Hier ist sie also, die lang erwartete Halbzeit-Bilanz für die NFL-Saison 2008. Jedes Team hat zum aktuellen Zeitpunkt mindestens 8 Spiele absolviert, die einen mit mehr, die anderen mit weniger Erfolg. Fangen wir bei den besten Teams dieses Jahr einfach mal an:
Bestes Team der AFC: Tennessee Titans (8-0)
8 Spiele, 8 Siege - das hatten nur die Wenigsten der Franchise aus Nashville zugetraut, vor allem als sich QB Vince Young gleich zu Beginn der Saison verabschiedete und Back-up Kerry Collins übernehmen mußte. Die großen Pluspunkte der Titanen: Eine starke D-Line, eine gewachsene Offense-Line mit einem Veteran-Leader in Mawae als Center und einem der meist unterschätzten LT in Michael Roos. Warum funktioniert ein Collins plötzlich wieder, nach dem er in Oakland doch geradezu gescheitert war und eigentlich bereits als ausgemustert galt? Weil Kerry als Pocket-Passer immer noch mehr als solide ist und das im Titanland in aller bester Form ausleben kann. Zahlen gefällig? Wie wäre es mit 4 eingesteckten Sacks in 8 Spielen? Absoluter Liga-Spitzenwert. Vergleicht man dann noch die selbst erzielten QB-Sacks und bildet die Differenz, dann kommt man bei Tennessee auf +18. Im Vergleich dazu: Pittsburgh hat zwar 32 mal den QB zu Boden gebracht, aber gleichzeitig 29 Sacks einstecken müssen, ergo ein Ratio von +3.
Und dabei haben wir noch gar nicht vom Running-Game gesprochen: Das Duo White/Johnson hat einen Schnitt von 4.6 Yds pro Lauf und dazu 15 TDs erzielt. Wenn man dazu die beste Scoring-Defense addiert ergibt sich dadurch das beste Team der AFC.
Runner-Up: Pittsburgh Steelers
Bestes Team der NFC: New York Giants (7-1)
Auch wenn die Giants in der ersten Saisonhälfte nicht unbedingt die stärksten Gegner vorgefunden haben, so bleibt doch die Erkenntnis, dass man sich nach dem Superbowl-Gewinn keinesfalls hat gehen lassen und auch den Ausfall von Umenyiora und den Rücktritt Strahans fast mühelos überwunden hat. Auch hier ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei den AFC-Leadern Tennessee: Starker Pass-Rush, gepaart mit guter eigener QB-Protection und einem exzellenten Laufspiel ergibt ein Team, welches nur schwer zu schlagen ist. Bei der einzigen Niederlage in Cleveland waren vor allem Turnover der entscheidende Faktor gegen den Titelverteidiger. Gegen Dallas zeigte man auch diese Seite wieder deutlich und ließ die Cowboys so länger als eigentlich nötig im Spiel. Gegen einen stärkeren Gegner darf man sich solche Lapsen auf keinen Fall erlauben.
Runner-up: Carolina Panthers
Positivste Überraschung: Tie Baltimore Ravens (5-3), Atlanta Falcons (5-3), Miami Dolphins (4-4)
Drei Footballteams mit zwei Gemeinsamkeiten: Neuer Coach - neuer QB. Alle drei hatten letztes Jahr eine äußerst grausame Saison und entschieden sich daher für einen Neubeginn auf den wichtigsten Positionen: In Atlanta heuerte man mit Dimitroff einen neuen GM an, der unter einem der besten seiner Zunft (Scott Pioli in NE) gelernt hatte und dieser hatte in der Offseason in fast allen Belangen ein glückliches Händchen: Die Verpflichtung von Coach Mike Smith, der FA-Neuzugang Michael Turner und der Draft mit QB Matt Ryan und OT Sam Baker unter anderem. Auf diesem Fundament schafften die Falcons den Turnaround viel schneller als sich die meisten Experten das vorstellen konnten.
Ähnliches gilt in Miami: Parcells als neuer starker Mann brachte Sparano als Coach mit aus Dallas, holte im Draft mit LT Chris Long einen wichtigen Baustein für die Offense und hatte dann auch noch das Glück des Tüchtigen, dass ihm die Jets Chad Pennington vor die Füße warfen. Miteinem hungrigen Coaching-Staff, einem Ronnie Brown der fast da anknüpfte wo er letztes Jahr aufhörte und vor allem einem Joey Porter in Defensive-Player-of-the-Year-Form, hat man in Miami endlich wieder ein konkurrenzfähiges Team zusammen, auch wenn Rückschläge programmiert sind.
