indianapolis colts preview

  • spät, aber nicht zu spät - und, weil ich technisch und grafisch absolut unbegabt bin, nur in unanimierter, liebloser (;)) textform: die vorschau auf die colts.

    Die Lage:
    Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wo die Indianapolis Colts im vergangenen Jahr den möglichen Super-Bowl-Triumph verspielt haben: bei den vier vergeblichen Anläufen von RB Edgerrin James im allerletzten Drive des Regular-Season-Spiels gegen die New England Patriots mit vier Versuchen das fehlende Yard in die Endzone zu überbrücken, damit das Spiel für die Colts zu gewinnen und ihnen das Heimrecht in den Playoffs zu sichern; oder dann doch im Championship Game bei den Patriots, als die Colts bei Mannings Interception-Festival in Halbzeit eins ihren gewohnten Angriffsschwung und damit die Begegnung gegen den späteren Titelträger mit 14:24 verloren. Fakt bleibt: Die Colts hatten die Chance und haben sie nicht genutzt. Nun kommt die wahrscheinlich vorerst letzte Chance für die Truppe von Tony Dungy. Denn nach der Saison werden sowohl James als auch Star-WR Marvin Harrison Free Agents – und nach dem Monstervertrag für Manning wird es nur schwerlich möglich sein, sowohl James als auch Harrison und damit das Offense-Dreigestirn der vergangenen Jahre zusammen zu behalten. Prognose: James geht, Harrison bleibt; notfalls per Franchise Tag.

    Die Offseason:
    Ein Thema überragte die spielfreie Zeit: die Weiterverpflichtung von QB Manning. Die Colts hatten es verpasst, wie ansonsten üblich, schon frühzeitig, am besten ein Jahr zuvor, mit ihrem Star einen neuen Vertrag auszuhandeln. Ob Manning dann billiger zu haben gewesen wäre als nach seiner ersten (Co-)MVP-Saison bleibt fraglich; doch die Colts wären zumindest nicht ganz so heftig unter Druck geraten. Also öffneten sie im März ihren Geldbeutel und zahlten den höchsten Signing Bonus in der Geschichte der Liga: 34,5 Millionen Dollar für einen Sieben-Jahres-Vertrag, der dem zuverlässigsten QB der NFL insgesamt 98 Millionen Dollar beschert.
    Nach diesem finanziellen Kraftakt blieb naturgemäß nicht mehr viel übrig, um auf dem Spielermarkt tätig zu werden oder auslaufende Verträge zu verlängern. Vor allem der Verlust von SOLB Marcus Washington und OL Adam Meadows schmerzt. Aber zumindest konnten die Colts ihre wichtigen beiden Backup-RBs Dominik Rhodes und James Mungro ebenso weiterhin an sich binden wie CB Nick Harper und die O-Liner Ryan Diem und Rick DeMulling. Nennenswerte Neuzugänge? Fehlanzeige.

    Die Draft:
    So recht überzeugen kann nicht, was die Colts, die aus der ersten Runde raus tradeten, an Land gezogen haben, auch wenn die Zielrichtung von Defense-Guru Dungy, etwas für die schwächelnde Verteidigung zu tun, die richtige war. In S Robert Sanders (Runde 2/ein zweifellos talentierter Mann, der eher früher als später FS Idrees Bashir ablösen wird, nun aber seinem Trainingsrückstand hinterher läuft, weil er lange mit der vertragsunterzeichnung zögerte) sowie den CBs Jason David (4b) und Tahaya Hutchins (6a) kamen drei Mann für die Secondary, die allsamt unter der magischen Körpergröße von 6.0 bleiben.
    Die am College nicht überragenden OLB Gilbert Gardner (3b) und Kendyll Pope (4a) dürfen sich um den LB-Posten streiten, der durch Washingtons Weggang frei geworden ist und den wahrscheinlich Cato June übernimmt. Der zweite Pick, Ben Hartsock (3a), darf sich in einer ohnehin gut sortierten TE-Gruppe zunächst einmal hinten anstellen, QB Jim Sorgi (6b) und K David Kimball (7) hatten ohnedies wenig Aussichten, solange Manning so zuverlässig (in 6 NFL-Jahren kein Spiel verpasst) und der einstige Idioten-Kicker (Zitat Manning im Februar 2003) Mike Vanderjagt weiterhin kein Fieldgoal und keinen Extrapunkt versemmelt. Einzig OT Jake Scott (5) traf so richtig in die Vollen, überzeugte auch im Trainingscamp.
    Das, was den Colts wirklich fehlte, blieb allerdings aus: ein richtig guter MLB und möglichst etwas Fleisch für die wackelige, untergewichtige D-Line, um die Gegner etwas nachhaltiger am Lauf zu hindern als vergangene Saison.

