrund. Manches wird letztlich akzeptiert, anderes nicht.


    Aber gerade in dem Diebstahlbeispiel nützt selbst genau das nichts. Ein Laden kann nicht einfach entscheiden, jeden Kunden bei Verlassen des Ladens zu überprüfen, ob er was gestohlen hat. Ohne nachvollziehbaren Verdacht geht da garnichts. Genau das passiert aber bei der Bonpflicht. Es wird nicht vorübergehend einzelnen Läden (und teilweise deren Kunden) eine Bonpflicht auferlegt, wo es den begründeten Anfangsverdacht von Steuerhinterziehung gibt. Sondern pauschal und querbeet. Das ist ein himmelweiter Unterschied und gehört genau überlegt. Es ist ja nicht so, dass es niemals Gründe für so etwas gibt. Aber ich finde einfach, dass es bei dem Thema "Diebstahl" bereits heute eine gravierende Schieflage gibt zwischen dem, was sich der Staat "rausnimmt" und was er im Gegenzug von den Bürgern und Unternehmen bei vergleichbarem Schaden "erwartet". Und ja, das kritisiere ich.

    Ich verstehe zwar Deine Überlegung, aber für mich sind das "Äpfel und Birnen".

    Das eine sind prophylaktische Maßnahmen, z. B. Kameraüberwachung oder Dokumentationspflichten.

    Das andere sind konkrete Strafverfolgungsmaßnahmen. Da brauchst Du in allen Fällen einen Tatverdacht, egal ob Diebstahl oder Wirtschaftskriminalität. Aber Diebstahl ist ein relativ einfach nachzuvollziehender und nachzuweisender Vorgang. Steuerhinterziehung, Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen etc. ist viel komplizierter, erst recht schwieriger nachzuweisen. Wenn Du den Leuten überhaupt beikommen willst, geht es kaum ohne Dokumentationspflichten. "Der größte Feind des Wirtschaftsstraftäters ist das Papier.", hat mal ein Ermittlungsbeamter in einem Wirtschaftsstrafverfahren sehr treffend gesagt.

    2 Mal editiert, zuletzt von Chief (22. November 2019 um 23:08)

  • 17? Adi ist also doch von gestern :tongue2:

    Du hast recht, sind eigentlich nur 16% (15,9) die MwSt wird auf das Produkt aufgeschlagen, daher zahlst stiehlst du 119% des (Brutto-)Warenwertes, und 19 von 119 sind ca. 16% ;)

    Deshalb kriegst du übrigens bei MwSt zurück auch mehr als die MwSt, da die Unternehmen dort auf den Nettowarenwert 19% geben.

    "So ladies, if the man in your life played even one down of high school football, he’s almost certainly courageous, competitive and a fine athlete.

    NFL games, however, are played by supermen." (Mick Mixon)

  • Ich bin nicht direkt involviert aber bei uns geht diese Woche wohl noch ein 'Antrag auf Befreiung der Belegausgabepflicht' für einen Filialbäcker an das Finanzamt raus. Begründung in Kurzform, längere zeitliche Verkaufabwicklung dadurch bedingt unzufriedene Kunden vor allem in Stoßzeiten, was wiederum zu Umsatzeinbußen führen würde, aus Platzgründen hinter den Verkauftresen nicht ohne weiteres mit zusätzlichem Personal aufzufangen was zudem auch zusätzliche Personalkosten bedeuten würde, aus Gründen des Umweltschutzes (u.a. gelten Thermorollen scheinbar als Sondermüll, wusste ich nicht) und daher mehrheitlich (fast ausschließlich) von Kunden nicht gewollt/gewünscht/abgelehnt. Bin mal gespannt was daraus wird.

  • Bin mal gespannt was daraus wird.

    Kann mir kaum vorstellen, dass ihr damit durchkommt - mir leuchten zwar einige der Argumente ein, aber im Endeffekt würde ja das Finanzamt dem Gesetzgeber unterstellen, all diese Punkte nicht bedacht zu haben, wenn es dem Antrag zustimmt.

  • Kann mir kaum vorstellen, dass ihr damit durchkommt - mir leuchten zwar einige der Argumente ein, aber im Endeffekt würde ja das Finanzamt dem Gesetzgeber unterstellen, all diese Punkte nicht bedacht zu haben, wenn es dem Antrag zustimmt.

