[Politik] Grosse Koalition in Deutschland

  • Warum sollte man heute noch eine Geldgarantie als Akademiker haben. Viel wichtiger als theoretisches Wissen ist eben die tatsächliche Leistung und an dieser krankt es bei vielen.

  • Zitat von GermanBuc

    Ich zahle mit 70 Euro pro Monat noch bei weitem nicht die höchsten mir bekannten Kindergartengebühren für meine Kleine.
    Und nächstes Jahr kommt der Sohnemann dann auch in den KiGa, dann sind's 140 Euro, eine Ermäßigung für Zweitkinder gibt's nicht.

    Das ist das klassische Totschlagargument der Gebührenbefürworter. Aber warum soll ein Fehler im System als Begründung herhalten, einen weiteren einzuführen? Umgekehrt wird ein Schuh daraus!

  • Für nen Ganztagskindergartenplatz bezahlt man bei uns 215 € , das heisst von 6:30 bis 17 Uhr wird das Kind da betreut, aber zum Glück ist mein Sohn nun in der Schule

  • Zitat von Wendigo

    Ich bin nun mal der Ansicht, dass Bildung kein Geld kosten darf.


    Das ist keine Ansicht, sondern eine (falsche) Tatsachenbehauptung. Bildung kostet Geld.
    Die Frage ist, wer bezahlt die Rechnung. Meinen kannst du in diesem Zusammenhang hoechstens, dass du es gut faendest, wenn andere fuer dich bezahlen. Das wiederum kann ich gut verstehen, ich haette es schliesslich auch gerne, wenn andere meinen naechsten Urlaub bezahlen wuerden. :)

    Wenn du gesagt haettest: ich bin fuer Chancengleichheit in der Bildung; oder: auch jemand, dessen Eltern nicht reich sind, soll eine Chance auf ein gutes Studium haben, koennte man sich schnell einigen. Aber so zu tun, als koenne ein 'Recht auf Bildung' nur ueber Finanzierung durch den Staat realisiert werden, erscheint doch recht seltsam. Zumal es ja wie schon erwaehnt nicht nur um die Frage der Finanzierung geht, sondern auch um das Lernklima und die sinkende Qualitaet der Universitaeten.

    Zitat

    Ich kenne keine öffentliche Kultureinrichtung, die sich mit privaten Mitteln finanziert.


    Das liegt vielleicht daran, dass es eben oeffentliche Kultureinrichtungen sind. ;) (Und die haben selbstverstaendlich auch nur Geld, weil sie es vorher privaten Leuten weggenommen haben).

    Zitat

    Die Anforderungen ändern sich? Klar, mittlerweile gäbe es bestimmt ein steigendes Interesse daran, sämtliche Verbotene Liebe-Folgen aufzuführen und nicht den alten Goethe-Krempel. Muss man dem nachkommen? Hoffentlich nicht.


    Davon, dass du Witze machst, geht das Problem aber nicht weg. Die Anforderungen daran, welche Formen der Kultur sinnvollerweise staatlich zu organisieren sind, aendern sich.

  • Zitat von datajunk

    Die Antwort auf die exzessive Rundumversorgung mit Dereks Presslusfthammer zu formulieren, also alles an Subventionen zu streichen, den Quasi-Kahlschlag, ist nach meinem Empfinden aber gleichermaßen kurzsichtig wie uneffektiv.


    Das seh ich auch so. Trotzdem ist es m.E. richtig, als Default-Option davon auszugehen, dass die Leute selber am besten wissen, was gut fuer sie ist. Ich gestehe durchaus zu, dass man in manchen Fallen einen Operator Override haben will. Aber der ist begruendungspflichtig.

    Zitat

    Professor Hall schilderte - trotz hoher Studiengebühren (5000 can$ pro Jahr) - eine zu unseren Studenten vollkommen vergleichbare Motivationslage. Und auch an anderen nordamerikanischen Unis sei das seines Wissen ganz ähnlich. Auch hier scheint der Gewöhnungseffekt irgendwann in ein typisches Phlegma zu münden.


    5k sind zu billig. ;) Meine Erfahrungen sind andere, aber da gibt es sicherlich auf beiden Seiten grosse Unterschiede. Ich glaube, im Schnitt in NY bessere, motiviertere, haerter arbeitende Studenten gesehen zu haben als in Berlin.

    Zitat

    Meiner Meinung nach sollte es schlicht mehr in die Verantwortung der Unis gelegt werden, wer letztlich dort studieren darf und wer nicht. Quote über Klasse und nicht über den Geldbeutel.


    Das sowieso.

    Zitat

    Bei dieser Diskussion klingt irgendwie immer Joni Mitchell in meinem Kopf:"Don't it always seem to go, that you don't know what you got till it's gone!" ;)


    Ich glaube aber schon, dass unsere Problematik noch etwas spezifischer ist: man weiss auch schlicht und einfach Dinge, fuer die man selbst bezahlen muss, mehr zu schaetzen. Aus meiner Sicht muss das nicht unbedingt auf eine volle Eigenfinanzierung hinauslaufen, aber auf eine deutlich staerkere Koppelung an das Eigeninteresse.

  • Zitat von Silversurger

    Das ist das klassische Totschlagargument der Gebührenbefürworter. Aber warum soll ein Fehler im System als Begründung herhalten, einen weiteren einzuführen? Umgekehrt wird ein Schuh daraus!

    Natürlich wäre es mir auch lieber, alles (Kindergartenplätze eingeschlossen) in diesem Staate wäre umsonst.
    Aber wie realistisch ist das denn?
    Der Staat braucht nunmal Geld, um seinen Aufgaben nachzukommen, das gilt prinzipiell natürlich sowohl für die Kinderbetreuung als auch für Akademiker-Ausbildung.
    Nur wenn beides nicht umsonst zu bekommen ist, was ist wohl "gerechter": Kindergartengebühren oder Studiengebühren? ;)

    Ich finde das ist auch gar kein Totschlagargument, ich will nix damit totschlagen und keine Diskussion darüber abwürgen.

  • Zitat von Wendigo

    Blubb. Wenn du polemisch werden möchtest, dann tu das bitte bei jemand anderem.


    Naja, uebermaessig polemisch fand ich mein Posting nicht. Eigentlich eher zurueckhaltend, in Anbetracht dessen, dass du vorher recht grosszuegig beim Auspacken von Faschismuserinnerungen und dem Beklagen von Grundrechtsverletzungen warst, nur weil jemand vorgeschlagen hatte, die Subventionierung von Studenten an den Bedarf des Arbeitsmarktes zu koppeln. Ich sehe da ein ziemliches Missverhaeltnis zwischen Anlass und Reaktion, und darauf habe ich mit einem sanft ironischen Tonfall reagiert.

    Zitat

    Zugegeben, der Satz war unglücklich formuliert, aber als Dozent solltest du eigentlich wissen, dass man sich selten Respekt damit verschafft, Aussagen seines Diskussionspartners bewusst falsch zu interpretieren.


    Ich arbeite nicht mehr an der Uni, da hab ich einiges vergessen. :) Allerdings habe ich keineswegs deine Aussagen 'bewusst falsch interpretiert', sondern mir nur erlaubt darauf hinzuweisen, dass eben doch irgendwer die Rechnung bezahlen muss, wenn du vollmundig deklarierst 'Bildung darf kein Geld kosten'. Und dass du dir mit deinem postulierten 'Recht' auf kostenlose Bildung gleichzeitig das Recht herausnimmst, ueber anderer Leute Einkommen zu verfuegen. Ob du das respektierst oder nicht ist deine Sache.

    Zitat

    Von "bedingungslos" war nie die Rede.


    Stimmt, das war schlecht formuliert, deshalb hatte ich das auch aus meinem Posting rauseditiert. Und zwar laut Board-Uhr mindestens 22 Minuten bevor du es zitiert hast.

    Zitat

    Davon, dass du einfach mal ein paar Behauptungen in den Raum wirfst, ohne sie mit Argumenten oder Beispielen zu unterstützen, wird die Diskussion aber nicht sachlicher.


    Ich hatte doch als Beispiel die Oper erwaehnt. Du hast nur vorgezogen, das zu ignorieren.

  • Zitat von wendigo

    Ich kann übrigens nichts verwerfliches daran erkennen, wenn ich mich bei der Forderung "Es sollte nur noch das finanziert werden, woran die Gesellschaft ein Interesse hat" unwillkürlich an Parolen wie "Du bist nichts, dein Volk ist alles" erinnert fühle. Das bedeutet nicht, dass ich irgendjemanden hier in die rechte Ecke stellen will. Es heißt lediglich, dass ich diesen Anstatz für sehr gefährlich halte, weil er historisch zu einigen Irrungen geführt hat.


    Es geht mir nicht um eine moralische Kategorie wie 'verwerflich', ich finde es nur in mehrfacher Hinsicht falsch.
    Denn erstens, was dir da aufstoesst, ist der vermutete Kollektivismus der Forderung, und der ist gar nicht spezifisch fuer die Nazis, sondern den teilen sie mit mehreren anderen Stroemungen des 19. Jh. ff Die spezifische Form des Kollektivismus, die naeher dran ist an der von dir monierten Ausgangsforderung, ist wohl der Utilitarismus. Auch der hat autoritaere Elemente, aber trotzdem, wenn die Nazis nur utilitaristisch gewesen waeren, waere der Welt einiges erspart geblieben.

