• Meine Überlegung wäre eher: Alle haben ein (gleiches oder ähnliches) Interesse daran, dass keine Anarchie herrscht, dass Straßen gebaut werden, dass das Land verteidigt werden kann usw. Zumal man am Anfang auch gar nicht weiß, wer in Zukunft "reich" sein wird. Deswegen schließen sich alle nach Art eines Gesellschaftsvertrages zusammen, um gemeinsam diese Ziele zu verwirklichen.

    Da sind wir völlig beieinander. Der Punkt einer "gerechten" Verteilung des Reichtums (hier im Sinne der stärkeren Belastung der starken Schultern) ist aber ein Punkt neben Straßenbau, Bildung, etc. Ich sehe da zwischen den Inhalten keine Unterschiede bezüglich einer Konsensfähigkeit. Ein Ziel ist so gut wie das andere.

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Das, was du hier meinst, nennt sich Anomie.

    Und irgendeine obskure Berichterstattung mit falschen Begrifflichkeiten nun als Maßstab zu nehmen, nunja, wer braucht...

    Mal unabhängig davon, ob ich hier Anomie oder Anarchie meine (ich habe mir den Wiki-Artikel dazu nochmal durchgelesen und den Punkt Herrschaft, der für meine Argumentation zentral ist, nicht mal als Wort gefunden), geht`s hier um ein wiederkehrendes Problem. Richten wir uns hier nach Fachbegriffen oder nach dem üblichen Sprachgebrauch?

    Die oft beklagte falsche Gleichsetzung von Anomie und Anarchie zeigt doch vor allem eines: Es geht nicht um obskure Berichterstattung, die skurrile Randgruppe sind doch diejenigen, die da einen Unterschied machen. Wonach richten wir uns im Forum generell?

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Das Geist ist willig, aber das Fleisch... das Fleisch... nagut, einmal noch:

    Mal unabhängig davon, ob ich hier Anomie oder Anarchie meine (ich habe mir den Wiki-Artikel dazu nochmal durchgelesen und den Punkt Herrschaft, der für meine Argumentation zentral ist, nicht mal als Wort gefunden)


    Nuja, wenn du diesen Artikel meinst, hättest du nur bis zum vierten deutschen Wort lesen müssen ;)

    Zitat

    geht`s hier um ein wiederkehrendes Problem. Richten wir uns hier nach Fachbegriffen oder nach dem üblichen Sprachgebrauch?

    Die oft beklagte falsche Gleichsetzung von Anomie und Anarchie zeigt doch vor allem eines: Es geht nicht um obskure Berichterstattung, die skurrile Randgruppe sind doch diejenigen, die da einen Unterschied machen. Wonach richten wir uns im Forum generell?


    Ähm, wie? Du nennst einen seit Jahrhunderten existierenden wissenschaftlichen Begriff, über den aberhunderte Forschungsarbeiten und -diskurse existieren, über dessen Thematik jedes Semester Dutzende Seminare an Universitäten angeboten werden, den einer "skurrilen Randgruppe" und baust dir lieber deinen eigenen Begriff, so wie du ihn haben willst? :jeck: Hammer!

    Da muss ich einfach den data auspacken: Ich mach mir die Welt... *träller*

    Im everyday life könnte das aber schon zu Problemen führen. Etwa wenn du was anderes unter nem Aneurysma verstehst (oder verstehen willst) als dein Arzt ;)

    In diesem Sinne...