Und auch in Baltimore gab es nach der letzten Saison einen Frühjahrsputz: Coach Billick wurde entlassen und dafür mit Harbaugh ein junger neuer Chef verpflichtet. Und wie Atlanta so holten auch die Ravens im Draft einen QB in der ersten Runde und pickte zudem mit Ray Rice einen RB als erste Entlastung. Bis dato sind diese Schachzüge aufgegangen und mit einer 5-3 Bilanz hat man sogar die Playoffs im Blickfeld.
Negative Überraschungen: Seattle Seahawks (2-6), Jacksonville Jaguars (3-5), San Diego Chargers (3-5)
Drei Teams die letztes Jahr noch die Playoffs erreichten und dort durchaus von sich Reden machten, stehen diese Saison urplötzlich vor einem frühen Aus. Im Gegensatz zu den positiven Überraschungen könnten die Unterschiede bei den Franchises hier allerdings nicht viel größer sein. Fangen wir mit den Seahawks an, bei denen die ganze Misere mit den frühen Verletzungen der WR ihren Lauf nahm. Dazu dann der Ausfall des Stamm-QB Matt Hasselbeck, eine Defense die weit unter ihren Möglichkeiten zurückblieb und ein Laufspiel, welches nur sporadisch Leitsung zeigte - und voila: Fertig ist die schlechteste Saisonhälfte seit Mike Holmgren die Hawks übernommen hat. A propos Holmgren: Seine Ankündigung das Team am Saisonende zu verlassen scheint auch nicht sonderlich hilfreich gewesen zu sein.
In Jacksonville sieht die Situation ein wenig anders aus - Jacksonville galt vor der Saison als Anwärter, nicht nur auf die Playoffs, sondern auf einen möglichen Superbowl-Run. Allerdings gab es gleich in der Offseason einiges an Störfaktoren: Die Kokain-Geschichte um Matt Jones und dann der Niedergang von mehreren O-Linern fast schon im Domino-Effekt. Ergebnis: Den Jags fehlt der nötige Push im Laufspiel, verursacht durch das Fehlen teilweise der gesamten interior Line. Dazu sind die Pass-Receiver nicht ausreichend gut genug um diesen fehlenden Faktor auszugleichen - die Verpflichtung von Porter und Williamson scheinen bis dato Riesen-Flops zu sein. Bleibt zu viel Druck auf der Defense, die zwar zu Beginn noch ganz ok agierte, zuletzt aber sogar von Cincinnatis Back-up QB auseinandergenommen wurde. Spätestens seit der Niederlage gegen die Bungles müssen die Alarm-Glocken im Norden Floridas klingeln.
Und dann haben wir noch den hohen SB-Favoriten San Diego: This is our Year tönte es vor der Saison aus Südkalifornien und eigentlich schien alles für einen Titelgewinn gerüstet. Doch dann passierte der GAU: Shawne Merrimans Knie-Verletzung eliminierte fast den kompletten Pass-Rush und die gesamte Verteidigung ist seit dem völlig aus den Fugen geraten. 371.6 pro Spiel erlaubte Yards und davon 265 per Pass sind auch mit der drittbesten Offense der Liga nicht auszureichend aufzufangen. Als Resultat wurde DC Cotrell entlassen und Rivera befördert, so dass man für die zweite Saisonhälfte hier noch Hoffnung hegt. Zumal man nur 1,5 Games hinter den führenden Broncos zurückliegt, die ihrerseits auch das Wort 'Defense' nur vom Hören-Sagen kennen. Von all den Enttäuschungen der Liga haben die Chargers tatsächlich noch die besten Aussichten auf die Playoffs.
Nachricht des Jahres: Tom Brady verletzt und auf IR
Ganz klar 2008 wird für immer mit dem 'Kniefall' des Tom Bradys am ersten Spieltag in Verbindung gebracht. In dem Moment als der letztjährige MVP und Rekordhalter in Sachen geworfener TDs vom Feld mußte, wurden die gesamten Saisonprognosen null und nichtig. Zwar haben die Patriots sich bis dato dennoch recht wacker geschlagen und stehen mit 5-3 sogar an der Spitze der AFC-East, aber wie weit Cassel die Pats letztendlich doch führen kann, ist zumindest debattierbar.