    Zweitens ist deine eigene Forderung letztlich auch in diesem Sinne kollektivistisch. Du erhebst sie als Mitglied eines Kollektivs, und verlangst, dass das Kollektiv in deinem Auftrag gegenueber den einzelnen Buergern auftritt, und ihnen im Namen des kollektiven Werts 'kostenlose Bildung' die Kohle abknoepft, damit du studieren kannst. 'Der Einzelne ist nichts, das Recht einer Minderheit auf kostenlose Universitaetsbildung incl. Selbstfindung ist alles,' koennte man polemisch sagen.

    Und drittens stellt sich die Frage, ob die Ausgangsforderung ueberhaupt in einem harten Sinn kollektivistisch ist, oder ob es nicht vielmehr legitim und sinnvoll ist, wenn das Gemeinwesen die Vergabe von Subventionen an Bedingungen knuepft. Nach dem Motto, wenn ich schon den Steuerzahlern das Geld nehme, dann muss ich ihnen wenigstens plausibel machen koennen, dass es sinnvoll verwendet wird.

    Zitat

    Dass ich mir mit dem Recht auf kostenlose Bildung gleichzeitig auch das Recht herausnehme, über anderer Leute Einkommen zu verfügen, ist mir durchaus bewusst. Warum auch nicht? Tut der Staat ja schon seit fast sechzig Jahren.


    Das tut er schon vielviel laenger. Relativ neu ist nur, dass er sich dafuer rechtfertigen muss. :)

    Zitat

    Natürlich kann man dazu eine andere Meinung haben, aber mir vorzuwerfen, ich wolle das deshalb, damit mir ein anderer mein Studium bezahlt, halte ich für reichlich unfair.


    Naja, es ist halt oft so, dass sich die Begruendungen durch hohe Werte recht zwanglos ergeben, wenn das entsprechende Interesse vorhanden ist. :D Im Uebrigen wuerde ich dir das nicht vorwerfen, das ist dein Interesse als Student, und es ist voellig legitim, dass du es vertrittst. Und es ist immer besonders aergerlich, wenn man gerade zur ersten Generation gehoert, die unter einer Veraenderung leidet.

    Zitat

    Ist leider auch ein "doofes" Beispiel, weil ich mit Opern so viel anfangen kann wie mit Quantenphysik. Ob's davon zu viele gibt, ob sie dekadent ist, ob man sie nicht auch mit weniger Geld erhalten könnte - das kann ich schlicht nicht beurteilen. Hast du nicht vielleicht noch ein anderes Beispiel? ;)


    Ein Beispiel, wo die Umstellung auf veraenderte Umstaende in Deutschland sehr schlecht geklappt hat, sind die oeffentlichen Bibliotheken. Das ist inzwischen etwas besser geworden, aber wir sind da bestimmt 10 Jahre hinter den USA. Dort kann man schon seit ewigen Zeiten an Netzwerk-Terminals nachsehen, welche anderen Uni-Bibliotheken ein Buch haben, ob es gerade ausgeliehen ist, wann es zurueckkommt, etc. In Berlin lief noch 10 Jahre spaeter derselbe Prozess ungefaehr so ab:

    Nachschlagen in Katalog
    Suchen, feststellen Buch ist nicht da
    Nachschlagen in Katalog, ob man Glueck hat, und andere Exemplare in anderen Bibliothken auf der Karte eingetragen sind -> bekommt man dann ein Biliothekssigel
    Nachschlagen in der Sigelliste, welche Bibliothek das denn ist
    Hinfahren zur Bibliothek
    Nachschlagen im Katalog (die USA haben seit langer Zeit ein zentrales Signatursystem, hierzulande hat/te jede Hinterzimmerbibliothek mit 2000 Baenden ihr eigenes bekifftes Signatursystem)
    ...
    und die Schleife ggf. fuer $anzahl_der_sigeleintraege auf karteikarte wiederholen. :)

  • Ich fasse mal zusammen was Onkel xor und Onkel Derek also so sagen:

    Es wird "utilitaristisch" argumentiert, d.h. das was die "Solidargemeinschaft" braucht soll auch aus der Staatskasse gefördert werden. Hmmm, der gleiche doofe Staat der eigentlich nichts mehr zu bestimmen hat...."Get used to it", hmmmm aber wenn der doofe Staat nichts mehr zu sagen hat, wer bestimmt dann, was die "Solidargemeinschaft" braucht? Wenn der Staat also die "Solidargemeinschaft" nicht mal annähernd 1zu1 repräsentieren kann, wo ist das Ungleichgewicht? Wo liegt das Problem? Wozu gibt es dann noch staatliche Institutionen?, wenn er nichts mehr bestimmen kann? Wer bestimmt, wer hat die Macht des Staates unterwandert? Wurde der Staat auch privatisiert? Ist das gut so? :jeck:

    Also zusammenfassend läßt sich sagen, unsere Onkel meinen: Der Staat soll etwas fördern, worüber er nicht mehr bestimmen kann...damit wären wir beim Status quo, nämlich dem Staat als Nutte der Wirtschaft. Was hier also von unseren Onkels als kritisches Rumreformieren dargestellt wird, ist schlicht und einfach Affirmation und Verhärtung der bestehenden Verhältnisse....dabei besteht doch die eigentliche Aufgabe eines Staates in der Vermittlung, Verteilung und Kompromissbildung zwischen den verschiedensten Wünschen einer "Solidarggemeinschaft". Diese Solidargemeinschaft will ja nicht nur "lila", da sind so zeimlich alle Wünsche und Farben drin....tja, zu dumm das in der Politik mehr Vorstandsmitglieder verschiedener Großkonzerne sitzen als Vorsitzende irgenwelcher Kulturklubs.

  • Zitat von Jo Brauner

    Ich fasse mal zusammen was Onkel xor und Onkel Derek also so sagen:


    Ach Jo, alter Differenzvernichter, die beiden Onkels vertreten doch ziemlich unterschiedliche Positionen. Derek ist der boese Neocon, ich bin doch der windelweiche, arbeiterverratende Linksliberale. ;)

    Zitat

    Hmmm, der gleiche doofe Staat der eigentlich nichts mehr zu bestimmen hat...."Get used to it", hmmmm aber wenn der doofe Staat nichts mehr zu sagen hat, wer bestimmt dann, was die "Solidargemeinschaft" braucht? Wenn der Staat also die "Solidargemeinschaft" nicht mal annähernd 1zu1 repräsentieren kann, wo ist das Ungleichgewicht? Wo liegt das Problem? Wozu gibt es dann noch staatliche Institutionen?, wenn er nichts mehr bestimmen kann? Wer bestimmt, wer hat die Macht des Staates unterwandert? Wurde der Staat auch privatisiert? Ist das gut so?

    Bissl wirr, aber da sind einige ganz interessante Fragen dabei. Wenn du sie mit einem genuinen Erkenntnisinteresse formuliert haettest, und nicht im Modus billiger Anmache, haette das vielleicht noch was werden koennen. :)

  • Zitat von xor

    Ach Jo, alter Differenzvernichter, die beiden Onkels vertreten doch ziemlich unterschiedliche Positionen. Derek ist der boese Neocon, ich bin doch der windelweiche, arbeiterverratende Linksliberale. ;)

    Alles das gleiche Pack :mrgreen:


    Zitat von xor

    Bissl wirr, aber da sind einige ganz interessante Fragen dabei. Wenn du sie mit einem genuinen Erkenntnisinteresse formuliert haettest, und nicht im Modus billiger Anmache, haette das vielleicht noch was werden koennen. :)

    Jetzt stört also wieder die Form....das ist wie wenn man nach einem häßlichen abgefälschtem Tor sagen würde: das war kein Tor :tongue2:

  • Zitat von Jo Brauner

    Jetzt stört also wieder die Form....das ist wie wenn man nach einem häßlichen abgefälschtem Tor sagen würde: das war kein Tor :tongue2:


    Nein, es ist als wuerdest du nach einem haesslichen, abgefaelschten Ball ins Aus sagen: es war ein Tor. :)

    Aber im Ernst, Form ist wichtig, sonst streitet man sich bloss unnoetig ueber irgendwelche Missverstaendnisse. Und ich hab nunmal an solchen Fragen hauptsaechlich ein theoretisches Interesse; politischer Schlagabtausch langweilt mich oft eher. Wenn man sich ueber politische Differenzen hinweg auf einem Football-Forum gelegentlich halbwegs sachlich ueber interessante Fragen unterhalten kann, ist das schoen. Ansonsten: how bout 'em Cowboys? ;)

  • Du meine Güte, da hat man mal 2 Tage keine Zeit und schon muss man sich mal seitenlange Traktate durchlesen ;)