    Die Stärken:
    Die größte Stärke der Colts ist zweifelsohne ihr Offense-Dreigestirn mit Manning, Harrison und James. Mr. Audible wird auch dieses Jahr wieder über 4000 Yards und mindestens 30 Touchdowns erwerfen, Harrison von der neuen Receiver-Schutzregel profitieren und gut ein Drittel der Manning-Yards und –Touchdowns abstauben. Das Duo Manning/Harrison wird damit in Bälde die erfolgreichste QB-WR-Combo in der NFL-Geschichte werden. Dass Harrison knapp 32 Jahre alt ist, tut seiner Extraklasse nach wie vor keinen Abbruch. Edgerrin James hat derweil in der vergangenen Saison, speziell in der zweiten Hälfte gezeigt, dass er nahezu wieder der alte ist; zwei Jahre nach seinem Kreuzbandriss spielt er fast auf dem Niveau, das ihn zwei Jahre lang zum Leading Rusher der Liga gemacht hat.
    Doch damit nicht genug der Offensiv-Waffen. In Reggie Wayne ist Harrison mittlerweile ein eminent gefährlicher zweiter Receiver zur Seite gewachsen, und gemeinsam mit dem wieder erstarkten Brandon Stokeley (3 Touchdowns in der Post-Season) bilden sie das vielleicht stärkste WR-Trio der Liga. Nicht ohne ist aber auch das TE-Aufgebot. Marcus Pollard ist seit Jahren einer der Top-Tes der Liga, und viele Experten halten Letzt-Jahres-Pick Dallas Clark bereits für den besseren Mann. Welch ein Glück, dass die Colts nicht selten mit Zwei-TE-Sets auflaufen.
    Eine Stärke wird allerdings häufig übersehen: die Offense-Line, die fast unverändert zurückgekehrt ist. LT Tarik Glenn, LG Rick DeMulling, C Jeff Saturday RG Tupe Peko und RT Ryan Diem gehören sowohl als Schutzwall für den werfenden Manning wie auch als Linienöffner für den laufenden James zum Besten, was die Liga zu bieten hat. Nicht zuletzt dank des überzeugenden Rookies Jake Scott konnten es sich die Colts sogar erlauben, beim letzten Cut Steve Sciullo zu entsorgen, der vergangene Saison immerhin 12 Spiele als Starter auf RG absolviert hat.
    Schließlich sind auch die Special Teams nicht übel. Punter Hunter Smith – der Arbeitslose aus den Playoff-Spielen gegen Denver und Kansas City – ist überdurchschnittlich, Kicker Mike Vanderjagt auch aus großer Entfernung bekannt treffsicher; eine Bank in der vergangenen Saison, nachdem viele seine Karriere bei den Colts nach dem Frühjahrs-Disput mit Dungy und Manning schon beendet wähnten. Dank der vielen schnellen Spieler, eine von Dungys Vorlieben, haben es gegnerische Returner schwer, allzu viele Raumgewinn zu erzielen. Und Returner Brad Pyatt war der führende Kick-Returner der AFC im vergangenen Jahr, bis er sich am neunten Spieltag verletzte; unvergessen sein 90-Yard-Return in Tampa, mit dem er eine der spektakulärsten Aufholjagden in der NFL-Geschichte ermöglichte.