MVP des ersten Halbjahres: Clinton Portis, Washington Redskins
Nur 5 Yards fehlen Portis bereits nach 9 absolvierten Spielen um die 1000 Yds Marke zu knacken und hätte er sich gegen die Steelers nicht verletzt, wäre er wohl bereits bei dieser Zahl angelangt. Portis spielt die Saison seines Lebens und seine Leistung ist auch mit der größte Grund warum die Redskins die Playoffs immer noch in Sichtweite haben: 5 Yards im Schnitt, das ist in der heutigen NFL als Starter schon fast nicht mehr möglich, aber Portis ist nicht nur als Läufer unheimlich wichtig. Seine Leadership in einer sonst eher jungen Offense und seine Fähigkeiten im Blitz-Pick-up sind ebenfalls nicht zu unterschätzende Gründe für den Erfolg der Rothäute.
Runner-up: Drew Brees, New Orleans Saints
Comeback-Player of the Year: Jake Delhomme, Carolina Panthers
Letztes Jahr war die Saison der Panthers mit dem Ausfall ihres Stamm-QBs vorbei - mit Carr und einem Rookie als Back-up konnte man nichts mehr erreichen und viel weit, weit zurück. Dieses Jahr nun kehrte Delhomme nach erfolgreicher Tommy-John-Surgery wieder aufs Feld zurück und mit einem verbesserten Laufspiel und einer neugewonnen Selbstsicherheit eilen die Panthers von Sieg zu Sieg. Selbst die disziplinarische Auszeit von Steve Smith erwies sich als richtige Maßnahme, da man beide Partien ohne den besten Wide-out siegreich bestreiten konnte. Sollten die Panthers auch in der zweiten Saisonhälfte an der Spitze der NFC-South bleiben, so ist Delhomme der Award nicht mehr zu nehmen.
Defensive Player of the Year: Albert Haynesworth, Tennessee Titans
Auch wenn man Joey Porter hier ehrenhaft erwähnen kann und sollte, Haynesworth spielt im Augenblick den besten Football eines DT überhaupt. Seine Präsenz auf dem Feld, sowohl gegen Lauf oder Pass-Spiel sind gleichermaßen gefürchtet und einer der Gründe, warum die Titans D-Line mit zu den Besten der gesamten Liga gehört. Um Haynesworth müssen sich immer zwei O-Liner gleichzeitig kümmern, das bringt Räume für seine Kollegen und resultiert in ständigem Druck auf den gegnerischen QB oder RB. Wie wichtig Haynesworth ist, merkt man vor allem wenn er mal nicht spielen kann: Letztes Jahr fehlte er in drei Spielen und alle drei verloren die Titans.
Runner-up: Joey Porter, Miami Dolphins
Schlechtes Team der AFC: Oakland Raiders (2-6)
Obwohl die Kansas-City Chiefs noch schlechter stehen, gehört dieser Platz ganz allein den Räubern von der Westküste. Während bei den Chiefs trotz fehlendem starting QB, fehlendem starting RB und sehr vielen jungen Spielern ein deutlicher Aufwärtstrend zu erkennen ist, ist bei Oakland mal wieder Hopfen und Malz verloren. Bestes Beispiel: Die Entlassung von CB DeAngelo Hall nach nur 8 Spielen. Gut, Hall hatte sicherlich nicht seine beste Saison und in einigen Spielen eine mehr als unglückliche Figur abgeliefert, aber nach einem Spiel indem die Offense in der ersten Hälfte gerade mal 5 Yards (in Worten fünf Yards) zu Stande brachte, einen Defender zu entlassen und als Schuldigen der Misere auszumachen, ist nahezu grotesk. Leider ist dies in Oakland kein Ausnahmefall sondern mittlerweile sowas wie das Gesetz der Serie. Entscheidungen die kein Mensch (außer dem der sie fällt natürlich) nachvollziehen kann, gab es in den letzten Jahren reichlich. Zum Glück gab und gibt es ein NFL-Team, welches bis dato ein noch schlechteres Front Office hatte:
Schlechtestes Team der NFC: Detroit Lions (0-8)
Autsch! 8 Spiele, 8 Niederlagen und das in einem Jahr, in dem der Quarterback vor Saisonbeginn 10 Erfolge vorraussagte, das muß man wohl als Tiefpunkt bezeichnen. Wobei im Gegensatz zu Oakland hier ein wenig Hoffnung besteht, schließlich mußte der schlechteste GM möglicherweise aller Zeiten endlich seinen Platz räumen und nun kann es für die Lions dann endlich auch mal aufwärts gehen. Dieses Jahr allerdings ist das höchste der Gefühle noch ein oder zwei Siege um wenigstens nicht als schlechtestes NFL-Team aller Zeiten in die Geschichte einzugehen. Um dies zu erreichen hat man jetzt Daunte Culpepper aus dem Ruhestand geholt - seine letzten Auftritte waren ja auch durchaus erfolgsversprechend in Miami und Oakland *hust*...
Nächste Woche der Blick auf die Rookies.