Wenn Putin jetzt seine Energie statt um 100 Einheiten an uns, stattdessen um 120 Einheiten an Indien/Katar, etc. verkauft, und diese wiederum für 200 Einheiten an uns. Dann gibt es 2 Sieger und wir sind es nicht. Der Krieg wird weiter finanziert werden können (sogar besser) und Russland hat Zugriff auf alles was es braucht (selbst oder über Verbündete), während wir nicht einmal mehr Antibiotika haben. Funktioniert ja gut.
Du glaubst also, dass Indien, China usw. die selben Preise für Öl, Gas usw. zahlen wie vorher die Europäer und hältst es nicht für realistischer, dass diese die Überkapazitäten der Russen mit horrenden Abschlägen abnehmen? Auch Indien und China kaufen den Russen das Gas ja nicht aus purer ideologischer Nächstenliebe ab, sondern können gut einschätzen, dass sie sich mittlerweile auf einem Käufermarkt befinden. Zumal die Kapazitäten der Pipelines nach China nur einen Bruchteil der Menge ersetzen, die vorher nach Europa geflossen sind. Und so viele Schrotttanker, die ohne Versicherung Flüssiggas von A (Russland) nach B (China, Indien, andere Länder) bringen, gibt es dann auch nicht.
Dass dieses Gas / Öl anschließend über Umwege (Südafrika ist ja ein weiteres Beispiel) den Weg zurück nach Europa findet, ist eine andere Geschichte, aber zunächst wirken die Sanktionen insofern, dass Russland a) nicht die Preise auf dem Weltmarkt erzielt, wie vor Kriegsbeginn und b) sie ihr Sibirien-Gas trotz diverse Ausweichoptionen nicht im selben Umfang verkauft kriegen. Ergo: Die Kriegskasse füllt sich also langsamer als beim Status quo ante.
Und schau ich mir die Entwicklung des Gas-Preises an, so ist aktuell (hoffentlich) das gröbste erst einmal überwunden. Am Spot-Markt ist Erdgas mittlerweile billiger als vor 12 Monaten unmittelbar vor Kriegsbeginn und vor Verhängung der Sanktionen:
https://www.finanzen.net/rohstoffe/erdgas-preis-natural-gas/chart/euro
Der gern erhobene Vorwurf, dass sich nun die Amis ins Fäustchen lachen und uns ihr teures Flüssiggas andrehen, stimmt auch eher nicht. Hauptsächlich sind Norwegen, die Niederlande und Belgien in die Presche gesprungen, um die Versorgungslücke z schließen. Quelle.
Selbiges gilt im übrigen beim Sprit-Preis. Super hat im Januar exakt so viel gekostet wie im Februar 2022. Quelle
Heute morgen hab ich Diesel bei Shell für 1,66 EUR/l getankt. Mitten in Deutschland. Das ist ebenfalls der Preis von vor einem Jahr. Bedenkt man, dass wir knapp 10% Inflation hatten im selben Zeitraum sieht das gar nicht mal so übel aus. (Wohlwissend, dass der Benzinpreis die Inflation im 24-Monatsvergleich schlägt, aber der Vereinfachung halber vergleiche heute mit der Zeit vor Beginn der europäischen Sanktionspolitik.)
Heißt das, dass wir nun in eine sorgenfreie Zukunft blicken? Keinesfalls! Aber all die Horrorszenarien, die letzten Sommer, teilweise genüsslich, gemalt wurden, sind auch nicht eingetreten.
Zum Thema "Stellverterterkrieg China vs. USA" hätte ich auch noch meinen Senf dazu zu geben, aber das ist mir jetzt doch bisschen zu aufwendig. Das "schöne" an derartigen Theorien ist ja, dass man sie mit wenigen Sätzen bestehend aus zwei, drei Halbwahrheiten in die Welt setzen lassen, man sie aber nur umständlich wieder auseinander dekliniert bekommt.