Buffalo Bills Preview 2006
Die Saison 2005
Die Bills gingen in die Saison 2005 mit einer entscheidenden Frage: was kann J.P. Losman in seiner ersten Saison als Starter der Bills leisten? Losman, in seiner Rookiesaison unter anderem wegen einer Verletzung nur sehr spärlich eingesetzt, bekam den Quarterback-Posten sehr früh in der Offseason zugesprochen. Vorjahresstarter Bledsoe, der keine Gehaltskürzung hinnehmen wollte, wurde entlassen, und durch Ex-Brown Kelly Holcomb ersetzt.
Der Start wirkte viel versprechend: Losman konnte gleich zu Beginn seine Pässe anbringen, und spielte eine Halbzeitführung gegen Houston heraus, die die gewohnt dominante Defense in der zweiten Halbzeit hielt. Doch das Bild änderte sich schnell: in den nächsten Spielen lief bei Losman nicht viel zusammen, zudem brach auch noch die Defense ein, vor allem gegen das Laufspiel. Nach drei Niederlagen in Folge zog Coach Mularkey die Notbremse - Holcomb sollte spielen.
Holcombs unspektakuläres, aber effektives Spiel, sowie zwei Siege aus vier Spielen, hielten Losman zunächst an der Seitenlinie. Gegen Kansas City dann ein kleines Comeback: Losman ersetzte den verletzten Holcomb und führte die Bills mit zwei Touchdowns aus guter Feldposition zum Sieg. Im Folgenden gab es Licht und Schatten von Losman. Er harmonierte gut mit Receiver Evans, war aber zu inkonsistent und machte Fehler. Als Losman sich wiederum verletzte, spielte Holcomb die Saison zuende. 5 Siege standen 11 Niederlagen gegenüber. Owner Ralph Wilson kündigte Änderungen an.
Ch..Ch..Changes
Als erste Änderung kam die erwartete Trennung vom glücklosen General Manager Tom Donahoe. Wilson, bedacht darauf die Kompetenzen nicht mehr auf eine Person zu konzentrieren wie unter Donahoe, trennte den Geschäftsbereich vom Footballbereich und ernannte Ex-Coach Marv Levy zum General Manager für den Footballbetrieb. Levy, erfolgreichster Coach in der Geschichte der Bills, besitzt lediglich Erfahrung als General Manager der Alouettes (CFL), war aber schon als Coach immer stark bei Personalentscheidungen beteiligt.
Die Änderungen im Front Office, sowie die Entlassung von fünf Assistenztrainern, bewegten schließlich Coach Mularkey - obwohl in seinem Job bestätigt - selber zum Rücktritt. Ein Nachfolger wurde mit Ex-Bears Coach Dick Jauron gefunden. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern bringt Jauron Erfahrung als Head Coach mit. Nicht wenige hätten allerdings lieber Mike Sherman in Buffalo gesehen, der mehr Siege als Head Coach erzielte.
Jauron folgten Steve Fairchild - der sich bereits unter Greg Williams in Buffalo um die Running Backs kümmerte - als Offense Coordinator, und Bears Secondary-Coach Perry Fewell als Defense Coordinator. Fairchild überzeugte durch seinen Hintergrund als Coach sowohl im Lauf- als auch im Passspiel. In St. Louis konnte er unter Mike Martz lernen, und es wird erwartet, dass er ein ähnliches, etwas lauflastigeres System spielt. Von Fewell wird erwartet, dass er eine Variation der Tampa Cover 2 spielen lässt - ein System, mit dem er bereits in Chicago und St. Louis arbeitete. Die bisherigen Verpflichtungen deuten darauf hin.
Auch vor den Spielern machten die Änderungen nicht halt. Der neue Stab machte sich gleich daran, ein paar Veteranen auszusortieren. In der Defense wurden Tackle Sam Adams und Safety Lawyer Milloy entlassen, in der Offense erwischte es den enttäuschenden Mike Williams. Gründe für die Entlassungen waren abfallende Leistungen, Capbelastung und neue Spielsysteme. Die hohe Belastung für den Cap war schließlich auch der Grund, warum Receiver Eric Moulds - noch unter Levy gedraftet und letztes Bindeglied zu den Playoffteams der 90er - nach Houston getradet wurde. Die wichtigsten Neuzugänge verstärken die beiden Linien. In der Offense sind Tutan Reyes und Melvin Fowler als neue Starter eingeplant, in der Defense kommt mit Larry Tripplett ein Teil der Defense Line Rotation der Colts.