    Nur um noch mal meinen Punkt klarzumachen: Es geht nicht darum, alle Subventionen zu streichen. Da würde man mich grundlegend missverstehen. Es geht darum, alle Subventionen zu hinterfragen und sich demokratisch darauf zu einigen, was man fördern möchte und was nicht. Die Alternative hieße eben undemokratisch zu entscheiden und dann frage ich mal ganz klar: Hände hoch, wer ist für ein weniger an Demokratie? (Es soll ja mal Zeiten gegeben haben, als ne linke Partei mal mit einem „Mehr Demokratie wagen!“-Sloan angetreten ist ;) )

    Dann würden tatsächlich ein paar Dinge zu Debatte stehen, die hier angesprochen wurden – warum sollen Schulen, Opern, Bibliotheken etc. subventioniert werden? Womit kann man das einem kinderlosen, tauben Analphabeten schmackhaft machen? Nun – mit Argumenten. Und da könnte man z.B. im Fall Schul- und KiTa- vs. Studiengebühren so argumentieren:

    "Weil eine gute Ausbildung nicht nur den eigenen Kindern nützt, sondern auch ihren Kameraden in Kindergarten und Schule, ist es für jedes Elternpaar wichtig, dass nicht nur ihre eigenen Kinder die beste Ausbildung erhalten, sondern auch die Kinder in der Nachbarschaft. Und zwar schon, bevor sie sich in der Grundschule oder auf dem Gymnasium begegnen. Daraus folgt, dass der Staat den Besuch des Kindergartens kostenlos ermöglichen sollte. Vom Studium profitiert aber vor allem der einzelne Absolvent. Hier überwiegen die internen Effekte. Also sollte die Finanzierung auch individuell durch Studiengebühren erfolgen."

    Ich weiß, den Absatz aus dem Artikel, den Jo Brauner verlinkt hat, hab` ich schon mal gepostet, aber erstens ist das lang her und zweitens steckt hier mein Argument drin: Weil eine gute Schulbildung im Interesse der Gemeinschaft ist, soll die kostenlos sein und wenn da Kinder trotzdem ohne Schulanschluss rauskommen, ist das ein Risiko, das die Gemeinschaft tragen muss. Beim Studium ist das aber anders, hier überwiegen die Interessen und der Nutzen des Studenten, daher ergibt sich IMHO auch nicht die Verpflichtung der Gemeinschaft, das zu finanzieren. Studienabbrecher verschlimmern das Problem.

    Mich verwundert das undemokratische Denken, dass hier zum Ausdruck kommt: Weil Lieschen Müller vielleicht nicht unsere Vorstellungen von Bildung und Kultur teilt, beschneiden wir mal eben ihre demokratischen Rechte und bestimmen für sie, was richtig oder falsch ist. Vielleicht trügt mich an der Stelle mein Eindruck, aber mir kommt`s so vor, als ob so gerade von links argumentiert wird, wo man doch immer ihr Wohl im Auge zu haben scheint…und in der Praxis kommt dann ein System raus, wo von Unterschichts-Lieschen – und da hat Xor völlig Recht – Privatvergnügen der Mittelschicht co-finanziert werden: Studium, Eigenheimzulage oder Operntickets - der Transfer läuft da von unten nach oben.

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Zitat von xor

    Nein, es ist als wuerdest du nach einem haesslichen, abgefaelschten Ball ins Aus sagen: es war ein Tor. :)

    Naja, wenn du meinst "da sind legitime Punkte/Argumente im Post" dann ist das ein Tor....die Art und Weise hat dir nicht gefallen....damit kann ich leben :mrgreen:

    Zitat von xor

    Aber im Ernst, Form ist wichtig, sonst streitet man sich bloss unnoetig ueber irgendwelche Missverstaendnisse. Und ich hab nunmal an solchen Fragen hauptsaechlich ein theoretisches Interesse; politischer Schlagabtausch langweilt mich oft eher. Wenn man sich ueber politische Differenzen hinweg auf einem Football-Forum gelegentlich halbwegs sachlich ueber interessante Fragen unterhalten kann, ist das schoen. Ansonsten: how bout 'em Cowboys? ;)

    Aha ich sehe "auf theoretischer Ebene macht´s Spass zu diskutieren", wenn wir das dann auf die politische und gesellschaftliche Lage anwenden wird´s schon polemisch, soso. Freut mich für dich, dass es dir ganz gut geht. :xywave:

    Nun gut: Wozu gibt es den Staat noch, wenn er keine Wirkmacht mehr hat? Wer hat die Macht? Wer bestimmt was gebraucht wird? und ist das gut so?

    Das sind doch 3 Hauptpunkte der bisherigen Diskussion...also ich warte auf Antworten, von mir aus auch theoretische

  • Zitat von Wendigo

    Dass er spezifisch für die Nazis ist, behaupte ich doch gar nicht. Aber daran erinnerte mich diese Forderung eben unwillkürlich.


    Dann war es aber argumentativer Overkill, das anzufuehren. Vgl. auch das gute alte Godwin's Law.

    Zitat

    Es ist sogar sehr legitim, die Vergabe von Subventionen an Bedingungen zu knüpfen. Eine, die mir sinnvoll erscheinen würde, habe ich ja bereits genannt. Wenn die Bedingung allerdings lautet, dass ein Fach bzw. eine Fachrichtung studiert werden muss, an der gerade ein gesellschaftliches Interesse besteht, dann geht das einen Schritt zu weit.


    Formal kann von "muss" ohnehin keine Rede sein. Studieren darf jeder was er will, es ging in dem Argument ja v.a. um die Frage der Finanzierung. Aber ich wuerde mir diese Position auch so nicht zueigen machen. Ich hab dazu kein fertiges Konzept in der Schublade liegen, aber ich finde, dass der abzusehende Bedarf ruhig irgendwie beruecksichtigt werden darf, dass es aber v.a. darum geht, das Eigeninteresse der Studenten mit einem effizienten Studium zu koppeln.

    Zitat

    Ich leide keinesweg unter dieser Veränderung - ich werde mein Studium vollkommen kostenlos bekommen. Deshalb finde ich es auch sehr ärgerlich, dass du mir ständig unterstellst, ich würde diesen Standpunkt nur vertreten, weil ich ein persönliches Interesse am kostenfreien Studium habe. Das ist nicht nur falsch, es ist auch arrogant und herablassend. Unterlasse das in Zukunft bitte.


    In der Hinsicht kann ich dich beruhigen. Ich verhalte mich in der Frage, warum du die Position vertrittst, die du vertrittst, agnostisch. Das war in dem einen Posting scherzhaft gemeint, ist aber vielleicht nicht so ruebergekommen. Allgemein gesprochen deutet allerdings viel darauf hin, dass Ideen und Interessen sehr gut miteinander korrelieren, aber das kann natuerlich in individuellen Faellen immer anders sein. Ich halte mich in der Frage meistens an eine meiner Lieblingszeilen aus Once upon a time in America:
    Was Sie sich dabei denken ist uns egal, solange Sie tun, was wir Ihnen sagen.
    Mit anderen Worten: die Interessen und Taten der Leute sind wichtiger als die Motive, die sie sich und anderen gegenueber anfuehren.

    Zitat

    Bibliotheksbeispiel ist sicherlich korrekt (kann ich zumindest aus eigener Erfahrung bestätigen), allerdings ist mir nicht ganz klar, was du mir damit sagen willst. Ging es nicht darum, dass du der Ansicht warst, das bestimmte öffentliche Einrichtungen nicht mehr mit Steuermitteln gefördert werden müssten? Dein Beispiel zeigt hingegen, dass es im Gegenteil noch wesentlich mehr Steuermittel bräuchte, um die Einrichtungen auch up to date zu halten.


    Das Beispiel zeigt, dass eine Staatsbuerokratie die Umstellung wesentlich schlechter hinbekommen hat als vergleichbare private Institutionen in den USA, und dadurch jahrelang Arbeitszeit und sonstige Ressourcen von Millionen von Menschen verschwendet wurden. Im Fall Berlins kommt sicher noch die Technikfeindlichkeit des links-alternativen Milieus dazu, das damals die Unis dominiert hat.

    Meine Position ist, wie schon mehrfach betont, nicht, dass generell private Organisation besser ist als staatliche. Aber dass es gute Gruende geben muss, um von der meist effizienteren privaten Form abzuweichen. Und dass man moeglichst aus Schwaechen lernen sollte.

  • Zitat von Wendigo

    Diese These halte ich offen gestanden für groben Unsinn. Die Gemeinschaft profitiert von Studenten mindestens ebenso stark wie von Schülern.Sei es durch Forschung, Kultur oder Kunst.

    Hier kommen doch 2 Argumente zusammen. Von einem Studenten profitiert die Gemeinschaft eben erstmal nicht so stark wie von einem Schüler. Der kriegt nämlich ein Wissen vermittelt, dass für die Allgemeinheit nützlich ist: Lesen, Rechnen, Schreiben etc - Allgemeinwissen. Davon profitiert die Gemeinschaft, indem sie einen Schüler hat, der die smarteren Schüler nicht zurückhält und dann einen mündigen Bürger abgibt. Der Student erwirbt aber ein Spezialwissen, von dem in der Regel nur ein kleiner Kreis profitiert – was hat die Gesellschaft von einem FAZ- Feuilletonisten? Nicht viel, er und die FAZ-Leser aber schon – die haben den Vorteil, die sollen bezahlen.

