Hamburg ohne Heidelberg
Football: Blue-Devils-Trainer gibt sein Amt auf - sein Nachfolger soll Mike Williams werden
Von Achim Leoni
Hamburg - Es ist noch gar nicht lange her, da schwärmte Kirk Heidelberg von seinem Amt als Headcoach der Hamburg Blue Devils als einem "Traumjob".
Es ist wenige Wochen her, da ließ der 46 Jahre alte Footballlehrer in vertrautem Kreis wissen, daß er kündigen werde, sobald er einen besseren Job gefunden habe.
Ob es dieses Anlasses noch bedurft hatte, ist unklar. Fest steht, daß Heidelberg nach zwei Jahren bei den Blauen, mit denen er im vergangenen Jahr den German-Bowl-Sieg gefeiert hatte, seinen Rücktritt erklärt hat. Darüber informierte der US-Amerikaner am Montag abend Devils-Geschäftsführer Karsten Peter Steffens.
"Nach langen Diskussionen mit meiner in Köln lebenden Frau habe ich mich schweren Herzens zu diesem Schritt entschlossen", sagte Heidelberg. Eine weitere Saison mit Hamburg in der German Football League (GFL) hätte "eine unzumutbare zeitliche Belastung" bedeutet. Obwohl der (ohnehin spärlich dotierte) Vertrag erst im Februar ausläuft, wird Heidelberg nur noch bis Ende des Monats für die Teufel tätig sein. Ihm sollen Angebote aus Berlin und Düsseldorf vorliegen.
Daß Heidelbergs Traum innerhalb kürzester Zeit zum Trauma wurde, ist mit der Distanz zur Familie und dem verlorenen Play-off-Viertelfinale in Marburg allein nicht hinreichend erklärt. So sah sich der Trainer bei Spielerverpflichtungen zuletzt von Steffens (36) und dem von diesem eingesetzten Sportdirektor Florian Dannehl (31) übergangen. Zudem wollte Heidelberg einen einsamen Kampf wie in der vergangenen Saison offenbar kein weiteres Jahr führen. So standen ihm neben Defensive Coordinator Javan Lenhardt, einem Neuling im Coaching-Geschäft, nur wenige qualifizierte, dazu noch unbezahlte Kräfte als Assistenten zur Seite - zuwenige, um ein Footballteam zusammenzuhalten und kontinuierlich an den Grundlagen zu arbeiten.
Dabei hatte es an Hilfsbereitschaft nicht gefehlt, doch wurden willige Trainer wiederholt von Steffens vergrault. So lief Lars Hauke mit seiner Bitte um einen Benzinkostenzuschuß beim Geschäftsführer auf, Oliver Kirchhoff, einen weiteren verdienten Ex-Spieler und Ex-Teammanager, ließ Steffens bei einem Heimspiel sogar vom Sicherheitsdienst aus der Teamzone entfernen.
Nun fällt wohl Mike Williams die Aufgabe zu, einen neuen Trainerstab aufzubauen. Der Kanadier, 1996 Ersatz-Quarterback bei den Blauen, gehörte 1996/97 zum Trainerstab und soll nun Heidelberg beerben. Erfahrung als Headcoach konnte Williams bei den Kiel Baltic Hurricanes und den Rhein-Main Razorbacks in Rüsselsheim sammeln. Den Kontakt hatten die Teufel bereits im Sommer aufgenommen: Williams war als Offensive Coordinator vorgesehen, aber nur für die Play-off-Phase.
"Wir sind traurig über Heidelbergs Verlust, er hat das Team auch menschlich bereichert", ließ Investor Steffens gestern verlauten. Nach einem Jahr der Konsolidierung habe man nun "sportlich und wirtschaftlich große Pläne". Allerdings bleibt zweifelhaft, welcher Platz den Blauen im kommenden Jahr neben dem neuen NFL-Europe-Team in der Hamburger Sportlandschaft noch bleibt. Ein Dilemma nicht nur im übertragenen Sinn: Dennoch ist völlig offen, wo die Blue Devils künftig ihre Heimspiele austragen. Die AOL-Arena nehmen künftig die Profi-Footballer in Beschlag, das Millerntorstadion könnte im kommenden Jahr umgebaut werden. Für den bisher gebotenen Komfort ist es hoffnungslos überteuert. Geeignete Alternativen in Hamburg sind rar. Womöglich muß der viermalige Deutsche Meister außerhalb Asyl suchen. In Itzehoe, wo man 2002 und 2003 Spiele austrug, hat Steffens schon angefragt.
erschienen am 10. November 2004 in Hamburger Abendblatt - Sport
Verlassen die Ratten das sinkende Schiff ?