    Die Schwächen:
    Auch wenn sich die Defense in den beiden Jahren, seit Dungy das Zepter in Indianapolis übernommen hat, kontinuierlich verbessert hat, ist dieser Mannschaftsteil noch längst nicht zu einer solch dominanten Einheit zusammen gewachsen, wie Dungy sie in Tampa Bay geformt hatte. Speziell die D-Line erwies sich als porös und untergewichtig; hier fehlt ein vernünftiges Stoppschild gegen den Lauf. Die DT Montae Reagor und Larry Tripplett sind das jedenfalls nicht. Hinzu kommt der unzureichende Passrush, in dem Dwight Freeney nach seiner beachtlichen Rookie-Saison 2002 im vergangenen Jahr nicht ganz so stark zum Zuge kam – auch deshalb, weil Raheem Brock und Brad Scioli auf der linken Seite wenig Aufmerksamkeit der gegnerischen O-Line auf sich ziehen.
    Nicht viel besser sieht es bei den LB aus; erst recht nach dem Weggang von Marcus Washington. Im vergangenen Jahr noch hatte der Aufstieg des David Thornton den Abgang von Mike Peterson kompensieren können; in diesem Jahr hingegen werden die Colts der Unerfahrenheit ihrer zweiten Reihe Tribut zollen müssen. Thornton soll deshalb schon von der Weak Side auf Strong wechseln (die nach Washingtons Wechsel verwaiste Seite), um wenigstens diese Seite gegen den Lauf dicht zu machen. Auf WOLB hofft Dungy, dass entweder Cato June oder Rookie Gilbert Gardner zu Thornton-ähnlicher Form findet. Rob Morris in der Mitte hat bereits vergangene Saison gezeigt, dass er wahrscheinlich nicht die Lösung sein kann: (auch geistig) zu langsam, ohne Playmaker-Instinkt und schlampig beim Tackle.
    Bleibt die Secondary, die auch nicht unbedingt überzeugt, weil sie erstens klein, zweitens zuweilen übermotiviert und drittens relativ unerfahren ist. Die Corner Nick Harper und Donald Strickland haben Probleme gegen kräftige, durchsetzungsfähige Receiver, FS Idrees Bashir kommt häufig zu spät und wackelt deshalb in der Startformation, profitiert momentan in erster Linie vom langen Fernbleiben des Zweitrunders Bob Sanders vom Camp. SS Mike Doss hingegen hat das Potenzial zum künftigen Stud auf seiner Position, auch wenn er in seiner Rookie-Saison noch viele Fehler speziell in der Passverteidigung machte. Doch jetzt im zweiten Jahr sollte er die Konstante in der Colts-Secondary sein – und seinen Vorderleuten dringend benötigte Unterstützung gegen das Laufspiel geben können.
    Und schließlich zollen die Colts der Zuverlässigkeit ihres QBs Tribut. Backup Brock Huard hat sich verabschiedet, so dass nun der unerfahrene Ex-Frankfurter Joe Hamilton nach einem Jahr Verletzung (zugezogen in der NFL Europe) und einem Jahr in der Arena League Mannings Absicherung bildet. Kein sehr erfreuliches Szenario, weshalb sich die Colts nun um Tim Couch nach dessen überraschender Entlassung in Green Bay bemühen – mit wenig Erfolgsaussichten. Welcher Veteran (zumal ein früherer #1 overall) will jahrelang hinter einem Manning versauern?

    Fazit:
    Jetzt oder nie – oder zumindest nicht so schnell, lautet die Devise. Wenn die Colts auf absehbare Zeit ihren ersten Super Bowl für Indianapolis gewinnen wollen, dann bleibt wohl nur noch diese Saison; danach werden sie dem finanziellen Kraftakt für die Manning-Verlängerung Tribut zollen müssen.
    Doch: Reicht das Potenzial? Offensiv zweifelsohne, der beste Angriff der Liga trägt das Hufeisen auf dem Helm. Doch hat Dungy seine Defense erneut so stark weiter verbessert, dass die Offense nicht ständig 30 Punkte machen muss, um ein Spiel sicher für sich zu entscheiden? Hier bleiben Zweifel, speziell wegen der Laufverteidigung, die in den ersten drei, vier Spielen beseitigt werden müssen. Tony Dungy hat in den letzten Tagen zwar davor gewarnt, die Wiederauflage des verlorenen Championship Games bei den Patriots zur Saisoneröffnung zu hoch zu bewerten – immerhin sei das ja auch nur ein Spiel. Doch wenn die Colts die Begegnung gewinnen, dann werden wir sie trotz eines schweren Spielplans, diese Prognose wage ich, sie im Championship Game wieder sehen – mindestens.

