Wie sehr beeinflusst uns Syrien wirklich?

  • Wie sehr beeinflusst uns die Flüchtlingswelle aus Syrien wirklich?
    Wie interessant ist das Thema eigentich noch?
    Können wir eigentlich überhaupt was machen?

    Sorry für den teilweise argen Zynismus aber anders kann ich das Thema nicht angehe :madfan:

    An solche Bilder haben wir uns doch schon gewöhnt oder?
    Syrer auf Urlaub

  • Wird denn der Flüchtlingsthread noch einmal eröffnet ?


    Das Thema wird uns ja noch eine Weile beschäftigen, die Einstufung als "größte gesellschaftliche Herausforderung" hab ich ja anfangs für weitaus übertrieben gehalten, bin aber mittlerweile doch der gleichen Ansicht daß die Bewältigung dieser Thematik eine der anspruchsvollsten und auch folgenreichsten Aufgaben sein wird die Deutschland in den Jahren seit der Wiedervereinigung zufällt bzw. immer noch bevorsteht.


    Und ich muß sagen daß ich da mittlerweile auch ein wenig Furcht vor einer Eskalation der gesellschaftlichen Lage habe, vor allem in Ostdeutschland. Da ich seit einiger Zeit zwischen Ost (Leipzig) und West pendle kann ich mir denke ich auch ein recht gutes Bild von der teilweise doch recht differenten Lage vor Ort machen und einen Vergleich erlauben. Was mich eindeutug erschreckt und auch ein wenig verstört ist die teilweise Radikalität der Beiträge und Protestbewegungen und damit sind noch nicht einmal iregndwelche anonymen Haßposts auf FB oder aufgemalten Fadenkreuze, Galgen oder Guillotinen gemeint, sondern die mittlerweile teilweise doch schon extreme Denke die nun auch das Bürgertum und die intellektuelle Mittelschicht erfaßt.

    Wenn man montags mal die Kundgebungen in Leipzig oder Dresden besucht (nicht mitläuft!), dann wird einem vor der Zukunft wahrlich angst und bange, das Bejubeln und Beklatschen von absoluten Dummbeuteln wie Bachmann und Konsorten ist ja das eine, aber diese breite Masse die nun immer mehr und ernsthaft an die vermittelten Märchen von z.B. "Lügenpresse", "Islamisierung", "Kopftuchgefahr für deutsche Mädchen" glaubt und sich mit einer fast schon religiösen Wahnwitzigkeit dort hineinsteigert, das schockiert und beunruhigt gleichermaßen.

    Und dafür ist der Osten als immer noch strukturschwaches Gebiet eben anfälliger als weite Teile Westdeutschlands ... das hat nichts mit Auslese oder Verunglimpfung zu tun, sondern ist Fakt bzw. logischer Menschenverstand. Wo es den Leuten immer noch schlechter geht, wo Niedriglohn und Hartz 4 - Vererbung an der Tagesordnung sind, wo das Bildungsniveau unter Durchschnitt liegt und Abwanderung gen Westen immer noch der vorrangige Weg für junge Leute ist dies alles hinter sich zu lassen, da ist die Anfälligkeit und Akzeptanz für solche Parolen und solch Gedankentum einfach weiter verbreitet als in Gebieten oder Regionen, die wirtschaftlich prosperieren und den Menschen eine ganz andere Zukunftsperspektive bieten können.

    Hier hat auch die Politik versagt ... natürlich war die Infrastruktur nach der Wende am Boden, natürlich war der Osten in vielerlei Hinsicht rückständig und sanierungsbedürftig, aber daß er nach 25 Jahren immer noch so weit hinterherhinkt und so massiv auf Transferleistungen angewiesen ist, das muß sich auch die Politik auf die Fahne schreiben. Strategiefehler, inkompetentes, zweitklassiges Personal, Korruption, Vetternwirtschaft und Parteienklüngel haben den Abstand zum Westen insgesamt nicht verkleinert, sondern stabil gehalten oder sogar vergrößert. Daran können auch einzelne, tatsächlich "blühende Landschaften" nichts dran ändern. Wo es noch Arbeit gibt bestimmen Callcenter, Lagerwirtschaft, Reinigungsfirmen das Bild ... wenig Industrie, wenig Großkonzerne, Zeitarbeit und Niedriglohnsektoren wohin das Auge schaut ... und auch DHL oder Amazon haben sich nicht in Leipzig angesiedelt weil hier das Wetter so toll oder die Luft so rein ist.