  • Es gibt neuere Studien, unter anderem im Auftrag der OECD, die nachgerechnet haben, ob sich in Ländern die Steuern senkten über längere Zeiträume Investitionseffekte realisiert haben bzw. die Wirtschaft real gewachsen ist, so wie ja gemein hin immer wieder gern behauptet wird. In keinem Fall konnte ein solcher Effekt nachgewiesen werden. Die Ergebnisse weisen in Einzelfällen sogar eher darauf hin, dass eine erhöhte gesamtgesellschaftliche Steuerlast längerfristig zu höheren Investitionen führt. Dazu könnte man analog zu Deinem Beispiel von oben ebenfalls mehrere plausible Ideen entwickeln. Z.B. hat die Regierung durch mehr Geld mehr Möglichkeiten in Infrastruktur zu investieren, Beiträge für KiTas etc. zu senken und damit den Bürger wieder direkt an seiner Steuerleistung partizipieren zu lassen. Funktionale und effiziente Verkehrsinfrastruktur ist eine Hauptvoraussetzung für wirtschaftliche Prosperität und deren Konservierung. Dass einen Schumacher bei seinem Abermillionenvermögen sowas kalt lässt ist klar. Aber für so jemanden mache ich ja auch nicht meine Gesetzgebung.


    Auf (mir in diesem Fall nicht einmal bekannte) "Studien" im wirtschaftlichen Bereich gebe ich im Regelfall nicht allzu viel. Da die Beobachtungen nicht im Reagenzglas stattfinden, sondern jede Entwicklung von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, weiß man letztlich nie so genau, welcher Effekt gerade auf welchem Faktor beruht.
    Interessant finde ich allerdings das Sachargument, wonach der Staat durch höhere Steuereinnahmen die Nachfrage auch ankurbelt, was den schädlichen Effekt höherer Steuern in der Tat ganz oder teilweise ausgleichen könnte.


    Zitat


    Zunächst geht es mir darum, dass einer solchen Rendite keine reale Wertschöpfung gegenübersteht bzw. auch gar nicht kann. Unser Wirtschaftssystem macht ersteres möglich, letzteres unmöglich. Also muss diese Entwicklung von derlei Turbo-Renditen zwangsläufig zu Lasten Dritter gehen, schließlich ist - bei allem Irrsinn und aller Perversion - auch unser Wirtschaftssystem kein Perpetuum Mobile.

    Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was Du mit "realer Wertschöpfung" meinst. Der Begriff der Wertschöpfung wird sehr unterschiedlich verwendet, meint aber üblicherweise die Differenz aus erzielten Gesamtleistungen abzüglich erbrachter Vorleistungen. Natürlich sind niedrigere Werte leichter zu erzielen als höhere. Warum da allerdings ein Wert möglich sein soll und ein anderer nicht, erschließt sich mir nicht.

    Ist die Wirtschaft (unabhängig vom Wirtschaftssystem, das diesen Effekt höchstens hemmen oder verstärken kann) nicht doch ein wenig mit einem Perpetuum Mobile vergleichbar? Erfindungen neuer Technologien, verbesserte Materialien, effizientere Arbeitsweisen oder die Einführung neuer Dienstleistungen führen zu immer mehr und/oder besseren verfügbaren Wirtschaftsgütern. Wie lange das so weiter geht, vermag ich nicht zu sagen, aber bislang ist es jedenfalls so und ein Ende ist m. E. nicht in Sicht. Deswegen ist Wirtschaft kein Nullsummenspiel.

    Unabhängig davon kann es natürlich sein, dass ein Marktteilnehmer überdurchschnittliche Gewinne erzielt, so daß es logischerweise auch Marktteilnehmer geben muß, die unterdurchschnittliche Gewinne erzielen oder gar Verluste machen. Wenn Du das mit "zu Lasten Dritter" meinst, ist das zwar richtig, aber aus meiner Sicht kein Problem, sondern gerade ein elementarer, wichtiger und letztlich positiver Bestandteil unseres Wirtschaftssystems. Es liegt im Wesen des Wettbewerbs, dass sich der "Bessere" durchsetzt. Der "Schlechtere" muß entweder besser werden oder sich ein anderes Tätigkeitsfeld suchen.

    Wenn man es so versteht, verdient jemand wie Warren Buffett sein Geld natürlich "zu Lasten Dritter". Denn er kauft anderen Menschen Unternehmen oder Anteile an Unternehmen zu niedrigen Preisen ab und zieht entweder selbst die Gewinne ein oder verkauft die Anteile wieder teuer. Das funktioniert, weil er besser als andere in der Lage ist, den Wert eines Unternehmens einzuschätzen.

