WR (#1 Xavier Worthy, #5 Hollywood Brown, #4 Rashee Rice, #84 Justin Watson, #9 JuJu Smith-Schuster, # 24 Skyy Moore, # 17 Mecole Hardman – TE (#87 Travis Kelce, #83 Noah Gray, # 12 Jared Wiley, #88 Peyton Hendershot)
Marquise „Hollywood“ Brown (5-9, 180, Oklahoma) dürfte trotz seiner schwächeren Statistiken in den letzten Jahren grundsätzlich als #1-Receiver der Chiefs vorgesehen sein. Beide Seiten hoffen, dass er mit einem Top-QB auch leistungsmäßig wieder an bessere Tage anknüpfen kann, als dies zuletzt in Arizona der Fall war. Dabei setzen die Chiefs vor allem auf seine Geschwindigkeit, mit dem auch die tiefen Zonen attackiert werden sollen. Allerdings hat sich der für NFL-verhältnisse schmächtige (5-9, 180) und verletzungsanfällige Brown in der Preseason eine Schulterverletzung zugezogen und wird auf jeden Fall im Auftaktspiel – möglicherweise aber auch darüber hinaus – zunächst einmal fehlen. Immerhin haben die Chiefs ihn nicht auf IR gesetzt, was dafür spricht, dass sie ihn noch innerhalb des ersten Monats zurück erwarten. Seine Rekonvaleszenz soll schnell voranschreiten, so dass man im Moment mit dem zweiten oder dritten Saisonspiel spekuliert.
Erstrundenpick Xavier Worthy (5-11, 165, Texas) ist naturgemäß ein großer Hoffnungsträger. Seine größte Stärke ist natürlich seine Explosivität und Geschwindigkeit – seine 4,21 s über 40 yards sind atemberaubend. Aber er kann eben weit mehr als das. Schon im Trainingscamp gab es spektakuläre Bilder und er wurde von Mahomes sehr gelobt. Auch in der Preseason hat Worthy sein Potential aufblitzen lassen. Er ist im Grunde ein ähnlicher, eher noch schmächtigerer (5-11, 165) Spielertyp wie Brown und soll insbesondere ebenfalls die Langdistanz bedienen. Er war ohnehin als Starter erwartet worden und könnte gerade aufgrund der Verletzung von Brown gleich zu Beginn erhebliche Spielanteile erhalten.
Die einzige positive Überraschung der Vorsaison im Receiver-Corps war Rookie Rashee Rice (6-1, 203, SMU), der – angesichts des komplexen Offensivsystems der Chiefs für einen Rookie sehr ungewöhnlich – von Anfang an Einsatzzeiten bekam, sich im Saisonverlauf suzkessive zu steigern vermochte und in der zweiten Saisonhälfte auch Starter war. Insgesamt kam er auf 79 Catches für 938 yards (11,9 Yards/Catch) und 7 TDs. Dieses Zahlen produzierte er, obwohl er im Wesentlichen mit sehr kurzen Pässen (im Schnitt 3,8 yards downfield) bedient wurde.
Auch wenn manche Beobachter in ihm einen Profiteur des Spielsystems ausmachen, spricht dies bei im Kern unverändertem System jedenfalls nicht gegen fortgesetzte Produktivität. Interessant ist aber, dass Rice auf völlig andere Weise erfolgreich war als am College. Während er dort noch downfield mit jump balls erfolgreich war, war er in seiner Rookie-Saison eher im „Deebo Samuel-Stil“ unterwegs. Nachdem die Chiefs nun überwiegend körperlich schmalere WR im Kader haben, könnte es auch sein, dass Rice nach dem Abgang von Valdes-Scantling vermehrt als outside-Receiver (speziell als „X-Receiver“) eingesetzt wird und zudem vermehrt Blocking-Arbeit übernimmt.
Das größte Problem ist eine drohende Sperre, weil er in der Offseason im öffentlichen Straßenverkehr an einem „Autorennen“ teilnahm, wobei es zum Unfall kam. Mit einer ganz kurzfristigen Entscheidung ist nach derzeitigem Stand aber nicht zu rechnen – es bleibt also eine möglicherweise langfristige Hängepartie.