    Und zudem ist es gar nicht nötig, dass das Studium „kostenlos“ ist: Andere Staaten finanzieren es über Gebühren, entlasten die Allgemeinheit – und haben trotzdem dramatisch eine höhere Studentenquote. In Neuseeland – um mal einen Spitzenreiter zu nennen – liegt sie etwa bei 75 %, in Deutschland nicht mal halb so hoch.

    Zitat von Wendigo

    Welche demokratischen Rechte beschneiden wir denn?

    Artikel 14 GG - das Recht auf Eigentum? Du nimmst jedem Bürger das Recht, über einen Teil seines Eigentums zu verfügen, wenn du ihm Steuern abknüpfst. Das ist ja auch ok, solange es dem Allgemeinwohl dient.

    Zitat von Wendigo

    Konsequent durchgedacht würde diese These bedeuten, dass sämtliche westliche Demokratien in Wirklichkeit undemokratisch sind, weil sie ihre Einwohner dazu verdonnern, einen Teil ihrer Einnahmen für Einrichtungen abzugeben, die sie nicht nutzen.

    Ich hab`s schon mal gesagt und sag`s wieder: Nutzung ist nicht der Punkt. Der Punkt ist die demokratische Legitimierung der Steuererhebung. Wenn die Allgemeinheit bestimmt, dass für etwas gezahlt wird, ist das in Ordnung. Du willst aber Geld haben (hier beliebigen Zweck einfügen) ohne dass das demokratische legitimiert sein muss.

    Zitat von Wendigo

    Das ist mir viel zu kurzsichtig. Unterschichts-Lieschens Kinder profitieren doch schließlich auch davon - jedenfalls haben sie die Möglichkeit dazu.

    Das ist nicht der Punkt. Die Mehrheit muss das legitimieren. Man kann den Leuten doch nicht gegen deren Willen das Geld abnehmen, denen was hinstellen, das sie nicht haben wollen, und dann sagen: "Was wollt ihr eigentlich? Ihr könnt doch auch davon profitieren!". Genauso funktioniert das nämlich heute: Der Erwerb von Kunst wird z.B. von der Allgemeinheit durch erniedrigten Steuersatz subventioniert. Lieschen Müller zahlt also dafür, dass ein Millionär seinen Picasso billiger kriegt. Klar, natürlich könnte sie das theoretisch auch, aber wie viele Krankenschwestern trifft man denn so auf Kunstauktionen?

    Zitat von Wendigo

    Im Gegensatz zu vielen Ländern, in denen Studiengebühren üblich sind, können Lieschens Kinder hierzulande nämlich auch dann studieren, wenn ihre Eltern sich gerade mal die Miete leisten können.


    Im Gegensatz zu welchen Ländern? Meines Wissens ist genau das Gegenteil der Fall. Wir haben eine lausige Studentenquote (knapp 35 %) und in keinem OECD-Land ist der Anteil von Studenten aus der Unterschicht so gering wie in Deutschland:

    „Auch was die Gesamtzahl der Studierenden betrifft, scheinen Gebühren keineswegs die Studierfreudigkeit zu hemmen. Im Gegenteil: In den Ländern, in denen das Studium etwas kostet, studieren mehr als in solchen Ländern, in denen das Studium gebührenfrei ist (z.B. in den USA 50 % eines Jahrgangs im Vergleich zu Deutschland mit 30 %). Je niedriger der private Finanzierungsanteil an den Gesamtkosten einer Hochschulausbildung, desto weniger Leute studieren. Dies ist das Ergebnis der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“.“

    Und weiter zitiert:

    „Zwar zahlen die Besserverdienenden tatsächlich mehr Steuern, doch die Kosten, die dem Staat durch deren studierende Kinder entstehen, liegen deutlich darüber. Dies rechnet der Dortmunder Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik Walter Krämer in seinem „Neuen Lexikon der populären Irrtümer“ (S. 313f.) vor. (Die genaue Rechnung würde hier etwas zu weit führen.) Das Ergebnis: „Die Armen zahlen zwar weniger Steuern, schicken aber auch überproportional weniger Kinder auf die Universitäten, so dass sie netto die Erziehung der Reichen finanzieren.“

    Und das ist natürlich nicht neu, denn wie hatte schon ein gewisser Marx 1875 erkannt?
    „Wenn in einigen Staaten [...] auch 'höhere' Unterrichtsanstalten unentgeltlich sind, so heißt das faktisch nur, den höheren Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel zu bestreiten.“

    Wow, hätte nicht gedacht, dass Marx hier so unpopulär ist! :D

    Zitat von Wendigo

    Sie können Harry Potter lesen (der öffentlichen Bücherei sei Dank) und wenn sie sich plötzlich für Dinosaurier interessieren, gibt's Museen, in die sie (fast) umsonst reindürfen. Woher, frage ich mich bei dieser Gelegenheit, nimmst du eigentlich die Gewissheit, dass Lieschen Müllers "Unterschicht" diese Einrichtungen gar nicht bezahlen will? Ich kenne einige Menschen aus ärmeren Verhältnissen, die sich im Gegenteil sehr darüber freuen und sie gerne nutzen.

    An welcher Stelle habe ich denn gesagt, dass sie das nicht will? Du unterstellst mir die ganze Zeit, ich wollte Subventionen abschaffen und das obwohl ich explizit gesagt habe, dass das gar nicht mein Thema ist. Ich glaube ganz im Gegenteil, dass selbst die Eltern, die kein Buch in die Hand nehmen, sich für Bibliotheken aussprächen. Deswegen verstehe ich die Horrorgemälde nicht, die hier gemalt wurden, wenn`s nach „mir“ ginge. Wenn aber dadaistisches Theater das Thema wäre, würde das anders ausgehen - und bei Studiengebühren auch. Wenn`s anders wäre, müsstest du dir ja keine Sorgen machen, oder? ;)

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Zitat von Derek Brown

    Von einem Studenten profitiert die Gemeinschaft eben erstmal nicht so stark wie von einem Schüler. Der kriegt nämlich ein Wissen vermittelt, dass für die Allgemeinheit nützlich ist: Lesen, Rechnen, Schreiben etc - Allgemeinwissen. Davon profitiert die Gemeinschaft, indem sie einen Schüler hat, der die smarteren Schüler nicht zurückhält und dann einen mündigen Bürger abgibt.

    Mal davon ab, was ich ethisch von dieser Argumentation halte, ist mir das inhaltlich viel zu krude, weil überhaupt nicht zu Ende gedacht. Das mit dem Benefit der Gesellschaft kann man nämlich auch komplett umdrehen. Und im Rahmen Deines argumentativen Mikrokosmos macht ein Umlegen der kausalen Kette eigentlich sogar noch mehr Sinn, wenngleich es dadurch keineswegs hübscher wird: Es ist durch die schulische Ausbildung nämlich in keinster Weise garantiert, dass der Schüler a) seine Mitschüler nicht zurückhält und b) einen mündigen Bürger abgibt. Das setzt Du oben einfach mal unbewiesen und verallgemeinernd voraus. Weiterhin formulierst Du, dass ein Student mit Abschluss nur geringen Benefit für die Gesellschaft bedeutet. Aber die Fakten sind eigentlich ganz andere. Bei einem Studenten ist der Benefit der Gesellschaft weitaus größer, da auch unter den derzeitig widrigen Umständen für Akademiker, selbige immer noch die durchschnittlich höher dotierten Jobs bekleiden (= mehr Steuereinnahmen) und das gesamtgesellschaftliche Bildungsniveau anheben. Zudem - bei allem Phlegma an deutschen Unis - ist die Quote an Absolventen mit Jobs immer noch weitaus höher als die der Studiumsabbrecher oder der arbeitslosen Akademiker. Bei einem Schüler ist allerdings nicht im geringsten klar was aus ihm wird, zumal man da auch noch inhaltlich abstufen müsste zwischen den verschiedenen Schulformen. Ein Gymnasiast wäre dann deutlich effizienter und somit nach Deinem Verständnis förderungswürdiger als ein türkischstämmiges Gastarbeiterkind mit radebrechendem Deutsch und wenig Aussicht darauf uns gesamtgesellschaftlich "weiter zu bringen".

    Denkt man Dein Argument also konsequent zu Ende und will auf dessen Basis weitere Schlüsse formulieren, so müsste man die Quintessenz eigentlich so formulieren: Förderung der "College-Prep."- und Hochschulbildung (natürlich nur mit Hinblick auf gesamtgesellschaftlich föderungswürdige Studiengänge) und Herausnahme der ineffizienten Bildungswege - noch besser - der ineffizienten Schüler aus dem Förderungstopf. Aber das ist widerlich, unsozial und mit Hinblick auf das "Allgemeinwohl", dass Du ja als Begründung anführst, ziemlich kurzsichtig.
    Und damit sind wir bei dem eigentlichen Problem, denn Du schreibst:

    "Es geht nicht darum, alle Subventionen zu streichen. Da würde man mich grundlegend missverstehen. Es geht darum, alle Subventionen zu hinterfragen und sich demokratisch darauf zu einigen, was man fördern möchte und was nicht."

