trosty Ich versuche, mich kurz zu fassen:
Bei der Tötung eines anderen Menschen kommen im Wesentlichen folgende Straftatbestände in Betracht:
§ 212 StGB (Totschlag) ist die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen.
§ 211 StGB (Mord) ist die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen unter Verwirklichung eines Mordmerkmals. Mordmerkmale sind:
- aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
- heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
- um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
§ 213 StGB (Minder schwerer Fall des Totschlages)
ist auch ein Totschlag, nur dass ganz besondere Umstände vorliegen, welche die Tat als minder schweren Fall erscheinen lassen. Eine Möglichkeit sieht das Gesetz ausdrücklich vor, nämlich dass"der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen" wurde.
§ 216 StGB (Tötung auf Verlangen) ist ebenfalls ein Totschlag, der aber auf ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen des Getöteten vorgenommen wurde.
§ 222 StGB (fahrlässige Tötung) ist die unvorsätzliche, aber gleichwohl pflichtwidrige Verursachung des Todes eines anderen Menschen.
Daneben gibt es noch mehr oder weniger skurrile Sonderfälle, z. B. die Aussetzung mit Todesfolge (§ 221 Abs. 1, Abs. 3 StGB), die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) oder die Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB), bei denen der Tod eines Menschen strafschärfend oder (Schlägerei) strafbegründend wirkt.
Die wichtigsten Abgrenzungen in der Praxis betreffen die Abgrenzung Vorsatz/Fahrlässigkeit einerseits und das (Nicht-)Vorliegen von Mordmerkmalen bei vorsätzlicher Tötung andererseits. Denn für "Mord" gibt es zwingend lebenslänglich, wohingegen es bei den anderen genannten Delikten eine breite Abstufung gibt, z. B. Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bei fahrlässiger Tötung, aber Freiheitsstrafe von 5-15 Jahren bei einem "normalen" Totschlag. Auch wenn die Entscheidung "haarscharf" ist, klafft das "Ergebnis" für den Täter ggf. weit auseinander.
Allein mit der Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit kann man eine halbe Vorlesung füllen. Daher hier nur eine stark verkürzte Darstellung:
Zum Vorsatz zählen
- Absicht ("dolus directus 1. Grades"): Dem Täter kommt es darauf an, das Opfer zu töten, er wirkt gezielt darauf hin. (Das ist das, was sich der Laie meist unter Vorsatz vorstellt.)
- Wissentlichkeit ("dolus directus 2. Grades"): Keine Absicht, aber der Täter weiß sicher, dass das Opfer infolge der Handlung des Täters sterben wird.
- bedingter Vorsatz ("dolus eventualis"): Der Täter hält den Tod des Opfers für möglich und nimmt diesen "billigend in Kauf"
Zur Fahrlässigkeit zählen (auch andere Kategorisierungen möglich):
- Bewusste Fahrlässigkeit: Der Täter hält den Tod des Opfers für möglich, vertraut aber darauf, dass das Opfer überleben wird.
- Unbewusste Fahrlässigkeit: Der Täter denkt gar nicht an den Tod des Opfers, hätte diesen aber in Betracht ziehen müssen.
Schwierig ist die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit.
- In beiden Fällen erkennt der Täter den möglichen Tod des Opfers.
- Die Abgrenzung erfolgt über die innere Willensrichtung des Täters. Denkt er sich "na wenn schon", dann ist es Vorsatz, denkt er sich "es wird schon gut gehen", dann ist es Fahrlässigkeit. Dabei zählt die völlige Gleichgültigkeit ("ist mir egal") noch zum Vorsatz.
Theoretisch ist das eine saubere Grenzziehung, aber in der Praxis besteht das große Problem darin, dass man dem Angeklagten nicht in den Kopf schauen kann, so dass man anhand äußerer Umstände versuchen muss, Rückschlüsse auf seine innere Willensrichtung zu ziehen. Gerade in den "Autoraserfällen" ist es schwierig, alle denkbaren Faktoren zu berücksichtigen. Der Bundesgerichtshof hat schon Entscheidungen in beide Richtungen (Mord/kein Mord) aufgehoben und zurückverwiesen, weil ihm die Details nicht ausreichend waren.
Wenn man davon ausgeht, dass der "Raser" im Einzelfall Tötungsvorsatz hatte, dann kommen als Mordmerkmale die Heimtücke (= bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers), die niedrigen Beweggründe oder die Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln in Betracht. Auch das ist eine Frage des Einzelfalles, zumal der Täter auch insoweit vorsätzlich gehandelt haben muss.
Ein relativ berühmter Fall, in dem es zur Verurteilung wegen Mordes kam, ist der "Berliner Raser-Fall", auch "Ku'damm-Fall" oder "Ku'damm-Raser-Fall" genannt.
Ich kann allerdings Silversurger gut verstehen, wenn er sich unter einem Mord typischerweise etwas anderes vorstellt. Es gibt auch in der Rechtswissenschaft Stimmen, die es für übertrieben halten, solche Fälle als Totschlag oder Mord einzustufen, zumal das zur Konsequenz hat, dass man auch dann, wenn bei einem solchen "Autorennen" niemand zu Tode kommt, eigentlich über versuchten Mord/versuchten Totschlag nachdenken muss ... mit zahlreichen komplizierten Folgefragen, auf die ich aber jetzt nicht auch noch eingehe ...
..ich bin auch gerade etwas verwundert, dass im Wortlaut des Paragraphen kein Wort zum Vorsatz an sich steht.
Es ist gesetzestechnisch vorzugswürdig, allgemeine Aspekte nicht jedes Mal neu zu regeln, sondern in einen "allgemeinen Teil" zu packen. Das hat den Nachteil, dass es für den Laien schwierig ist, den Überblick zu behalten, weil man im Grunde das gesamte Gesetz (und ggf. sogar zusätzlich andere Gesetze) im systematischen Zusammenhang lesen/kennen muss. Im konkreten Fall findet man die Antwort in § 15 StGB (Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln):
"Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht."
Mit anderen Worten: Jeder Tatbestand des besonderen Teils des StGB (z. B. Diebstahl, Betrug, Vergewaltigung, Mord, Körperverletzung, Sachbeschädigung) ist ein Vorsatzdelikt, sofern nicht ausdrücklich auch die fahrlässige Begehungsweise unter Strafe gestellt ist. So ist zwar fahrlässige Tötung oder fahrlässige Körperverletzung strafbar, nicht hingegen fahrlässige Sachbeschädigung oder fahrlässiger Diebstahl.