Juju Smith-Schuster (6-1, 215, USC) war der 2017er Zweitrundenpick der Steelers. Er hatte einen tollen Start in die NFL mit 917 yards und 1.426 yards bei jeweils 7 TDs in den ersten beiden Jahren. Danach ging es – auch verletzungsbedingt und wegen nachlassender QB-Leistungen – auch mit seinen Statistiken massiv bergab. 2022 wechselte er zu den Chiefs, wo er in lediglich 14 Spielen auf 933 Yards und 3 TDs kam und seine Karriere wiederbeleben konnte. Nach einem auch durch eine ungünstige QB-/Offensiv-Situation sowie verletzungsbedingt schwachen Jahr bei den Patriots kommt er nun zu den Chiefs zurück, wo er seine gesundheitlich wie sportlich beste Saison der letzten Jahre hatte. Man darf nicht erwarten, dass er mit seinen individuellen Leistungen direkt an 2022 anknüpfen kann, aber er stellt eine zuverlässige Anspielstation dar – vor allem als dritter oder vierter Receiver.
Obwohl Smith-Schuster erst 27 Jahre alt ist, dürften aus körperlich-gesundheitlichen Gründen seine besten Jahre hinter ihm liegen. Er war noch nie der schnellste, aber er spielt einfach intelligent: Er stellt sich nicht am falschen Spot auf, er läuft die richtige Route und er fängt den Ball - quasi das Gegenteil von Kadarius Toney. Er hat – ähnlich wie Kelce – ein gutes Gespür für Zonenverteidigungen und ist nebenbei ein guter Run-Blocker.
Er dürfte sich mit Rice als Slot Receiver abwechseln. Die „Chemie“ mit Mahomes und den Coaches passte jedenfalls schon 2022 von Anfang an. Zudem bringt er Leadership mit und könnte er sehr gut als Mentor für die jungen WR Worthy, Rice und Moore fungieren.
Justin Watson (6-2, 215, Penn) wurde 2022 woh in erster Linie als ST-Player von den Bucs verpflichtet, machte dann aber schon früh auch als WR auf sich aufmerksam. Obwohl er daher primär als WR eingesetzt wird, ist der zahlenmäßige Erfolg überschaubar, wenn auch mit leicht aufsteigender Tendenz (15 catches bei 34 Targets für 315 yards und 2 TDs in 2022 und 27 Catches bei 53 Targets für 460 yards und 3 TD in 2023). Im Trainingscamp soll er einen guten Eindruck hinterlassen haben.
Skyy Moore (5-10, 195, Western Michigan) war der 2022er Zweitrundenpick der Chiefs. Gemessen an seinem Draft-Status hat er die Erwartungen nicht erfüllt, weswegen er bei den Fans auch nicht sonderlich beliebt ist. In der Theorie bearbeitet tendenziell die Feldmitte, gilt als fangsicher und kann aufgrund seiner Geschwindigkeit und Wendigkeit für Yards-after-Catch sorgen. In der Praxis waren seine beiden ersten Jahre (22 Catches für 250 yards und 21 catches für 244 yards) mehr als enttäuschend. Auch die Preseason gab wenig Anlass zur Hoffnung. Allerdings ist er bei den Coaches immer noch relativ gut angesehen und hat es – anders als der beliebtere Justyn Ross – trotz der diversen Neuverpflichtungen in den Kader geschafft. Dabei mag geholfen haben, dass er aufgrund seines Rookie-Vertrages bis 2025 immer noch relativ günstig ist. Zudem ist er flexibel auf allen WR-Positionen einsetzbar und kann auch mal als Returner eingesetzt werden.
Mecole Hardman (5-10, 187, Georgia) war der 2019er Zweitrundenpick der Chiefs, wo er sich zu einem ordentlichen Receiver entwickelte, seinen Draft-Status aber nicht ganz zu rechtfertigen vermochte. Nach dem Auslaufen seines Rookie-Vertrages wechselte er 2023 zu den Jets, wo es überhaupt nicht lief, er seinen Starter-Job verlor und um einen Trade bat. So kam er zur Saisonmitte zurück zu den an ihren WR verzweifelnden Chiefs, wo er jedoch auch nur einen überschaubaren Beitrag (14 Catches bei 21 Targets für 118 yards) leisten konnte. Immerhin fing er den entscheidenden TD-Pass im Superbowl LVIII. Auch er ist ein schneller Spieler (einst 4,33 s über 40 yards) und dürfte seinen Job nicht zuletzt aufgrund seines Potentials als KR/PR vorerst behalten haben. Aber er ist kein guter Route-Runner und kann praktisch nur auf tiefen Routen oder bei auf ihn abgestimmten Spielzügen produktiv sein.