    So richtig der Ansatz auch ist, so wenig kannst Du ihn an einer eindimensionalen Effizienzargumentation aufhängen. So funktioniert "Allgemeinwohl" nicht.

    "Players don't know how lucky they are, I think, to be in a place like Philly. I would've - if I could've kept playing a long time there, I would've played 'til the wheels fell off." - Chris Long

  • "Es geht nicht darum, alle Subventionen zu streichen. Da würde man mich grundlegend missverstehen. Es geht darum, alle Subventionen zu hinterfragen und sich demokratisch darauf zu einigen, was man fördern möchte und was nicht."

    Na prima: dann entscheidet die Bild-Zeitung, was gefördert wird :hinterha:

    Dann mach ich eben mein eigenes Forum auf...mit Blackjack und Nutten!

  • Zitat von Buccaneer

    "Es geht nicht darum, alle Subventionen zu streichen. Da würde man mich grundlegend missverstehen. Es geht darum, alle Subventionen zu hinterfragen und sich demokratisch darauf zu einigen, was man fördern möchte und was nicht."

    Na prima: dann entscheidet die Bild-Zeitung, was gefördert wird :hinterha:

    Mal abgesehen davon, dass die BILD schon nicht besonders gut darin war, Merkel zur Kanzlerin zu schreiben, habe ich da nichts dagegen: In unserer Demokratie zählt der Mehrheitswille und bloss weil mir das Ergebnis nicht passen könnte, bin ich nicht dafür, präventiv das System auszuhebeln.

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Zitat von Jo Brauner

    Naja, wenn du meinst "da sind legitime Punkte/Argumente im Post" dann ist das ein Tor....die Art und Weise hat dir nicht gefallen....damit kann ich leben


    Nachvollziehbares Argument hatte ich keines entdeckt, aber potentiell interessante Fragen. Also sagen wir Einwurf. ;)

    Zitat

    Nun gut: Wozu gibt es den Staat noch, wenn er keine Wirkmacht mehr hat?


    Gehst du jetzt auf deine alten Tage unter die Staatsmetaphysiker? ;) Das "wozu" klingt ja fast so, als muesse es irgendeinen Sinn haben, dass es "den Staat" gibt. Die Frage nach der Genese wuerde ich verstehen, oder Funktion, oder Praxis. Aber "wozu"? Ausserdem gibt's ja auch oft genug keinen funktionierenden Staat.

    Im Uebrigen ist es masslos uebertrieben zu sagen, "der Staat" habe keinerlei Wirkungsmacht mehr. Richtig ist, dass Vorstellungen vom Staat als 'Kommandohoehe' oder 'organisierendes Zentrum der Gesellschaft' ziemlich fragwuerdig sind, ebenso wie die Hoffnung, auf nationalstaatlicher Ebene den Kapitalismus zu baendigen. Aber er kann schon noch ganz schoen was anrichten, der Staat.

    Aber um eine moegliche Antwort auf deine Frage zu geben: ein Staat existiert so lange, wie er in der Lage ist, genug Ressourcen zu mobilisieren, um sich zu reproduzieren. Die wesentlichen Ressourcen duerften Geld, Waffen und Zustimmung sein. Diese duerften innerhalb gewisser Grenzen substituierbar sein.

    Zitat

    Wer hat die Macht?


    Wir alle, aber nicht alle gleich viel. Ich kann auf der Mikro-Ebene mit Foucault, Lyotard, etc, schon was anfangen. Auf der Makro-Ebene ist die Wirtschaft schon ziemlich wichtig, zum einen weil sie die Ressourcenstruktur immer wieder frisch formatiert, zum anderen weil oekonomische Einkommen der wichtigste Zugang zu Lebenschancen sind. Andererseits gibt es auch keinen echten 'Machthaber', weil niemand das System beherrscht, hoechstens mal voruebergehend ne Nische irgendwo.

    Zitat

    Wer bestimmt was gebraucht wird?


    Oekonomisch gesprochen die zahlungsfaehige Nachfrage. Normativ gesprochen die Hegemonie im Diskurs.

    Zitat

    und ist das gut so?


    Was?

    (Ich hoer schon immer lauter den Grimknight antrapsen und uns allen den Strom abdrehen :))

  • Zitat von Wendigo


    Was bei diesen Beispielen aber häufig vergessen wird, ist, dass die Gebühren in diesen Ländern Tradition haben und Eltern das Geld fürs Studium schon bei der Geburt ihrer Kinder auf die Seite legen. Über generelle Studiengebühren würde ich dann mit mir reden lassen, wenn es eine entsprechende Vorlaufszeit gäbe. Aber morgen von Familien für etwas Geld zu verlangen, dass es gestern noch umsonst gab (und bei dem gestern nicht einmal die Rede von Gebühren war), halte ich für unfair. Dann sollte man schon so anständig sein und sagen, okay, generelle Studiengebühren ab 2025, fangt an, zu sparen.

    Der Vorschlag, die Gebühren durch ein Darlehen vorzufinanzieren ist doch nun wirklich nicht neu.
    Die Studiengebühren wären also faktisch erst dann zu bezahlen, wenn der ausgebildete Akademiker in Lohn und Brot steht.
    Und für diejenigen, die das Darlehen z.B. wegen anschließender Arbeitslosigkeit auch längerfristig nicht zurückzahlen können steht der Vorschlag eines Fonds im Raum, aus dem solche Ausfälle gedeckt werden könnten.

  • Zitat von GermanBuc

    Der Vorschlag, die Gebühren durch ein Darlehen vorzufinanzieren ist doch nun wirklich nicht neu.
    Die Studiengebühren wären also faktisch erst dann zu bezahlen, wenn der ausgebildete Akademiker in Lohn und Brot steht.
    Und für diejenigen, die das Darlehen z.B. wegen anschließender Arbeitslosigkeit auch längerfristig nicht zurückzahlen können steht der Vorschlag eines Fonds im Raum, aus dem solche Ausfälle gedeckt werden könnten.


    Nun ja, wie immer hier in Deutschland scheint es für Vater Staat aber erstmal nur um die Einnahmen zu gehen, denn eine solche Finanzierung wird zwar immer mal wieder gerne diskutiert, die Gebühren jedoch werden "jetzt" eingeführt - ohne irgendeine gleichzeitige sinnvolle Art der Finanzierung.

  • Zitat von rygel

    Nun ja, wie immer hier in Deutschland scheint es für Vater Staat aber erstmal nur um die Einnahmen zu gehen, denn eine solche Finanzierung wird zwar immer mal wieder gerne diskutiert, die Gebühren jedoch werden "jetzt" eingeführt - ohne irgendeine gleichzeitige sinnvolle Art der Finanzierung.

    Das stimmt nicht.
    Erstens ist es nicht Aufgabe des Staates, für die Art der Finanzierung zu sorgen, das machen Banken.
    Und diese Angebote für Studienkredite gibt es bereits.

  • Zitat von Wendigo

    Mit einer ähnlichen Logik - und einer gehörigen Portion Zynismus - könnte ich nun einwerfen, dass von der Krebsforschung auch nur Krebspatienten profitieren und ich als gesunder Mensch aus diesem Grund nicht will, dass sie von meinen Steuermitteln mitfinanziert wird.

    Das ist ein schönes Beispiel, weil da genau der Unterschied deutlich wird: Krankheit ist ein allgemeines Lebensrisiko, dass solidarisch abgesichert werden sollte (zumindest ist das wohl die allgemeine Meinung). Da macht es völlig Sinn, das zu subventionieren. Was Dietmar Dath am Samstag in der FAZ zum Thema Batman sagte, hat nicht mal mich interessiert – und ich hab` die FAZ abonniert. Ich wüsste nicht, wie ich das der Allgemeinheit als deren Interesse unterjubeln sollte – warum sollte es also subventioniert werden?

    Es ist ja nicht so, dass es keinen Unterschied machen würde, ob Akademiker Wissen produzieren oder nicht, nur würden die Leute das Wissen eben auch ohne kostenloses Studium produzieren, weil sie daraus Profit ziehen: Die Wenigsten studieren ja aus altruistischen Gründen, sondern um hinterher (meist gutes) Geld zu verdienen. Aus dem kostenlosen Studium müsste da schon (im Gegensatz zu gebührenfinanzierten Systemen) ein Mehrwert entstehen, der die Kosten rechtfertigt und den sehe ich nicht.

    Zitat von Wendigo

    Aber morgen von Familien für etwas Geld zu verlangen, dass es gestern noch umsonst gab (und bei dem gestern nicht einmal die Rede von Gebühren war), halte ich für unfair.

    Das kommt davon, wenn klamme Politiker Kohle wollen…aber ich seh`s ja auch so, dass man nicht Gebühren ohne vernünftige Möglichkeiten zu ihrer Finanzierung erheben sollte.

    Zitat von Wendigo

    Welche Steuererhebung wurde denn bitte von der Allgemeinheit legitimiert?



    Formal wird natürlich jede Steuererhebung von der Allgemeinheit legitimiert, weil die handelnden Politiker ihr Legitimation ja vom Volk erhalten. Aber klar, das ist ja genau mein Punkt – es wird oft eine Politik betrieben, für die Politiker eigentlich nicht Volkes Segen haben. Ich glaube nicht, dass es Volkes Wille ist, dass der Verkauf pornografischer Bücher durch den verminderten Steuersatz belohnt wird.

