Wie sind NFL Franchises organisiert? (Owner, GM, Coaching Staff)

  • Hallo zusammen,

    bei den Jets steht ja wiedermal die Suche nach einem neuen HC an, und im Zuge dessen, gibt es auch wieder Diskussionen um die Organisationssstruktur der Jets. Mal abgesehen von einigen Franchises wie Pats oder Cowboys, hab ich keine Ahnung, wie die NFL Teams so organisiert sind, und wer wem unterstellt ist. Daher würde mich mal interessieren, wie andere NFL Teams so funktionieren. Und vielleicht ist es ja auch für andere hier interessant, welche Organisationskonstrukte es gibt, und welche besser oder nicht so gut funktionieren.

    Jets:
    Owner: Woody Johnson (seit Woody 2017 zum US-Botschafter in London ernannt wurde, führt sein Bruder Christopher die Geschäfte der Jets)
    GM: Joe Douglas
    HC: Adam Gase (Playcaller Offense)
    OC: Dowell Loggains
    DC: Gregg Williams (Playcaller Defense)

    Besonderheiten:
    - GM und HC sind gleichberechtigt, und beide direkt Christopher Johnson unterstellt, was natürlich immer wieder zu Unstimmigkeiten bei Personalentscheidungen führt (der GM stellt ein Roster zusammen, und der HC soll mit dem was ihm vorgesetzt wird erfolgreich sein). Johnson hat aber immer das letzte Wort.
    - Gase hat keinen Einfluss auf die Defense, alle Defense Coaches sind Gregg Williams unterstellt
    - OC Loggains ist de facto nur QB-Coach, alle OC aufgaben übernimmt HC Gase.

  • Interessantes Thema! Bin gespannt, was man hierzu von den anderen Franchises so erfährt.
    Allerdings ist mir die Besonderheit (bzw. die daraus entstehende Problematik) bei den Jets etwas zu kurz gekommen. HC und GM reporten beide direkt zum Owner. Der Normalfall dürfte wohl eher HC --> GM --> Owner sein. Daraus entsteht bei den Jets in meinen Augen eher das Problem, dass der GM seinen Head Coach nicht entlassen/ aussuchen kann. Denn dass GM Roster zusammen stellt und HC damit dann arbeiten soll, ist bzw. sollte meiner Meinung nach auch so sein. Allerdings sollte der GM dann auch den Trainer installieren können, mit dem er arbeiten kann und will und ihn im Zweifel auch austauschen. Bei den Jets kann er genau das nicht, das könnte nur der Owner...

  • Der Normalfall dürfte wohl eher HC --> GM --> Owner sein.

    bei den raiders gestaltet es sich auch anders. gm --> hc --> owner

    owner: mark und carol davis, sohn und frau von hall of famer al davis. mark ist dabei seit dem tod seines vaters quasi alleiniger geschäftsführer und hat auch den hc (gruden) direkt eingestellt.
    gm: mike mayock - zuständig für talentevaluierung mit schwerpunkt draft, verträge. wurde von gruden nach der entlassung des vormaligen gm´s (mckenzie) verpflichtet und ist diesem unterstellt.
    hc: jon gruden - ausgestattet mit einem 10 jahresvertrag im dritten jahr. hat komplette kontrolle über den sportlichen bereich (roster/staff). schwerpunkt offense, wo auch in puncto gameplan und playcalling alles über ihn läuft.
    oc: greg olson - fungiert im grunde nur als assistent für gruden.
    dc: paul guenther - playcaller defense, hat diesbezüglich normale handlungsfreiheit.

  • Daher würde mich mal interessieren, wie andere NFL Teams so funktionieren. Und vielleicht ist es ja auch für andere hier interessant, welche Organisationskonstrukte es gibt, und welche besser oder nicht so gut funktionieren

    Dann versuche ich mal die Steelers:

    Owner Art Rooney (68):
    Die Steelers sind nicht im Besitz einer Person, sondern von mehren (Familien) und dabei besitzt Art Rooney mit ~30% den größten Anteil.
    Er hält sich dezent und stilvoll zurück und kennt seinen Platz und weiß ganz genau, dass Starallüren oder Alleingänge dem "Unternehmen" nur schaden würden.
    Er und die Rooney-Family verdienen ihr Geld mit der Franchise, d.h. es existiert kein parallel Imperium jenseits der Steelers, des Weiteren sind sie sehr gut, auch politisch, im Osten der USA vernetzt.
    Ab und zu gibt er auch in der Presse sachliche Kommentare ab, die von Kevin Colbert auch ausgewertet und umgesetzt werden, z.b. 2018 "wir müssen die Run Defense stärken"..... dies klappt 2020 dann ganz gut :) .
    Seine Person scheint ein gewissen Standing zu haben, selbst Antonio Brown verlor kein schlechtes Wort über ihn und bat höflich um einen privaten Termin für eine Ausprache nach dem ganzen Theater.

