Mein Platz 2:
Samuel Barber - Adagio for strings (2. Satz aus dem Streichquartett "String Quartet op. 11")
Die Nacht nach meiner Diagnose: Krebs (1992).
Und was mache ich? Las mich fallen in klassischer Musik, bis in meinem CD-Player "Adagio for Strings" kommt.
Ich rausche 69 Takte lange, dirigiert von Leonard Bernstein in den emotionalen Keller - und finde da noch weitere Falltüren ...
Nie davor und nie wieder danach hat mich Musik mehr runter gerissen, meine Gefühle wiedergespiegelt und meine Angst erklingen lassen.
Für mich war das DER Moment, der Tiefpunkt in meinem Leben an dem ich mit Gott und der Welt haderte, vorwiegend mit Gott.
Es war auch der Moment, an dem ich mich von Gott endgültig losgelöst habe, von jedem Gott, auch wenn ich heute durchaus mit den buddhistischen Thesen mehr und mehr sympathisiere ...
Es war aber für mich auch der Moment der Entscheidung in Sachen "Krankheit" und "Leben", und zwar FÜR das Leben.
Nach den Tränen und der Angst war klar:
"Junge, entscheide Dich wie es weiter geht! Gehe jammernd vor die Hunde oder lächle, sei stark und steh die Scheiße durch.
Deine Wahl, Deine Entscheidung!"
Hört sich nach Kitsch an, nach Pathos, oder?
Ist es aber nicht - nicht für mich. Das war für mich ein Lebenspunk, mit unglaublichen Folgen, positiv, wie negativ.
Aufgrund dessen bin ich heute, wie ich bin.
Es war gut, dass dieses Stück meine Ohren gefunden hat - rückwirkend betrachtet sogar das Beste überhaupt.
Du musst ganz unten ankommen, um dann den Blick nach oben richten zu können.
Adagio für Strings gilt als eines der, wenn nicht DAS traurigste Stück aller Zeiten.
Aus meiner persönlichen Sicht stimmt das sowieso, aber auch aus musikalischer Sicht, mit einer analtytischen Brille auf, muss man dem Recht geben.
Was Barber da komponoiert hat, ist erstaunlich einfach, aber so unglaublich ergreifend, dass es auf schon unzähligen Trauerfeiern gespielt worden ist (John F. Kennedy, Teddy Roosevelt, Albert Einstein, Grace Kelly).
Geplant war das von ihm nicht, denn der 2. Satz ist eingebettet in 2 weitere, eher lebhafte Sätze.
1938 dirigiert der Weltstar Toscanini die Premiere des Adagios und ist davon umgehend begeisert und spätestens mit der kurz darauf folgenden Beisetzung Roosevelts,
gelangt die Nummer zu Weltruhm.
Die Wahl "nur Streicher - nichts anderes", die Art der Komposition, bei der die Noten durcht die instrumente wandert, von den Violinen, Violas bis zum sonoren Cello, untermalt vom Kontrabass.
dazu die Melodie selbst, die völlig unaufgeregt in Wellen immer höher steigt, keine Extravaganzen, nur ein stetes "nach oben",
eine Melodie die in ständiger Spannung zu den darunter liegenden, lang gezogenen Begleitbögen steht und dessen Spannung sich im Grunde nie auflöst.
Nach etwas über 6 Minuten scheint das Stück sich in den höchsten Lagen gefunden zu haben und die Erlösung scheint bnahe zu sein.
Aber dem ist nicht so.
Das Stück holt nur kurz Luft. Nichts löst sich auf ... (noch heute kann ich die Bettwäsche dieser Nacht fühlen, wenn ich diese Stelle höre).
Die tiefen Töne der Celli und Bässe holen das Adagio wieder zurück in die dunkle, düstere Stimmung.
Das "Adagio for Strings" ist untrennbar mit den bislang schlimmsten aber auch prägendsten Stunden meines Lebens verknüpft.
Nur die Nr. 1 in meinen "TOP 20" steht da drüber.
Meine Nummer 1 ist mein persönliches "Mantra", geboren aus dem Adagio und den Folgen meiner Erkrankung!
Positiver, schöner, richtungsweisender ... aber dass kommt dann nächsten Sonntag.