    Zitat von Wendigo

    Aber sicher kann man das. Genauso wird's nämlich in allen Demokratien weltweit gemacht.

    Natürlich, aber da war das „können“ aber von mir auch mit dem Gestus moralischer Empörung gemeint ;), nicht dass ich die technische Realisierbarkeit in Frage stellen wollte.

    Zitat von Wendigo

    Was bitte ist Ökosteuer oder Dosenpfand (um wieder nur zwei zu nennen) denn sonst, wenn nicht Leuten gegen ihren Willen das Geld abnehmen und dann zu sagen: "Was wollt ihr eigentlich? Von der sauberen Umwelt könnt ihr doch auch profitieren!". Von der Allgemeinheit legitimiert wurde das sicher nicht.

    …und deswegen sprechen manche ja auch von einer Öko-Diktatur ;) Formell ist`s wie gesagt demokratisch, nur ist das auch richtig so? Nun ist`s aus praktischen Gründen ok, dass Politiker auf Zeit auch mal Politik „gegen“ das Volk machen und bei der nächsten Wahl dafür gelobt/abgestraft werden. Es kann IMHO aber nicht sein, dass wir aus Angst vor dem „gemeinen Volk“ Dinge erst gar nicht zur Diskussion stellen oder dessen Geld ohne dessen Nutzen verbraten.

    Und in der Praxis läuft es ja doch oft so, dass da nicht das Interesse der Allgemeinheit, sondern Befindlichkeiten von Politikern oder Randgruppen durchgesetzt werden. Warum werden Bücher z.B. mit dem „halben“ Mehrwertsteuersatz belegt? Wer profitiert davon? Nun, erstmal nicht die, die viel lesen, sondern die, die viel kaufen. Vielleicht wär`s ja im Interesse von Leseratte Lieschen Müller, dass ihr Geld nicht in den Bücherverkauf, sondern in die bessere Ausstattung von Bibliotheken geht, weil da die Gemeinschaft mehr davon hat…und warum werden Bücher subventioniert, CDs aber nicht? Ist Musik weniger wert als Literatur?

    Zitat von Wendigo

    So lausig ist die Studentenquote gar nicht, wenn man sich viele jener Länder anschaut, die eine hohe Quote haben - dort entspricht der Studienabschluss nämlich häufig dem Bildungsniveau des deutschen Abiturs.

    Da würde ich gerne mal genau nachschauen, denn wie lang wurde hier z.B. über die angeblich so lausigen amerikanischen Public Schools gelästert? Und dann kam PISA 2002 und wir waren nicht in einem einzigen Bereich besser…

    Zitat von Wendigo

    Profitieren die Armen letztendlich nicht vielleicht überproportional von der Bildung der Reichen?

    Ohne das jetzt aufrechnen zu wollen – tun wir mal so als ob. Nun wäre dieser Profit aber auch ohne kostenloses Studium da, weil die Erfindungen aus Profitinteresse der „Gebildeten“ gemacht werden und sie auch dafür belohnt werden.

    Zitat von Wendigo

    Wenn du dich einerseits beklagst, dass Unterschichts-Lieschen die "Privatvergnügen" der Mittelklasse finanziert und andererseits verneinst, dass du Subventionen abschaffen willst, ist deine Position schwer zu fassen.

    Mir sind eigentlich 2 Gedanken wichtig. Bei einem geht’s um Demokratie. Ich find`s unmöglich, wie der Bürger in manchen Bereichen entmündigt wird. Weil der vielleicht nicht unserer Auffassung ist, lassen wir ihn erst gar nicht entscheiden…die Todesstrafe ist sicherlich nur das prominenteste Beispiel. Mann sollte die Zustimmung durch den Bürger nicht davon abhängig machen, ob er unserer Meinung ist oder nicht.
    Der zweite ist ein rein finanzieller. Wenn schon Steuern erhoben und das Geld verwendet wird, muss es doch gerade in Zeiten knapper Kassen ein Kriterium dafür geben, wofür es verwendet wird. Sich am Allgemeinwohl – wie immer man das auch konkret definiert – zu orientieren, scheint mir sinnvoll. Vielleicht kämen dann in der Summe tatsächlich weniger Subventionen raus…vielleicht würden die Gelder aber auch einfach nur woanders hingehen: in KiTas statt Unis.
    Als positiven Nebeneffekt erhoffe ich mir dabei auch mehr Ehrlichkeit. Ich überspitze mal, aber wenn ich mir einen gutmenschigen Oberstudienrat vorstelle, der seine Kinder auf Kosten der Unterschichten studieren lässt, sich ein Häuschen im Grünen via Eigenheimzulage von Geringverdienern mitfianzieren lässt und sich abends in einem unrentablen Theater ein sozialkritisches Stück anschaut, wo beklagt wird, dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden, geht mir die Hutschnur hoch. Da wär`s mir lieber, es würde mal offen ausdiskutiert, wer was und warum finanziert.

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Zitat von Wendigo


    Sondern? Jetzt kommen wir nämlich zur interessanten Frage. Wird gemacht, was die Mehrheit will oder wird die Mehrheit gegebenenfalls - wie du es zu nennen pflegst - "entmündigt"? Denn darauf läuft's doch letztendlich hinaus. Führen wir die Todesstrafe ein? Kastrieren wir Sexualstraftäter? Oder nennen wir das Kind beim Namen, sprich die Mehrheit unfähig, solche Entscheidungen zu treffen?

    [OT]
    Ich glaube nicht, dass die Mehrheit in Deutschland für die Einführung der Todesstrafe oder die Kastration Sexualstraftäter wäre.
    Am Stammtisch mag's dafür noch Mehrheiten geben, über einen Querschnitt der Bevölkerung kann ich es mir nicht vorstellen.
    [/OT]

  • Zitat von Wendigo

    Es ist sicher ein bisschen überspitzt formuliert, aber wenn zum "richtigen" Zeitpunkt gefragt wird, könnte ich es mir eine Mehrheit durchaus vorstellen. Das ist es ja gerade, was ich bei diesem "Die Mehrheit soll entscheiden"-Gedanken so gefährlich finde - ihre Manipulierbarkeit.

    Aber ist die Gefahr der Manipulierbarkeit bei allen anderen Ansätzen (bei denen dann eine irgendwie gestaltete Minderheit Entscheidungen trifft) nicht viel größer?

  • Zitat von Wendigo

    Hättest du meine Bemerkung zum Thema Journalismus nicht unter den Tisch fallen lassen, würdest du vielleicht wissen, warum es subventioniert werden sollte. Die Alternative bestünde nämlich darin, Journalisten überhaupt nicht mehr zu fördern. Und daran ist niemandem gelegen. Oder sollen wir dem Dietmar Dath sagen, ups, wir sehen gerade, sie sind ja Feullietonist, das geht so nicht, sie müssen die Kohle zurückzahlen?

    Jetzt ist mir aber doch was dran gelegen ;) Warum sollte ich Journalisten fördern wollen? Gemäß meiner „einfachen“ Definition: Weil sie der Allgemeinheiten nutzen. Nur wie nutzt Dietmar Dath der Allgemeinheit? Wer hat seinen Artikel überhaupt gelesen? Der kleinste Teil einer ohnehin schon geringen FAZ-Leserschaft. Dass ist doch kein Nutzen der Allgemeinheit, sondern das Privatvergnügen einer Bildungskaste. Und jetzt zu meiner „erweiterten“ Definition: Hätte Dath den Artikel auch so geschrieben? Klar, wie andere Länder zeigen, werden auch dort Batman-Artikel trotz Studiengebühren geschrieben. Ich sehe noch immer nicht den Nutzen, den die Gemeinschaft hat. Das ist ja der Unterschied, den es im Gegensatz zu dem Beispiel mit den staatsfinanzierten Bundeswehrärzten gibt: Deren Leistung hätte man entweder gar nicht (weil Ärzte nicht gerade die Bundeswehr bestürmen) oder zu einem wesentlich teureren Preis (BW-Ärzte verdienen natürlich weniger als freie Ärzte).

    Zitat von Wendigo

    Mal abgesehen davon, dass ich den schon sehe - dann sei doch bitte auch so konsequent und fordere dasselbe für Industriekaufmänner, Kfz-Mechaniker, Friseure ... eben für all jene, die eine Berufsschule nicht aus altruistischen Gründen besuchen, sondern, weil sie daraus Profit ziehen. Ach ja. Und vergiss die ganzen FH-Studenten nicht

    Darüber kann man ja reden, nur sollte man auch mal sagen, dass die Ausbildung von Berufschülern eben nicht einfach vom Staat, sondern auch von den Unternehmen getragen wird, da sie die Finanzierung der betrieblichen Ausbildung übernehmen und diese Kosten auch an die Konsumenten weitergegeben werden. Was aber hat die FAZ zu Daths Studium beigetragen – mal abgesehen von den Steuern, die „normale“ Betriebe auch bezahlen - und wie hat sich die Leserschaft beteiligt?