Auf TE sind die Chiefs nach wie vor auf der Starter-Position exzellent besetzt. Der 34-jährige Travis Kelce (6-5, 250, Cincinnati [oder gemäß seiner Selbstvorstellung: „Cleveland Heights, Ohio“]) gilt auch weiterhin als einer der Top-TEs in der NFL. Er ist als Receiver eine Mischung aus WR und TE, kann sich von Verteidigern lösen und seinen Körper einsetzen, um den Ball abzuschirmen und auch bei Contested Catches die Oberhand behalten. Er ist damit ein Matchup-Problem für jeden Gegner, was nicht selten auch für die beliebten „yards after catch“ sorgt. Zudem ist er – was angesichts seiner Leistungen als Receiver oft untergeht, ein exzellenter Blocker. Der 2013er Drittrundenpick der Chiefs dürfte auf dem gerade Weg in die Hall of Fame sein. Wenn Mahomes improvisieren muss, vermag Kelce sich oft freizulaufen und stellt seine wichtigste Anspielstation dar. Gelegentliche Drops bei dem an sich fangsicheren Kelce lassen sich am ehesten mit Konzentrationsmängeln erklären. Er spielt – gemessen an seinen Leistungen – für ein moderates Gehalt bei sehr teamfreundlich strukturiertem Vertrag und zeichnet sich durch einen außergewöhnlichen Ehrgeiz aus.
Aber auch an ihm nagt der Zahn der Zeit. Sein Snap Count und die prozentuale Quote seiner Offensiv-Snaps gehen von Jahr zu Jahr zurück. Spielte er 2019 noch 92 % und 2020 noch 86 % aller Snaps, so reduzierte sich dieser Wert in den Folgejahren über 82 % und 80 % auf 77 %. Im Vorjahr kam er stmals seit 2016 nur auf 121 Targets. 93 Catches für 984 yards ergeben einen bei weitem geringsten Schnitt von lediglich 10,6 yards/catch (sonst immer über 12 yards/catch) – und auch 5 TDs waren deutlich weniger als in den vorangegangenen drei Jahren (11/9/12). Schließlich endete Kelces Serie von 7 Jahren mit jeweils über 1.000 yards. Letzteres beruhte natürlich auch auf der löblichen Einstellung, den Teamerfolg über individuelle Statistiken zu stellen, weswegen Kelce auf eigenen Wunsch im bedeutungslosen letzten Saisonspiel nicht zum Einsatz kam.
Wie stark und wichtig Kelce immer noch ist, wenn es darauf ankommt, zeigte er in den Playoffs, als er mit 32 Catches für 355 yards (11,1 yards/catch) und 3 TDs maßgeblich zum erneuten Titelgewinn beitrug.
Die für seine Verhältnisse schwächeren Statistiken waren sicher auch teilweise der ungünstigen Gesamtsituation in der Chiefs-Offense geschuldet, denn die gegnerischen Defenses konnten sich schon früh auf Kelce (und Rice) konzentrieren. Gleichwohl dürfte es Kelce immer schwerer Fallen, bei tiefen Pässen zu glänzen. Seine größte Produktivität zeigt er in der Mitteldistanz. Dennoch muss die Last jetzt auf mehr Schultern verteilt werden.
Viele Fans sehen den 2021er Fünftrundenpick Noah Gray (6-3, 240, Duke) inzwischen kritisch, weil ihm der große Durchbruch zum Nachfolger von Kelce als Receiver bislang nicht gelungen ist. Er hat sich 2022 als die klare #2 etabliert und stand in den beiden letzten Jahren jeweils bei 52 % aller offensiven Snaps auf dem Feld. Allerdings war im Vorjahr keine weitere statistische Steigerung festzustellen (lediglich 28 Catches bei immerhin 41 Targets für 305 yards), obwohl die Gelegenheit angesichts mäßiger Konkurrenz so gut wie selten war. Allerdings ist zu beachten, dass die Chiefs zwar häufig mit 2 TEs auf dem Platz stehen, aber nur „TE1“ – in der Regel Kelce – als Receiver vorgesehen ist. „TE2“ ist für die „Dreckarbeit“ zuständig, also primär ein Blocking-TE. Nachdem er ursprünglich primär ein „Receiver“ war, ist Gray inzwischen bereit und in der Lage, diese „Drecksarbeit“ zu erledigen, was ihm seinen #2-Status bewahren könnte. Unabhängig davon würde man ihm natürlich in seinem contract year noch einmal ein Schritt nach vorne wünschen.