    Was das alles mit der Flüchtlingsthematik zu tun hat ?

    Die Menschen ostwärts sind aufgrund dieser Erfahrungen ängstlicher, gebückter und damit auch anfälliger für solche Thesen. Das Gefühl vom Westen nicht "ernstgenommen" zu werden, von der allgemeinen wirtschaftlichen Prosperität "abgehängt" worden zu sein, von "denen da oben" im Stich gelassen zu werden, als "unmündig" behandelt zu werden ... all das schürt mittlerweile das allgemeine Meinungsbild in einer Art und Weise die teilweise wirklich Angst macht. Und dies nun auf dem Rücken der zuziehenden Flüchtlinge die für diese Wut, Unzufriedenheit und teilweise schon pure Aggression als Ventil herhalten müssen (Übergriffe, angezündete Heime).

    Natürlich gibt es so etwas auch im Westen und selbstverständlich gibt es auch dort Gebiete und Regionen die es wirtschaftlich schwer haben und wo viele Menschen auf Sozialleistungen angewiesen sind, aber der allgemeine Komfort und Lebensstandard ist ganz einfach höher, sodaß, denke ich, der Gedanke "Ich habe genug, ich gebe (gern) etwas ab" dort noch um ein vielfaches verbreiteter ist als es hier (im Osten) der Fall ist. Natürlich gibt es auch hier viele, viele Menschen die gutherzig und aufgeschlossen wirklich helfen wollen, die hilfsbereit sind und den Begriff "positive Willkommenskultur" auch wirklich mit Leben füllen.

    Es gibt dann aber eben auch das andere Extrem, die "häßliche Fratze" die in ihrer teilweisen extremen Radikalität wirklich schon Angst die Zukunft betreffend bereitet. Und dieses Empfinden, diese aufgeputschte Mentalität findet nun langsam ihren Weg auch in die Mitte der Gesellschaft, sogar zu solchen Leuten denen man dies nie zugetraut hätte (persönlich innerhalb der erweiterten Familie erlebt und erfahren). Und diese hemmungslose Ausbreitung, diese krakenähnliche Infiltrierung ganzer Bevölkerungsschichten, die ist es hauptsächlich die einem Sorge und Bedenken bereitet.


    Allein die Wahlbeteiligung hat ostbezogen in jüngster Vergangenheit immer wieder neue Negativrekorde aufgestellt, die Wahlmüdigkeit und Politik(er)verdrossenheit näherte sich ständig neuen Höchstständen ... nun gibt es nächstes Jahr diverse Landtagswahlen und dann wohl den gegenteiligen Effekt .. eine höhere Beteiligung, aber nicht den Volksparteien zuliebe, sondern als reine Protestwahl die dann wohl vor allem radikalen Kräften (AfD, Die Rechte) in die Karten spielt.

    Aber wären die heutigen Regierungsverantwortlichen denn daran so unschuldig ? Wäre das dann reflexartige Geschrei ("die Ossis sind Populisten und Rattenfängern auf den Leim gegangen") tatsächlich gerechtfertigt ?

    Hier kommt wieder die (Bundes)Politik ins Spiel, deren teilweises Versagen und Kompetenzwirrwarr die Landesparteien dann ausbaden müßten. Sind denn angesichts der jüngsten Entwicklungen solche Begriffe wie "Asyl-Krise" oder "Asyl-Chaos" wirklich so abwegig? Wird dem Bürger denn wirklich glaubhaft und nachvollziehbar vermittelt warum etwa skandinavische Staaten die Grenzen kontrollieren und Deutschland nicht? Ob die Anregungen den Mindestlohn aufzuweichen um Flüchtlingen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren nur das sind, Anregungen, nicht schon fixe Überlegungen? Ob zumindest ein Teil der Flüchtlinge überhaupt arbeits - oder ausbildungsfähig ist (Analphabetismus)? Wie sich dies mit der fortwährenden Forderung nach Einwanderung um den Fachkräftemangel aufzuwiegen verträgt? Wie es sein kann daß sich einige wenige Privatiers mit der eiligen Suche der Kommunen nach Notunterkünften und Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge eine goldene Nase verdienen, da die Städte und Gemeinden keinen eigenen Gebäudebesitz mehr haben und daher nahezu jeden geforderten Preis bezahlen?


    Ein Pulverfaß, was hier entstanden ist. Die Lunte glimmt, schwach noch, aber sie beginnt zu brennen.