Gedanken zur NFL Draft 2020

  • Bereits kurz nachdem die Draft beendet ist, sehen sich Experten in der Lage die Draftgewinner und Verlierer zu verkünden. Dabei gibt es selbst bei den Experten erhebliche Unterschiede zur Einschätzung der Draft.

    Der Experte Vinnie Iyer von Sporting News bewertet die Draft der New England Patriots mit der Note B+ (eine 2+ nach deutschen Schulnotensystem), der Experte Thor Nystrom von Rotoworld mit einem F (eine 6 nach deutschen Notensystem). Bei den Houston Texans ist es Chad Reuter, NFL com der eine 2+ vergibt, während für Nate Davis von USA Today nur ein F herauskommt. ?(

    Etwas weniger groß die Bewertungsunterschiede der Draft bei den Green Bay Packers. Andy Benoit von MMQB bewertet die Draft mit B-, Thor Nystrom von Rotoworld mit einem F.

    Auch was die Entscheidungen für einzelne Spieler angeht, die in der Draft gewählt wurden, weichen die Meinungen zum Teil extrem voneinander ab.
    Die Raiders haben mit Pick 19 den Cornerback Damon Arnette gedraftet. Eine B+ gab des dafür von der Tennessee AN, nur ein F hingegen von Walter Football.

    Bereits im Vorfeld der Draft sahen sich die Experten von Walter Football in der Lage, zu beurteilen, wie stark der Spieler ist und an welcher Position er in seiner Gruppe liegt. Was der Masse an Spielern aus dem College in meinen Augen schlichtweg unmöglich ist.

    Amik Robertson, von den Raiders mit Draftpick 139 verpflichte, liegt bei den Cornerbacks laut Walter Einschätzung an 36`er Stelle. Mag sein.
    Aber ist er wirklich schlechter als Tino Ellis, der an 30`er Stelle gesehen wird? Und ist Robertson besser Alvin Davis, der auf Platz 41 bei den Cornern gelistet ist?
    Noch viel schwerer ist es, unterschiedliche Positionsgruppen zu bewerten, also z.B ob Guard Ben Bredeson (14`er Guard), hätte eher gedraftet werden sollte bzw. besser oder schlechter angesehen wird als Robert Windsor DT an 15 auf seiner Position gelistet.

    Spät gedraftete und daher falsch von Experten bewertete aktuelle NFL Stars sind: Tyrek Hill (Pick165), Antony Brown- sofern dieser noch als Spieler zählt (Pick195), Tom Brady (Pick199) und Julian Edelmann (Pick 232).

    Ungedraftet und im Kader von Denver steht Phillip Lindsay, der schon nach seiner ersten Saison in den Pro Bowl gewählt wurde. Weder Tony Romo noch Adam Vinateri wurden gedraftet. Sie haben in der NFL bleibenden Eindruck hinterlassen.

    Als ungedrafteter Spieler kann man es sogar in die Hall of Fame schaffen. Willie Brown (CB) und die beiden QB`s Warren Moon sowie Kurt Warner, der sogar Super Bowl MVP wurde. :bounce:

    Ich bin gespannt, wie in 5-10 Jahren Draftentscheidungen der Teams gesehen werden

    Einmal editiert, zuletzt von ExMem007 (30. Juli 2020 um 11:21)

  • Da ich Deinen Beitrag erst jetzt gelesen habe, folgt eine etwas späte Antwort:

    Um die Draft wird ein großes Spektakel veranstaltet, das objektiv nicht nötig wäre. Die Combine könnte auch ohne Kameras stattfinden, die Draft müßte man nicht live im Fernsehen übertragen, kommentieren und bewerten. Man bräuchte keine Mock Drafts, erst Recht nicht ein Jahr zuvor. Es würde völlig ausreichen, wenn die Verantwortlichen der Teams sich (real oder virtuell) treffen, in wenigen Stunden alle Draftrunden durchgehen - und fertig.

    Aber streng genommen reden wir eben nicht nur von Sport, sondern von einer Unterhaltungsindustrie. Es muss ständig etwas passieren, auch wenn faktisch nichts passiert. Das ist nicht anders, als in den meisten Unterhaltungssendungen. Eine 90minütige Quiz-Sendung könnte man auch in 5-10 Minuten abhandeln. Besonders absurd erscheinen mir Sendungen, in denen künstlich eine Spannung wie bei einem laufenden Sportereignis erzeugt wird, obwohl das Ergebnis feststeht - man denke nur an die ständigen Prognosen und Hochrechnungen und vermeintlichen Aufholjagden nach einer Wahl.

    Sind Experten-Einschätzungen unmittelbar nach einer Draft also Unfug? Im wesentlichen ja, aber eben unterhaltsamer Unfug, mit dem man viel (echtes oder virtuelles) Papier füllen und über die man herrlich diskutieren kann.

    Hinzu kommt noch, dass schon der Bewertungsmaßstab alles andere als klar ist.
    Beispiele:
    Bewerte ich einen Spieler individuell rein nach seinem sportlichen Potential, oder ziehe ich auch sonstige Faktoren (z. B. die berüchtigten "character concerns") mit ein. Spielt die Verletzungsanfälligkeit eine Rolle? Wie ist es mit dem Alter? Beziehe ich die Bedeutung der Spielposition in die Bewertung mit ein? Interessiert mich nur die voraussichtliche Entwicklung in dem Zeitraum des Rookie-Vertrages, oder interessiert mich die gesamte Karriere? Wie bewerte ich Grundsatzfragen (z. B. Draften nach "need" oder nach "value")? Ziehe ich Alternativen in Betracht (z. B. ertraden eines Spielers gegen einen Draftpick)? Bewerte ich die gesamte Draftklasse eines Teams absolut (nach vermeintlicher Qualität der ausgewählten Spieler) oder relativ zu den Möglichkeiten, die sich aus den zur Verfügung stehenden Draftpicks ergaben? Und wie gewichte ich überhaupt diese und andere Faktoren untereinander?

    Letztlich geht es um Potential und um Wahrscheinlichkeiten. Um eines der von Dir genannten Beispiele aufzugreifen: Jeder wußte, dass Tyreek Hill wahnsinnig schnell und ein potentiell guter WR sein würde. Er wäre wahrscheinlich problemlos in den ersten beiden Runden gedraftet worden, wenn es nicht gravierende "charakter concerns" gegeben hätte. Es war ein bewusster Risikopick. Mal geht das gut, mal geht es nicht gut.