    Zitat von Wendigo

    Was wäre denn eine vernünftige Finanzierungsmöglichkeit? Was ich von Darlehen halte, habe ich ja bereits dargelegt ...

    …nur hat mich das nicht überzeugt ;) Klar ist es nicht wünschenswert, dass Leute Schulden haben, nur ist das genauso ihr Risiko wie bei jedem anderen kreditfinanzierten Kauf. Mit dem Argument der Verschuldung verbieten wir ja auch nicht den Hauskauf, oder?

    Zitat von Wendigo

    Es war auch nicht Volkes Wille, dass der Nato-Doppelbeschluss zustande kam - und der war nicht nur richtig, sondern auch notwendig.

    Schon richtig, deswegen habe ich ja auch geschrieben, dass es auf Zeit legitim ist, „gegen“ das Volk zu regieren, nur heißt das nicht, dass man manche Fragen einfach ausklammern darf. Und wenn das Volk bei den nächsten Wahlen „falsch“ entscheidet, weil weder Wahrheit noch Realität sich nach Volkes Wille richten, ist das halt so. Jeder Einzelne hat das Recht auf Dummheit und das Volk natürlich auch.

    Zitat von Wendigo

    Wie lautet denn die Alternative? Mir fällt leider keine ein.

    Meine Antwort ist, genauer hinzuschauen. Momentan läuft es doch so, dass über „große Themen“ abgestimmt wird und die Politik im Kielwasser dieser Themen freie Hand bei kleineren Geschichten hat, was sehr zur Klientelpflege auf Kosten der Allgemeinheit benutzt werden kann.

    Zitat von Wendigo

    Subventioniert wird beides. Lieschen Müller kann sich also aussuchen, ob sie das Buch besitzen will oder es lieber ausleiht. Und ich finde es schon wichtig, dass man nicht nur in öffentlichen Einrichtungen Zugang zu Kunst und Kultur hat, sondern auch zuhause.

    Hatten wir das nicht schon mal? ;) Also, was habe ich davon, dass du dein Lieblingsbuch zuhause stehen hast? An sich erstmal gar nichts, also sehe ich nicht ein, warum ich das co-finanzieren sollte, egal ob ich die Option auch nützen könnte.
    Ich glaube auch nicht, dass Lieschen Müller sich das aussuchen kann. Unterschichts-Lieschen kommt nämlich gerade so über die Runden, die kauft nicht viele Bücher. Kinderlose Akademikerinnen z.B. aber schon – dieses Bildungsbürgertum wird nämlich beim Kauf privilegiert und dabei haben es diese Leute weniger nötig. Hier wird IMHO wieder ein Privileg gepflegt und diesen Luxus halte ich für falsch wenn man den Maßstab eines größtmöglichen Nutzens anlegt und der scheint mir bei Bibliotheken größer zu sein.

    Zitat von Wendigo

    Ja? Und? Deine These war: "Wer profitiert soll zahlen." Kaum habe ich dir dargelegt, dass die Allgemeinheit eben doch von Studenten profitiert

    …wann soll das denn gewesen sein? ;)…

    Zitat von Wendigo

    und damit laut deiner eigenen These auch bezahlen müsste, soll plötzlich der Grund des Studierens eine Rolle spielen? Davon abgesehen, dass ich es etwas bedenklich finde, allen Studenten pauschal Profitgier zu unterstellen, wird deine Argumentation langsam etwas schwamming.

    Also, ich unterstelle ich niemandem „Profitgier“ als moralischen Vorwurf, sondern als das ziemliche menschliche Bedürfnis, von seinem Können auch Leben zu wollen und das eher besser als schlechter. Da mache ich keinen Unterschied zwischen Chirurg und Metzger und ich glaube, dabei ziemlich nahe bei der Realität zu liegen.

    Danach stellte ich provokant die These in den Rau, nämlich die Frage, wo der Nutzen der Allgemeinheit sein soll, der sie zu einer Finanzierung bewegen soll. Natürlich produziert ein Akademiker Wissen und Steuern. „Wissen“ bedeutet aber nicht Profit für die Gesellschaft. Das Liebesleben der Steinlaus ist Wissen, nur wo ist der Profit?

    Aber es gibt auch „profitables“ Wissen und Steuern sind auch eine feine Sache – nur stellt sich dann dennoch die Frage des Nutzens der Finanzierung. Eine Ausgabe muss doch einen nützlichen Effekt produzieren, einen, den es sonst nicht gäbe. Wenn die Leute aus verständlichem Eigeninteresse – weil ihnen ein Job Spaß macht und sie Geld verdienen wollen – ohnehin studieren wollen, macht es doch keinen Sinn, da noch Geld zu investieren. Ich bezahl’ die Sonne nicht`s für`s Scheinen, auch wenn ich davon profitiere. Die Förderung macht für mich also nur dort Sinn, wo ein wünschenswertes Wissen produziert wird, dass es sonst nicht gäbe – z.B. in der Grundlagenforschung. Und auch da würde es wohl reichen, das Pferd von hinten aufzuzäumen und nicht alle Physik-Studenten, sondern die paar eingestellten Physiker über ein entsprechendes Gehalt zu fördern.

    Zitat von Wendigo

    Führen wir die Todesstrafe ein? Kastrieren wir Sexualstraftäter?

    Warum denn nicht? Der Grund, warum wir das nicht tun, ist doch auf keine unzweifelhaft logisch-wissenschaftliche Schlussfolgerung, sondern auf eine demokratische Übereinkunft zurückzuführen – und hätte genauso gut andersrum ausgehen können.

    Zitat von Wendigo

    Oder nennen wir das Kind beim Namen, sprich die Mehrheit unfähig, solche Entscheidungen zu treffen? Und: Ist es undemokratisch, die Mehrheit zu entmündigen, wenn sie im Begriff ist, etwas undemokratisches zu tun?

    Solange unter demokratischen Spielregeln gearbeitet wird, ist`s natürlich legitim, die Mehrheit zu „entmündigen“, wenn sie was Undemokratisches will. Nur ist Frage der Todesstrafe keine Sache der Demokratie, sondern der Menschenrechte.

    Zitat von Wendigo

    Deine Kritik ist formell sicher berechtigt, praktisch sehe ich aber leider keine andere Alternative.

    Wieso denn nicht? Wieso „darf“ denn nicht über die Todesstrafe abgestimmt werden? Weil dich das mögliche Ergebnis erschreckt?

    Zitat von Wendigo

    Eine Minderheit ist zumindest in der Lage, eine unpopuläre Entscheidung zu treffen; die Mehrheit kann das schon per Definition nicht. Da unpopuläre Maßnahmen aber nicht selten notwendig und vollkommen richtig sind (siehe den Fall Daschner), bin ich ganz dankbar, dass wir hierzulande viele Entscheidungen von Minderheiten treffen lassen.

    Also dass halte ich für ein ganz wackliges Argument. Das macht doch erst Sinn, wenn du nachweisen kannst, dass die Minderheit öfters richtig liegt als die Mehrheit und die Daten, auf die du dich stützten müsstest, würde ich gerne mal sehen.

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Zitat von Wendigo

    Pauschalisierung galore!

    Sorry, aber das ist doch arg merkwürdig. Du pauschalisierst doch von Anfang an, indem du behauptest, dass Bildung und Wissen per se der Gesellschaft dienen. Und wenn ich dann darauf hinweise, dass es eben auch Wissen gibt, dass eben keinen Nutzen für die Allgemeinheit hat, ich also differenziere, bin ich es, der pauschalisiert?

    Zitat von Wendigo

    Zu behaupten, dass man aus Dietmar Daths Einsichten […] Rückschlüsse auf den Nutzen des Journalismus im Allgemeinen ziehen könnte, ist in etwa dasselbe als behaupte man, dass der durchschnittliche Gast einer beliebigen Nachmittagstalkshow Aufschluss über den Intelligenzgrad der gesamten Menschheit gäbe.

    Jaja – nur mache ich das halt gar nicht. Ich unterscheide doch zwischen nützlichem und unnützem Journalismus (im Bezug auf die Allgemeinheit) – du pauschalisierst.

    Zitat von Wendigo

    Was ist mit dem Politikteil der FAZ? Mit der Tagesschau? Mit Korrespondenten oder Kriegsberichterstattern? Willst du mir wirklich erzählen, dass Journalisten der Allgemeinheit nicht nutzen?

    Das ist doch Pauschalisierung – weil es Journalisten gibt, auf die man sich schnell als „allgemeininteressant“ einigen kann (und ob die FAZ dazugehört, darüber lässt sich streiten), schließt du daraus, dass alle gefördert gehören. Das ist so als ob du aus der Nützlichkeit eines Notarztes die Notwendigkeit der Subventionierung von Schönheitschirurgen ableitest. Deswegen landest du immer bei den gleichen Ergebnissen: Weil du Bücher magst, förderst du den Verkauf von Pornografie. Du hantierst hier immer wieder mit einer riesigen Gieskanne (Subvention), die eben auch Unkraut bewässert (Pornografie), du gießt sogar noch bei Regen (Bücher würden sich auch so verkaufen) und lässt dabei wichtige Pflanzen verdorren, die besonderer Pflege bedürfen (unterfinanzierte Bibliotheken), weil dein Wasservorrat begrenzt ist, und ironischerweise nimmst du dazu Kleingärtnern, die ohnehin schon wenig Wasser (Geld) haben, noch einen Teil weg, um die Orchideenzüchter (Bildungsbürgertum) zu fördern. ;)

    Zitat von Wendigo

    Keine seriöse Bank dieser Welt würde einem 20jährigen ohne Ausbildung und ohne geregeltes Einkommen einen Kredit über 20.000 Euro geben. Das ist schlichtweg absurd.