    Vice President / General Manager Kevin Colbert, (63):
    Der gebürtige Pittsburgher Kevin Colbert ist seit 2000, also seit über 20 Jahren in leitender Position bei den Steelers tätig. Zuvor sammelte er NFL-Erfahrung bei den Detroit Lions als Scouting Director.
    Seinen ersten Football Job hatte er bei BLESTO, einer Football Scouting Organisation inne.
    Vom Werdegang kann man sagen, dass er das Geschäft von der Pike aufgelernt hat und dabei musste er noch nie einen Coach feuern :) , außerdem hat in den letztes Jahre etwas gefallen an "Trades" gefunden.
    Seit der Draft von BigBen schafft er es eigentlich immer jedes Jahr ein konkurrenzfähiges Team ins Rennen zu schicken und konnte somit 2x den SB gewinnen.
    Letztes Jahr kamen Gerüchte auf, dass er mit über 60 nochmals eine neue Herausforderung bei den Panthers suchen würde. Dass ausgerechnet die Panthers ihre Fühler nach Kevin Colbert ausstreckten kam auch nicht von ungefähr,
    denn wer sich etwas mit alten Steelers Seilschaften und Minderheitseigentümerrechten auskennt, wird schnell den Zusammenhang erkennen. Dies führt hier aber jetzt wohl zu weit.

    Vice President of Football & Business Administratio Omar R. Khan (43):
    Ein Außenstehender wird sich jetzt eher fragen, warum Omar hier aufgelistet wird. So ganz einfach ist das auch nicht zu erkläeren. Er ist das jüngste Mitglied im engeren Steelers-Zirkel und hat sich in den letzten 19 Jahren kontinuierlich hochgearbeitet.
    Er ist für den Salary Cap und die Zahlen verantwortlich und kann dies mMn richtig gut. Die Steelers mussten nur wenige wirkliche Leistungsträger ziehen lassen und oft war es dann auch die richtige Entscheidung.
    Soweit ich weiss war er vor einigen Jahren auch bei den Jets als GM im Gespräch. Die Steelers konterten das Angebot mit der Schaffung seines aktuellen Dienstpostens und Kevin Colbert stiegt dabei zum Vice President auf.
    Er wird von vielen als Colbert Nachfolger angesehen........

    Head Coach Mike Tomlin (48):
    Konnte 2007 als junger Coach ein fertiges Team übernehmen und gleich einen (und einzigen) SB erringen. Bei den Spielern ein sehr beliebter Coach.
    Allerdings durfte er sich noch nie einen Coordinator aussuchen und hatte früher wohl einen etwas legeren Führungstil (Lockerrrom Videos etc.).
    Für mich wirkt er 2020 frischer und führungstärker als jemals zuvor. Aktuell mMn die idealste HC Besetzung bei den Steelers. Sollte aber vielleicht mal jemanden einstellen, der sagt wann man am besten Rote Flaggen wirft :) .
    Hat noch einige Jahre im Tank und ist mit 48 eigentlich im besten Alter für einen HC, viel gesehen, hat den RING und ist nicht zu alt um noch die Sprache der Jungen zu verstehen, aber alt genug um der Vater der Spieler sein zu können.
    Persönlich würde ich gerne sehen, wie er sich mit seinen eigenen OC/DC und in der nach BigBen Ärea schlagen würde.

    Defensive Coordinator Keith Butler (64):
    Auch schon seit 2003 bei den Steelers und wurde/musste/durfte von Coach Tomlin übernommen werden. Als Dick LeBeau 2014 aufhörte, war es schon Jahre vorher abgemacht dass er der Nachfolger als DC werden würde.
    Hat unter Dick LeBeau den "Blitz" gelernt und ist ausgewiesener LB Spezialist, Linebacker wie James Harrison, Joey Porter, Jason Worlids, LaMarr Woodley, T.J Watt, Bud Dupree oder Ryan Shazier kamen dabei zu ProBowl oder ALLPro Ehren.
    In den letzten Jahren nicht ganz umunstritten. Callt die D und spielt (normalerweise) eine 3-4 Defense, die von Blitzes aus allen Lagen und von vielen unterschiedlichen Spielern und Positionen geprägt ist.
    Aufgrund seines Alters besteht auch keine Gefahr mehr ihn zu einen anderen Team zu verlieren das gerade einen HC sucht.