Competition and Character
Zwei Punkte hob Marv Levy in der Philosophie des neuen Front Office hervor. Nach Levy's Motto "Talent ohne Charakter verliert" konzentrieren sich die Bills auf Spieler, die neben ihnen Footballfähigkeiten auch durch Arbeitseinsatz und Teamfähigkeit auffallen. Des Weiteren wird mehr Wettbewerb zwischen Spielern forciert. Deutlich wird dies an der Quarterback-Position. Statt sich frühzeitig auf einen Starter festzulegen, gibt es dieses Jahr einen Dreikampf zwischen Losman und Holcomb, sowie der Neuverpflichtung Craig Nall (Packers, Claymores).
Die Stärken
Bei den Stärken der Bills fallen als erstes die Special Teams ins Auge. In den zwei Jahren seit der Übernahme durch Coach Bobby April ist diese Einheit die beste der NFL. Star der Special Teams ist Cornerback Terrence McGee, der mit über 30 Yards pro Return die NFL in der vergangenen Saison anführte. In nur drei Jahren bei den Bills schaffte er es bereits, mehrere Teamrekorde zu brechen. Punt Returner ist mit Nate Clements ein weiterer Starter auf der Cornerback-Position. Seine Erfahrung mit dem Wind in Buffalo ist sehr wertvoll. Er wird seit letzter Saison durch Roscoe Parrish entlastet. Zu den starken Returnern gesellt sich eines der besten Coverage-Teams, Pro-Bowl Punter Brian Moorman und Kicker Rian Lindell, der mit einer guten Saison seine Kritiker vorerst ruhig stellen konnte. Den Status der Einheit zu erhalten oder zu verbessern ist ein Anliegen von Marv Levy, der selbst as Kicking Teams Coach unter George Allen seinen Start in der NFL hatte. So wurde Bobby April angewiesen, gute Special Teamer auf dem Waiver Wire zu melden. Daraus resultierte unter anderem die Verpflichtung von Safety Matt Bowen.
Immernoch eine Stärke, wenn auch nach dem Abgang von Lawyer Milloy weniger namhaft, ist das Defensive Backfield der Bills. Terrence McGee hat sich als Cornerback in der Liga etabliert und wurde mit einem langfristigen Vertrag belohnt. Ihm gegenüber spielt Nate Clements, der - trotz einer für ihn unterdurchschnittlichen Leistung - für das Team wertvoll genug war, um ihn mit dem Franchise Tag zu belegen. Insbesondere wenn Clements wieder zu seiner Form aus 2004 zurückfindet, sollte Buffalo eines der besseren Cornerback-Duos besitzen. Tiefe bieten Eric King, mit Stärken in der Zonenverteidigung, und der leichte aber flinke Jabari Greer (ein ehemaliger Track-Star für die Volunteers), der zum Start des Camps gleich einen starken Eindruck hinterlies. Das größte Starterpotential besitzt Drittrundenpick Ashton Youboty, ein weiteres Produkt des Defensive Backfield der Ohio State Buckeyes, der diese Saison allerdings noch keine große Rolle spielen wird. Auf der Safety-Position sollte der ehemalige Cornerback Troy Vincent von der neuen Cover-2 Defense profitieren. Als Ersatz für Lawyer Milloy wird wahrscheinlich Erstrundenpick Donte Whitner, ein weiteres Produkt der Ohio State Secondary, Strong Safety spielen. Er besitzt die notwendige Größe und Athletik um mit den Tight Ends der neuen Generation mithalten zu können. Konkurrenz bekommt Whitner von Matt Bowen, der zuletzt für die Redskins als Safety auflief, bis ihn eine Knieverletzung außer Gefecht setzte. Vermutlich werden die Bills aber Bowen lieber exklusiv als Special Teamer einsetzen.
Die schwere Verletzung von Takeo Spikes war ein schwerer Schlag für die Defense der Bills. Jedoch konnte in seiner Abwesenheit Ersatzmann Angelo Crowell überzeugen. Als Konsequenz seiner guten Leistung geht Crowell als Starter auf der Strongside Linebacker-Position ins Training Camp, auch begünstigt durch die neue Cover-2 Defense: im alten Defense-Schema galt er noch als zu leicht für diese Position. Sollte Spikes sich seiner Form vor der Verletzung annähren können, steht zusammen mit Veteran Fletcher in der Mitte ein starkes Linebacker-Trio auf dem Feld.