Deswegen ist auch schwer zu beurteilen, ob er so leicht von Rookie Jared Wiley (6-6, 249, TCU) verdrängt werden könnte. Wieder einmal erhofft man sich, in einem jungen TE den Nachfolger von Travis Kelce gefunden zu haben. Aber einen Hall-of-Fame-TE findet man leider nicht so leicht. Über seine Entwicklung in den ersten Monaten gehen die Meinungen auseinander. Tendenziell sieht er eher aus wie ein WR als wie ein TE, was teilweise auch an seiner Größe liegen mag. Als Blocking TE ist er derzeit sicherlich keine Konkurrenz. Vermutlich ist er eher der Backup für Kelce, wenn der mal eine Pause benötigt. Man darf also gespannt sein.
Peyton Hendershot (6-4, 254, Indiana) kam 2022 als ungedrafteter Rookie in die NFL. Er kam zwar bei den Cowboys ins Team, aber seine Zahlen waren mit 11 Catches für 103 yards und 4 Caches für 38 yards eher überschaubar. Er wurde erst kurz vor Saisonbeginn anstelle des wieder entlassenen Irv Smith verpflichtet, ist ein sehr guter Special Teams Player und dürfte im Übrigen in erster Linie als Blocking-TE vorgesehen sein.
Fazit:
Bei den WR haben die Chiefs nach den teilweise desaströsen Leistungen im Vorjahr mit Brown und Worthy erheblich nachgelegt. Zudem hatte Rice eine starke Rookie-Saison. Dass einem kurz vor Saisonbeginn noch Rückkehrer Smith-Schuster in die Hände fiel, war ein ungeplanter Glücksfall. Das ist zunächst einmal eine Win-Win-Situation, denn Smith-Schuster war 2022 bei den Chiefs sehr zufrieden und äußerte sich auffallend positiv über das Coaching, wohingegen die Chiefs einen sehr talentierten Spieler, der gut zum System passt, zum Schnäppchenpreis bekommen.
Die erste Problematik besteht darin, wer wann verfügbar sein wird. Brown ist verletzt, sollte aber nach den derzeitigen Wasserstandsmeldungen im zweiten oder dritten Spiel wieder mit dabei sein. Aber er bleibt – ebenso wie Smith-Schuster – verletzungsanfällig. Bei Worthy bleibt zu hoffen, dass er trotz seiner schmalen Statur nicht ebenfalls zur Verletzungsanfälligkeit tendiert. Bei Rice droht eine Sperre, wobei mein persönlicher (sehr spekulativer) Tipp wäre, dass man die rechtliche Auseinandersetzung über das Saisonende hinaus ziehen wird und die NFL erst danach entscheidet, so dass sich die potentielle (und wahrscheinliche) Sperre dann auf 2025 beziehen würde. Im praktischen Ergebnis haben die Chiefs damit wesentlich bessere Receiver, müssen aber mit gelegentlichen Ausfällen rechnen. Vermutlich wird man fleißig durchrotieren und so das Verletzungsrisiko minimieren.
Strukturell dürften die Chiefs mit Brown und Worthy nun wieder Spieler haben, die aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit auch tief angespielt werden können, so dass die Gegner vermehrt den tiefen Pass verteidigen müssen. Das sollte – jedenfalls in der Theorie – für größere Lücken in den kurzen und mittleren Zonen sorgen, was gerade Rice, Smith-Schuster und Kelce entgegen käme.
Bei den TEs ist Kelce natürlich als quasi-Receiver der Star. Man sollte aber nicht unterschätzen, dass die Chiefs häufig mit 2 TEs auf dem Feld stehen. Derzeit ist aber noch nicht absehbar, ob sich sonst jemand ins Rampenlicht spielen kann.
Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass der Passangriff der Chiefs aufgrund eines erhöhten Talentlevels, aufgrund weniger Drops und aufgrund der strukturellen Verbesserung durch schnelle Spieler wieder wesentlich stärker sein wird als noch in der Vorsaison. Es kann gut sein, dass Travis Kelce nach der Saison seine Karriere beenden und seine Zeit künftig primär seiner berühmten Partnerin (die, deren Name nicht genannt werden darf) und dem offenbar äußerst lukrativen Podcast gemeinsam mit seinem Bruder Jason widmen wird. Mehr als zwei Jahre wird er nach meiner Einschätzung jedenfalls nicht mehr spielen. Um so mehr bleibt zu hoffen, dass die Chiefs für ihn einen geeigneten Nachfolger finden.