    Offensive Coordinator Randy Fichtner (56):
    Seit 2007 bei den Steelers und er war BigBen's favorit für den OC Job, Offensive Coordinators im Allgemeinen zu bewerten ist immer schwierig (für mich), da sie es selten jemanden recht machen können.
    Wie auch Keith Butler war Randy Fichtner die letzten Jahre nicht ohne Kritik. Dieses Jahr kommt er allerdings mit einen sehr guten, aufgewogenen und "frischen" Gameplan daher.
    Wie hoch der Einfluss des neuen QB Coach Matt Canada ist, kann dabei nur spekuliert werden, was aber auch erst einmal egal ist, da er es als OC schließlich zu verantworten und abzusegnen hat.
    Auch hier besteht keine Gefahr eines Abgangs aufgrund eines verkanten HC Postens.


    Zusammenfassung:
    Die Steelers sind kein Spielball oder Hobby eines reichen Multimilliardär, Draufgängers oder Greisen, dem es nicht auf den wirtschaftlichen Erfolg ankommt und der "nur spielen" oder sich "selbstverherlichen" möchte oder einfach keine Ahnung hat.
    Aufgrund dieser Vorrausetzung wirkt die Franchise sehr solide und gut aufgestellt und schon aus Gründen einer Gewissen finanziellen "Abhängigkeit" sind hier keine großen und rapiden Änderungen gewünscht.
    Aber nicht dass jetzt jemand Sorge um die Rooney's hat und evtl. spenden möchte, für Leberkässemmel um 10 Uhr morgens reicht's auf jeden Fall
    Auch ist der Bezug zur Stadt Pittsburgh überall präsent, sei es auf der Babystation vom Krankenhaus oder auf der Gondel der Duquesne Incline.

    Allgemein würde ich das ganze FO mit den wichtigen Coaches als engen Zirkel ansehen, wo peinlich darauf geachtet wird geschlossen aufzutreten und Unstimmigkeiten intern zu besprechen und zu lösen.
    Gewisse Wünsche der Owner, die nie überzogen sind, werden vom FO auch umgesetzt, das war schon unter Dan Rooney (Verlängerung von Ike Tylor) so und wird unter Art Rooney genauso weitergeführt.

    Colbert und Khan haben 28 ProBowler in 20 Jahren gedraftet. Das mag jetzt erst einmal nicht nach viel klingen, ist es aber und nur die Cowboys mit Jerry Jones draften (drafteten?) besser.
    Wie stark das letzte Wort von Colbert, Khan, Tomlin oder Ronney bei der Auswahl oder Verpflichtung eines Spieler gewichtet ist, ist schwierig zu beantworten. Dazu sickert zu wenig aus verlässlichen Quellen durch.
    Ich denke dieser Zirkel ist einfach zu sachlich und kompetent aufgestellt, als dass es da zu gravierenden Unstimmigkeiten kommt. Persönlich denke ich dass es immer auf Kevin Colbert hinauslaufen würde.

    Gefahr besteht allerdings bei solchen langjährigen Konstellationen ja immer dass diese betriebsblind werden wenn es zu keinen frischen Enfluss von außen kommt. Allerdings sehe zzt ich diese Gefahr nicht.
    Interesannt und auch oft schon (u.a. hier bei uns im Steelers Talk) erwähnt und diskutiert, sind die Jahre 2022/2023 (oder nach den aktuellen Leistungen 2026 :paelzer: ), wenn es zu einer mögliche signifikante personelle Veränderung kommt.
    Wass passiert wenn Kevin Colbert, Mike Tomlin und BigBen gemeinsam in Rente gehen würden?


    Bewertung:
    Ich sehe die Steelers sehr gut aufgestellt und exellent auf den Schlüsselpositionen besetzt.
    .

    23 Mal editiert, zuletzt von MattLambert (25. Oktober 2020 um 12:59)

  • Wow, was für ein spannendes Thema... :) Danke für die Eröffnung, das wird einer meiner neuen Lieblingsthreads...

    Und danke @MattLambert da ist schon einiges dabei, was mir komplett neu war... Gerne darfst du auch bei allem nochmal tiefer ins Detail gehen :P