Die Schwächen
2004 noch eine der Stärken, ging es mit der Defense Line 2005 rapide bergab. Der Abgang von Pat Williams ließ ein Loch zurück, dass weder Ron Edwards noch (nach dessen Verletzung) Tim Anderson schließen konnte. Zusammen mit Sam Adams' undiszipliniertem Spiel führte dies dazu, dass die Bills zu den schlechtesten Teams gegen den Lauf gehörten. Sam Adams wurde entlassen, und mit Larry Tripplett kam ein idealer Spieler für das neue Cover-2 Defense-Schema, das leichtere, athletischere Spieler bevorzugt. Im Draft wurde die Linie weiter mit John McCargo und Nose Tackle Kyle Williams verstärkt. Vorerst ist jedoch Tim Anderson der Starter (NT), und der machte in seinem ersten Jahr als Starter keine gute Figur. Zu oft konnte er sich nicht von seinem Blocker lösen. Damit die Linie solide spielen kann, muss er sich steigern, oder einer der Rookies muss sich im Training Camp durchsetzen. Auf jeden Fall soll mehr rotiert werden als im Vorjahr, so dass auch McCargo und Williams genug Spielzeit bekommen werden.
Weniger kritisch sieht es auf der Receiver-Position aus, doch der Abgang von Eric Moulds wertet diese Position deutlich ab. Zwar bestehen wenige Zweifel daran, dass Lee Evans einen guten ersten Receiver abgibt. Doch ohne eine ädequate Nummer zwei wird er es trotzdem schwer haben. Die besten Aussichten auf diese Position haben Josh Reed und Peerless Price. Josh Reed, von vielen bereits abgeschrieben, hatte 2005 die beste Saison seit seiner Rookiesaison. Er könnte eine zweite Chance bekommen, sich als Nummer zwei der Bills zu beweisen - was vor drei Jahren nicht so gut funktionierte. Peerless Price konnte bereits auf dieser Position glänzen, doch seitdem er für viel Geld nach Atlanta ging, lief nicht mehr viel zusammen. Seine Fähigkeiten, die ihn in Buffalo erfolgreich machten, besitzt er immer noch - Schnelligkeit und das Laufen präziser Routen. Unklarheit herrscht über eine Erkrankung an seinem rechten Auge, über die es die verschiedensten Sachen zu lesen gibt. Der flinke Roscoe Parrish, der einen Teil seiner Rookiesaison verletzt verpasste, wird wahrscheinlich im Slot eingesetzt werden, während Andre Davis, über den man eigentlich viel gutes liest, wohl um einen Platz im Team kämpfen muss. Ein Receiver ragt etwas über seine Kollegen hinaus: Undrafted Free Agent Martin Nance ist mit 6'4" (ca. 1,92m) ein Stück größer als die ansonsten recht kleinen Receiver der Bills.
Zurück zu den Linien: Viel Kritik gab es für die Entscheidung der Bills, in die vergangene Saison mit Left Tackle Mike Gandy als Starter zu gehen. Nicht zu unrecht, denn der ehemalige Drittrundenpick der Bears war das Vorjahr - teilweise verletzungsbedingt - bereits ohne Team. Doch Gandy spielte eine gute Saison und war einer der beständigsten Spieler der Offense Line der Bills. Auf der rechten Seite konnte Jason Peters - ein ungedrafteter Tight End - den enttäuschenden Mike Williams verdrängen. Peters ist für seine Größe sehr athletisch und wird mittelfristig als die Lösung für die linke Seite gesehen. Seine bisher sehr schnelle Entwicklung lässt hoffen. Entsprechend konzentrierte sich das Front Office der Bills auf die Mitte der Linie. Entlassen wurden die Schwergewichte Bennie Anderson und Mike Williams, Trey Teague's Vertrag wurde nicht verlängert. An ihre Stelle treten mit Guard Tutan Reyes und Center Melvin Fowler zwei wesentlich athletischere Spieler. In der Tiefe ist die Offense Line nicht gut besetzt. Hier ist Duke Preston erwähnenswert, der noch eine Außenseiterchance auf einer der Starterpositionen hat. Er kann sowohl Center als auch Guard spielen. Insgesamt hat die Linie das Potential, solide bis überdurchschnittlich zu spielen. Dazu muss sie aber die Gelegenheit bekommen, sich in dieser Besetzung einzuspielen, und von den vielen kleinen Verletzungen, die die Linie letztes Jahr betrafen, verschont bleiben.