    Ich auch nicht wirklich. Allerdings ist es in der Abgabenordnung (AO) gesetzlich geregelt das man derartige Erleichterungen bzgl. der Buchführungspflicht stellen kann und die Finanzämter hier auch frei vom Gesetzgeber entscheiden können.
    In der Anfangsphase von Online Kontoauszügen konnte man sich diese z.B. auf diesem Wege genehmigen lassen, genauso kann man sich heute immer noch davon befreien lassen dem Finanzamt alles mögliche auf elektronischem Wege zukommen zu lassen, nur um mal ein paar Beispiele zu nennen. Das sind alles immer Einzelfallentscheidungen die vornehmlich den kleinen Krauter betreffen, daher glaube ich auch nicht das man damit durchkommt.

  • aus Gründen des Umweltschutzes (u.a. gelten Thermorollen scheinbar als Sondermüll, wusste ich nicht)

    Wegen des Bisphenol-A, das benutzt wird.

    Allerdings: In der EU ist die Verwendung von Bisphenol-A im Thermopapier ab 2020 verboten.

  • Wegen des Bisphenol-A, das benutzt wird.
    Allerdings: In der EU ist die Verwendung von Bisphenol-A im Thermopapier ab 2020 verboten.

    Darf dann der Bon dann in Zukunft in's Altpapier oder muss er trotzdem weiter in den Restmüll?

  • Kann mir kaum vorstellen, dass ihr damit durchkommt - mir leuchten zwar einige der Argumente ein, aber im Endeffekt würde ja das Finanzamt dem Gesetzgeber unterstellen, all diese Punkte nicht bedacht zu haben, wenn es dem Antrag zustimmt.

    Und damit vermutlich gar nicht so falsch liegen :hinterha:

  • Begründung in Kurzform, längere zeitliche Verkaufabwicklung dadurch bedingt unzufriedene Kunden vor allem in Stoßzeiten, was wiederum zu Umsatzeinbußen führen würde, aus Platzgründen hinter den Verkauftresen nicht ohne weiteres mit zusätzlichem Personal aufzufangen was zudem auch zusätzliche Personalkosten bedeuten würde, aus Gründen des Umweltschutzes (u.a. gelten Thermorollen scheinbar als Sondermüll, wusste ich nicht) und daher mehrheitlich (fast ausschließlich) von Kunden nicht gewollt/gewünscht/abgelehnt.

    Ganz ehrlich, das ist doch Kindergarten! Längere Abwicklungszeit? Bei Nutzung einer Kasse (da wird sowieso alles eingegeben) geht das automatisch, das ist doch albern. Den Umweltschutz kann man gerade so akzeptieren, aber auch da gibt es entsprechend alternativen (und das kann man dazu für sehr viele Dinge anführen, ist ja kein Einzelproblem).

  • Ganz ehrlich, das ist doch Kindergarten! Längere Abwicklungszeit? Bei Nutzung einer Kasse (da wird sowieso alles eingegeben) geht das automatisch, das ist doch albern. Den Umweltschutz kann man gerade so akzeptieren, aber auch da gibt es entsprechend alternativen (und das kann man dazu für sehr viele Dinge anführen, ist ja kein Einzelproblem).

    Ich bin da völlig bei dir. Habe mittlerweile auch mitbekommen das es der unbedingte Wunsch des Mandanten ist (manche sind ja beratungsresitent) obwohl wohl klar ist das Ausnahmen (wenn überhaupt) nur für Marktstandbetreiber, Schausteller und Getränke-/Fressbuden bei Massenveranstaltungen (Konzerte/Sport, etc.) in begründeten Fällen auf Antrag genehmigt werden sollen.

  • Demnächst ist wieder Zeitumstellung :) .Da war doch was mit "keine Umstellungen mehr" :whistling: .

    Vielleicht sollten wir diesmal 2 Jahre zurückdrehen?

    - お父さん穀物 -

    I will give you every place where you set your foot! - Joshua 1, 3

  • Bin froh, wenn endlich wieder Sommerzeit ist. Meine innere Uhr weckt mich momentan ständig gegen 5:30

    Dann mach ich eben mein eigenes Forum auf...mit Blackjack und Nutten!