    Ich verstehe unter "zu Lasten Dritter" im vorliegenden Zusammenhang im Sinne eines mißbräuchlichen Verhaltens. Ein solches kann man Buffett wohl kaum vorwerfen. Er zwingt niemanden, er täuscht niemanden, er manipuliert nicht. Er nimmt Angebote Dritter an oder bietet Dritten Geschäfte an. Es liegt auf der Hand, daß er dabei das bessere Geschäft machen will als sein Gegenüber. Das ist aus meiner Sicht legitim.

    Einmal editiert, zuletzt von Chief (27. Oktober 2011 um 00:24)

  • Da sind wir völlig beieinander. Der Punkt einer "gerechten" Verteilung des Reichtums (hier im Sinne der stärkeren Belastung der starken Schultern) ist aber ein Punkt neben Straßenbau, Bildung, etc. Ich sehe da zwischen den Inhalten keine Unterschiede bezüglich einer Konsensfähigkeit. Ein Ziel ist so gut wie das andere.

    Natürlich kann man in dem "Gesellschaftsvertrag" verschiedene Ziele regeln, also auch das Ziel einer "gerechten" Verteilung des Reichtums. Die Frage ist nur: Würde sich der Reiche hiermit vernünftiger Weise einverstanden erklären und ggf. in welchem Umfang? Denn nur dann paßt ja das Modell des Vertrages.

    Das erscheint mir eben problematisch. Denn in den meisten Lebensbereichen akzeptieren wir zumindest im Kern nur "gleiches Geld für gleiche Leistung". Der Preis der Ware im Discouter oder im Baumarkt, der Preis einer Dienstleistung oder der Vereinsbeitrag hängen typischerweise entweder überhaupt nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang von der Leistungsfähigkeit des Einzelnen ab. Ich habe das Beispiel des Vereins gewählt, weil dieser seiner Struktur nach dem Staat besonders nahe kommt. Wenn wir also in diesen und anderen Bereichen akzeptieren, dass jeder für die gleiche Leistung mehr oder weniger das gleiche bezahlt, wieso erscheint es dann im Rahmen eines "gesellschaftsvertraglichen" Modells so nahe liegend, dass sich dort der "Mitgliedsbeitrag" nach der Leistungsfähigkeit ("starke Schultern") richtet? Das ist doch eher ein überraschender Weg.

  • hier der 2. Teil des Dirk Müller Interviews.

    http://www.handelsblatt.com/finanzen/boers…ht/5204910.html

    Finde vor allem diesen Sache auf den Punkt gebracht

    Zitat


    Verstehen die Politiker überhaupt die Zusammenhänge?

    Ich kenne Politiker, die ausgesprochen gut informiert sind. Aber das sind nur wenige. Die meisten haben überhaupt keine Ahnung, was passiert. Die Konsequenz ist, dass diese Leute mit einem Ackermann die Finanzkrise diskutieren sollen. Da spielen Leichtmatrosen mit Konteradmirälen Schiffe versenken. Wenn Ackermann dabei nicht die Interessen seines Hauses vertreten würde, wäre das fahrlässig. Das kann man ihm nicht vorwerfen. Der Politik werfe ich vor, dass sie sich so leicht beeinflussen lässt und sich das Know-how von den Banken holt. Man fragt die Wölfe, wie man die Schafe schützen soll. Das kann nicht funktionieren.

  • Mir ist zwar nicht ganz klar, wieso Dirk Müller (Börsenhändler) eine besonders hohe Fachkompetenz besitzen sollte. Wenn es um die künftige Entwicklung der Automobilindustrie geht, würde ich jedenfalls nicht primär den Autohändler um die Ecke fragen. Daher sind m. E. seine allgemein-prognostischen Aussagen mit Vorsicht zu genießen. Aber im Zusammenhang Ackermann ./. Politiker dürfte seine Einschätzung durchaus zutreffen.