Zum Schluß zu der Position, über die bei den Bills (und einigen anderen Teams) am meisten geredet wird. Eine (wahrscheinlich) leichte Verletzung von Craig Nall macht aus dem Dreikampf vorerst einen Zweikampf zwischen Kelly Holcomb und J.P. Losman. Holcomb ist der "worst case", ein effektiver Quarterback mit guter Übersicht und einen durchschnittlichem Arm. Holcomb steht in der Kritik, weil er oft den kurzen, sicheren Pass wählt. Daran dürfte letzte Saison allerdings auch die Offense Line mit schuldig gewesen sein, die viel Druck über die Mitte zuließ. Immerhin konnte Holcomb letzte Saison die Offense länger auf dem Feld halten, und drei Siege aus sieben Spielen mitnehmen. Bei Holcomb weis man, woran man ist, bei Losman ist das noch recht unklar. Er ist athletisch und hat einen starken Arm, aber letzte Saison wirkte er überfordert. Das resultierte ich schlechter Technik und schlecht geworfenen Bällen. Um erfolgreich zu sein, muss er seine Nervosität ablegen und sich an die Geschwindigkeit des Spiels gewöhnen. Ob dies nächste Saison, übernächste Saison oder gar nicht geschieht, lässt sich zurzeit noch nicht absehen. Immerhin konnte Losman im Training Camp bereits punkten: Mit dem schweren Regen in der ersten Trainingseinheit kam er wesentlich besser zurecht als seine Mitbewerber.
Sollte nicht vergessen werden...
Tight End #1 ist Neuverpflichtung Robert Royal. Marv Levy hat viel Lob für ihn übrig, und nannte ihn "einen der besten Blocking Tight Ends der NFL". Er ist zudem recht athletisch und immer anspielbar, nur mit dem Fangen klapt es noch nicht immer so gut. Brad Cieslak beeindruckte die Coaches und ist vorerst als Nummer zwei eingeplant, noch vor Drittrundenpick Everett, dem athletischsten Spieler der drei.
Starting Running Back ist relativ sicher Willis McGahee, der dieses Jahr etwas leichter ins Camp kam, um etwas mehr Schnelligkeit zu haben. Dahinter kämpfen Anthony Thomas und Lionel Gates (zwei etwas schwerere Backs) sowie Shaud Williams und Fred Jackson um die Positionen. Anthony Thomas hatte unter Dick Jauron in Chicago seine besten Jahre. Interessant ist Fred Jackson - er ist sehr schnell und mit 210 Pfund auch nicht all zu leicht. Am Coe College spielte er Running Back und lief für die Sprintermannschaft in der Leichtathletik - genau wie ein gewisser Marv Levy jahrzehnte vor ihm.
Ausblick
Viel Neues gibt es bei den Bills 2006. Ein neuer General Manager, neue Coaches, neue Spielsysteme. Neue Spieler, vor allem in der Mitte der beiden Linien. Das macht es schwer, dieses Team einzuschätzen. Viel wird davon abhängen, wie schnell sich das Team auf die Änderungen einstellt und ob sie sich positiv auswirken. Nüchtern betrachtet wird es auf vier bis sechs Siege herauslaufen. Ich sehe Verbesserungen zum Vorjahr, aber die fehlende Kontinuität wird sich vorerst negativ auswirken.
Schlecht sieht es für die Bills aus, wenn die Änderungen an den Linien keinen Erfolg bringen und auf der Quarterback-Position kein Fortschritt erzielt wird - sollte sich Holcomb zum Beispiel verletzen und Losman nicht besser spielen als letzte Saison.
Etwas mehr nach oben (7-9 Siege) könnte für die Bills gehen, wenn die Defense das Loch aus der letzen Saison überwinden kann - hier kommt es vor allem auf die Defense Line an. Teams mit starker Defense und starken Special Teams können es auch mit einer mäßigen Offense weiter bringen.
Me and Terrence McGee oder Hier ist das Talent, das Buck nicht hat...
Als Cornerback und Returner nicht ganz ausgelastet, betätigt sich Terrence McGee nebenher auch noch artistisch: