Lieber Gott,
kennst Du mich noch? Ich bin´s, Olibo... Eigentlich müsste ich seit Tagen auf Knien rutschen vor Dankbarkeit, dass Du mein Flehen für das Viertelfinale erhört hast. Aber dieser Erfolg hat auch seine Kehrseiten. Erstens verspürt man in meinem Alter gelegentlich das eine oder andere Zwacken in den Gelenken, da fällt das auf den Knien rutschen schwer. Und zweitens ist jetzt jemand wahrhaftig auf die Idee gekommen, ich solle künftig für die Eagles beten 
Nun hoffe ich, dass es nicht zu vermessen ist, auch für das Halbfinale gegen die Türkei Deinen Beistand zu erflehen. Schließlich sind die Herrschaften muslimischen Glaubens und, so weit ich das einschätzen kann, wesentlich gläubiger als unsereins. Von daher könnten Deine Sympathien ja durchaus anders gelagert sein. Und sie können kämpfen, diese Türken; da können sie unserer Mannschaft mehr als das Wasser reichen. Die gewinnen ihre Spiele gern erst in der 90. Minute. Oder noch später. Daher bitte ich Dich, oh Herr, unseren Jungs in der Nacht vor dem Spiel tiefen und erholsamen Schlaf zu schenken, auf dass sie bis zur allerletzten Sekunde hellwach sind. Wie sagte unser aller Calli: gegen die darf man erst aufhören, wenn sie im Mannschaftsbus sitzen.
Sie haben ja eine recht originelle Angewohnheit, diese Türken. Sie tragen nicht den Nachnamen auf dem Trikot, wie die meisten anderen; auch keine Künstlernamen, wie etwa die Brasilianer; sondern meist ihre Vornamen. Welche, wie ich mal gehört habe, wiederum die Funktion von Künstlernamen erfüllen. Nihat, Arda, Emre oder Servet – klingt allemal besser, als wenn bei unseren Jungs der Kommentator „Freistoß Bastian, Kopfballverlängerung Michael, jetzt Miroslav, Miroslav..... TOOOOOOOOOOOOOOOOOR!“ brüllen müsste. Das Problem ist nur, und daher fällt mein Gebet diesmal auch sparsamer aus, dass all diese Stars der Türken gar nicht spielen können. Da hast Du, oh Herr, in Deiner Funktion als Allah denen mal ganz übel mit gespielt. Man muss sich ja schon fragen, ob die überhaupt noch 11 Spieler zusammen bekommen. Sogar der zweite Ersatz-Torhüter soll aufgestellt werden. Als Feldspieler, wohl gemerkt Da kann ich nur sagen: wenn unsere Jungs gegen einen derart dezimierten Gegner nicht weiter kommen, dann haben sie es auch nicht verdient. Da hilft auch kein Gebet. Obwohl, für mich hätte ein türkischer Sieg auch etwas Gutes: es käme niemand mehr auf die Idee, ich solle künftig – siehe oben 
Eine Bitte habe ich aber noch, an der mir besonders liegt. Bitte sorge dafür, dass die Fans beider Seiten friedlich bleiben. Ich befürchte nämlich, dass einige Fans des unterlegenen Teams nach dem Spiel arg reizbar sein könnten, einige Fans des siegreichen Teams diese dann provozieren, und dass einige Innenstädte danach aussehen wie Sodom und Gomorrha, nach dem Du deren lasterhafte Einwohner mit Deinem Feuerregen gestraft hast. Und das wollen wir alle nicht haben, Türken wie Deutsche. Es ist nämlich nur ein Spiel. Amen.
(scnr)