  • Auch in dieser lieblosen ( ;) ) Form sehr schön zu lesen. Was die Colts trotz Schwächen in der Defense zu leisten im Stande sind, haben sie letztes Jahr eindrucksvoll bewiesen. Wenn sie sich in dieser Hinsicht nur ein bisschen verbessern - wovon ich ausgehe - sehe ich sie im Superbowl.

  • Zitat von Silversurger

    Auch in dieser lieblosen ( ;) ) Form sehr schön zu lesen. Was die Colts trotz Schwächen in der Defense zu leisten im Stande sind, haben sie letztes Jahr eindrucksvoll bewiesen. Wenn sie sich in dieser Hinsicht nur ein bisschen verbessern - wovon ich ausgehe - sehe ich sie im Superbowl.


    sehe ich genauso!

    die colts werden im gegensatz zu den patriots ihre form und erfolg bestätigen aber leider im super bowl verlieren.


    Zitat

    spät, aber nicht zu spät - und, weil ich technisch und grafisch absolut unbegabt bin, nur in unanimierter, liebloser () textform: die vorschau auf die colts.


    lieblos?
    du hast doch die shift taste benutzt, also wirklich.... ;)

  • Zitat von paelzer

    unvergessen sein 90-Yard-Return in Tampa, mit dem er eine der spektakulärsten Aufholjagden in der NFL-Geschichte ermöglichte.

    Vielen Dank für diese Erinnerung. :angry

    Da wird sich unser einziger Coltsfan aber freuen, wenn er die Preview zu lesen bekommt. Sie deckt sich ungefähr mit meinen Vorstellungen, nur halte ich die Gegenwehr in der Div für größer als man jetzt noch vermutet. :ja:

  • ich hab die einschätzung der def bewusst etwas skeptischer formuliert, weil sie ne wundertüte ist - keiner weiß so genau, was da raus kommt. allerdings traue ich dungy und der recht jungen squad eine weitere deutliche leistungssteigerung zu - nicht ohne grund habe ich sie (nach vergangenem jahr zum zweiten mal - da ging's knapp daneben) zu meinem sb-favoriten erkoren. allerdings wollte ich da auch aufgrund persönlicher sympathiewerte nicht zu euphorisch in einer möglichst objektiven preview werden. wen man ein team mag, neigt man leider oft zu sehr dazu, es entweder zu gut oder zu schlecht zu sehen; das wollte ich vermeiden.
    die erinnerung an den return war mir übrigens ein kleiner, innerer vorbeimarsch. :jeck:

  • Zitat von paelzer

    ich hab die einschätzung der def bewusst etwas skeptischer formuliert, weil sie ne wundertüte ist ...

    Ist ja richtig. Ich sprach von Div (=Division) und meinte damit gesamte Situation in der AFC South. Bei vielen sind die Colts jetzt schon durch und sicherer Div-Champ. Daran glaube ich weniger, auch wenn viele Vorraussetzungen dafür sprechen. Einzig die Texans fallen etwas ab.

  • Vielen Dank für das schöne Preview. Jetzt freue ich mich noch mehr auf das Eröffnungsspiel. :D
    Für mich sind die Colts auch einer der Favoriten auf den Superbowl. Allerdings schätze ich die Vikings noch stärker ein. Bei der Offense stehen die Vikings den Colts um nicht viel nach. Aber die Defense sieht um einiges Stärker aus. Bei den Colts habe ich so meine Zweifel, ob sich die Defense dieses Jahr steigern kann. Der Abgang von Marcus Washington wird den Colts noch sehr weh tun.

  • Zitat von paelzer


    Doch: Reicht das Potenzial? Offensiv zweifelsohne, der beste Angriff der Liga trägt das Hufeisen auf dem Helm. Doch hat Dungy seine Defense erneut so stark weiter verbessert, dass die Offense nicht ständig 30 Punkte machen muss, um ein Spiel sicher für sich zu entscheiden?

    Tja, nach diesem spannenden opener, muß man vorerst "Nein" sagen.
    Im 1.Drive konnte man wunderschon die Probleme einer Cover-2 Defense sehen: Wenn der 4-man rush der Line kein Druck erzeugt + das Feld noch "lang" ist und man diese Zonenverteidigung mit 4,5 Receiver durchläuft, ist eine completion nach der anderen sicher. Naja...

    Was ich eigentlich sagen wollte:. Saubere preview :daumenho:
    Informativ, fachmännisch und ohne viel Firlefanz...