    Absurd ist höchstens die Behauptung, dass man nirgendwo 20.000 Euro/Dollar bekäme. In den USA gibt es z.B. den Perkins-Kredit für Studenten, der bis zu $20.000 geht und während des Graduiertenstudiums weitere $6000 pro Jahr ermöglicht. Der Stafford-Kredit ermöglicht während des Graduiertenstudiums sogar $18.500 – pro Jahr.

    Zitat von Wendigo

    Es geht doch überhaupt nicht ums Ausklammern. Es geht darum, dass du seit einigen Postings forderst, dass die Allgemeinheit ein Recht darauf habe, selbst zu entscheiden, was mit ihrem Geld passiert, es aber gleichzeitig völlig legitim findest, "gegen das Volk zu regieren" und Millionen für den Doppelbeschluss zu verpulvern, den die Allgemeinheit nicht wollte. Wasser predigen, Wein saufen ...

    Stimmt doch gar nicht. Warum habe ich das denn als richtig empfunden? Doch nicht deswegen, weil die politische Entscheidung mir gefallen hat, sondern weil das aus praktischen Gründen nötig ist. Wenn das Volk wegen jeder Entscheidung, jedem Gesetz zur Urne rennen müsste, wäre man mit kaum was anderem beschäftigt. Es ist also völlig richtig, diesen Job auf Zeit an Politiker zu vergeben und ihnen da freie Hand zu geben, aber nicht Fragen und Methoden auf Dauer auszuklammern. Wie wird denn z.B. die Einführung von Volksabstimmungen bekämpft? Mit dem Argument, dass das Volk für die Todesstrafe sein könnte. Da wird mit dem unerwünschten Ergebnis die Verweigerung der Frage begründet und das mache ich ja gerade nicht.

    Zitat von Wendigo

    Was habe ich davon, dass du Kohle bekommst, wenn du keinen Job findest? An sich erstmal gar nichts, also sehe ich nicht ein, warum ich das co-finanzieren sollte, egal ob ich die Option auch nützen könnte.

    Das stimmt natürlich, nur ist es hier doch genauso wie bei deinem Beispiel mit den Krebspatienten. Es gibt einen Konsens darüber, dass das ein Risiko ist, dass von der Solidargemeinschaft getragen und subventioniert werden muss. Die Allgemeinheit sieht hier einen Nutzen und hat das legitimiert. Das ist also voll auf meiner Linie und genau das fordere ich für Studiengebühren oder den Verkauf von Büchern. Wenn du „mich“ überzeugst, dass ich einen Nutzen habe, dass du ein beliebiges Buch daheim hast, werde ich das mitfinanzieren, auch wenn ich selbst keine Bücher kaufen würde. Daher noch mal die Frage: Warum sollte die Allgemeinheit dein Vergnügen, ein Buch daheim stehen zu haben, mitfinanzieren?

    Zitat von Wendigo

    "Wieviele bedeutende medizinische, technische oder kulturelle Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, die das Leben länger, angenehmer oder lebenswerter machen, wurden denn von Menschen erdacht, die keinen Kontakt zu höherer Bildung hatten?"

    Ich will mich an der Stelle gar nicht daran aufhängen, was „bedeutend“ ist, mir reichen ja schon „einfache“ allgemein nützliche Tätigkeiten. Nur setz' die erstmal ins Verhältnis zur Zahl der Akademiker. Geh nur mal ein einen größeren Zeitschriften-Laden und frag dich, wie viele der zig Zeitschriften für die Allgemeinheit wirklich wichtig sind – der weitaus geringste Teil. Vom Kicker zum Goldenen Blatt, vom Aktien-Magazin bis hin zur Zeitung für Zierfisch-Fans: lauter Wissen, dass für Interessierte schön, aber sicherlich nicht im Interesse der Allgemeinheit ist.
    Und jetzt nimm diese übrigen „nützlichen“ Zeitungen und frag dich, welche es nicht gäbe, falls das Studium der Journalisten nicht von der Allgemeinheit subventioniert worden wäre. Genau diese Gruppe, die noch einmal kleiner ist, produziert ein Wissen das subventionswürdig ist und Subventionen auch nötig hat. Und selbst da ist es viel sinnvoller nicht das entsprechende Studium kostenfrei zu stellen, sondern die Tätigkeit zu subventionieren, weil es da keine Fehlsteuerung mehr gibt. Genau diese Fehlsteuerung hast du bei den ersten Gruppen.

    Zitat von Wendigo

    Bitte. Das ist keine provokante These, das ist Blödsinn, und das weißt du auch selbst. Schließlich widerlegst du dich in deiner nächsten Aussage ja selbst:

    Das ist nicht Blödsinn, sondern ein dialektisches Mittel im These-Antithese-Synthese-Spiel.

    Zitat von Wendigo

    Wie ich schon an anderer Stelle erwähnt habe, bin ich nämlich keineswegs der Ansicht, dass sie das "ohnehin" täten. Ich bin im Gegenteil der Überzeugung, dass wir bei Einführung von Gebühren mit einer Finanzierung auf Darlehensbasis schlagartig weniger Studenten hätten.

    Deswegen weise ich ja darauf hin, dass in den vergleichbaren OECD- Ländern mit Studiengebühren die Studentenquote höher liegt als hier und die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ eher einen gegenteiligen Zusammenhang sieht: „In den Ländern, in denen das Studium etwas kostet, studieren mehr als in solchen Ländern, in denen das Studium gebührenfrei ist.“ Studiengebühren scheinen also die Studentenquote eher zu fördern, nicht zu vermindern. Deswegen wage ich ja nun wirklich keinen allzu gewagten Schluss, wenn ich keinen dauerhaften Studentenrückgang sehe. Der Grund ist nämlich ein ganz einfacher: Die Anreiz für einen potenzielle Studenten bleiben nämlich bestehen: bessere Job-Aussichten, höheres Gehalt, etc und genau deswegen funktioniert das auch in anderen Ländern. Wir haben die lausigsten Studentenquoten, nicht die Bezahl-Länder.

    Zitat von Wendigo

    Und damit wäre deiner Allgemeinheit noch viel weniger gedient, schließlich gibt es immer weniger Jobs für Menschen ohne Studienabschluss.

    Was erstens einiges damit zu tun, dass Deutschland ganz groß darin ist, niedrig qualifizierte Jobs zu vernichten, und zweitens scheint mir die Logik verquer. Warum sollte man die fördern, die ohnehin schon die wenigsten Schwierigkeiten haben? Warum sollte man das Geld nicht in die Unterqualifizierten ohne Schulabschluss investieren? Die sind doch das größte Problem.

    Zitat von Wendigo

    Von wegen. Man kann über das Grundgesetz ja viel behaupten, dass es demokratisch legitimiert wurde, gehört aber bestimmt nicht dazu. Der Grund, warum wir das nicht tun, ist schlicht, weil eine Minderheit (nämlich die Verfassungsväter) es nicht wollten.

    Über das Ausmaß der demokratischen Legitimation des GG kann man diskutieren, nur war das gar nicht mein Punkt. Innerhalb des Rats wurde jedenfalls ausgehandelt, ob man für die Todesstrafe war oder nicht und die Basis war kein Naturgesetz, sondern die Meinung der Mitglieder. Wenn es einmal legitim war, darüber zu entscheiden, warum heute nicht mehr?

    Zitat von Wendigo

    Das ist kein "wackliges" Argument, das ist die Frage, auf die das alles letztlich hinausläuft. Wer soll entscheiden? Du sagst: Die Mehrheit, weil das demokratisch ist. Ich sage: Eine demokratisch gewählte Minderheit, weil die Mehrheit per Definition unfähig ist, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, die gelegentlich (wie oft spielt dabei überhaupt keine Rolle) richtig und wichtig wären.

    Aber das „Wer“ ist doch untrennbar mit dem „Warum“ verbunden. Dass nur eine Minderheit unpopuläre Entscheidungen fällen kann, ist zwar per Definition richtig, nur sagt das halt gar nichts über den Inhalt aus. Wenn eine Minderheit tagein tagaus unpopulären Unsinn verkünden würde und die populäre Meinung historisch-moralisch-ethisch richtig wäre, wärst du trotzdem gegen die Mehrheit und für die spinnende Minderheit? Das wäre doch meschugge.

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Zitat von Derek Brown


    Das ist nicht Blödsinn, sondern ein dialektisches Mittel im These-Antithese-Synthese-Spiel

    Das ist aber ein ganz altes Spiel alter Hegelianer....da gibt´s inzwischen einige upgrades :mrgreen: