Demenz: Die Angst vor dem Vergessen

  • Heute abend gibt es im ZDF eine 30-minütige Sendung, bei der ein TV-Team den an Alzheimer erkrankten ehemaligen Schalke-Manager Rudi Assauer begleitet. Die Bilder, die ich in ersten Ausschnitten bereits sehen konnte, sind intensiv und regen mich sehr zum Nachdenken an - vor allem, da ich selber in der eigenen nahen Verwandtschaft Erfahrungen mit dieser Krankheit und den Folgen machen mußte.

    Ich muss sagen, dass ich damals restlos überfordert war und mir im Nachhinein gewünscht hätte, mich mehr über die Krankheit und ihre Folgen zu informieren. Ich will euch nicht zu sehr mit Einzelheiten langweilen, deshalb nur kurz: Meine Oma mütterlicherseits hat früh Anzeichen dieser Krankheit gezeigt, mich und meinen Bruder regelmäßig verwechselt, Fragen gestellt, die sie wenige Minuten vorher schon mal gestellt hatte usw. Wie geht man mit so jemand um, wenn man zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit gefragt wird, wie es einem geht und was man heute gemacht hat?

    Das Schlimmste allerdings an dieser Krankheit ist, dass sie den Menschen verändert - meine Oma wurde von einer der herzallerliebsten, fürsorglichsten Menschen zu jemand, die an jeder Ecke eine Verschwörung gegen sich sah. Im Nachhinein zu verstehen, wenn sie vergass, wo sie ihr Geld aufbewahrt hat oder wieso im Geldbeutel plötzlich weniger war, als sie in Erinnerung hatte. Darunter litt dann vor allem meine Mutter, die sich sonst um sie kümmerte und die mit diesen neuen Wesenszügen ähnlich überfordert war.

    Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr selber Erfahrungen in der Verwandt- oder Bekanntschaft machen müssen? Wie seid ihr damit umgegangen? Wie denkt ihr über die Krankheit und macht euch die Aussicht Angst, möglicherweise selber irgendwann mal euer Leben und die Leute, die euch wichtig sind zu vergessen und nicht mehr zu kennen?

    aikman -> Chrizly (Namensänderung 3.2. 2023)

    "So this is how I remember saying goodbye to Bilbo," [a raccoon he had as a kid] Leach wrote. "He wandered 10 yards away or so from the truck, and then he turned and looked at us and kind of had this expression like, 'It was nice knowing ya.' It was this moment where like, both I knew and he knew that we’d had some good times, but this was it. It was onward and upward for both of us."

    Mike Leach, Coaching Legend (*1961 +2022)

  • Ohne jetzt allzu sehr mein Privatleben öffnen zu wollen habe ich deine Beobachtungen bezüglich deiner Oma bei meiner auf sehr sehr ähnliche Weise gemacht. Allerdings war ich aufgrund einer räumlichen Trennung nicht in der Entstehung und den Anzeichen involviert.

    Dies darf ich jetzt in allernächster Nähe nachholen und empfinde es als sehr traurig und schwer für das Umfeld und die Person selber, die realisiert, dass es mit ihr geistig bergab geht, damit umzugehen.

  • Ich habe 2 Fälle davon im näheren Umfeld:

    meine Großmutter und der beste Freund meines Vaters.


    Das tückische dieser Erkrankung ist, so finde ich, die enorme Belastung des Umfelds. Die erkrankte Person macht eine Phase der Erkenntnis durch und leidet in dieser Zeit sehr, denn so eine Entwicklung ist nicht auf zu halten.

    Aber an einem bestimmten Punkt dreht sich das "Leid" in Richtung des Umfelds und in besonderem Maße auf die betreuenden Personen.
    Im Falle meiner Oma, war das die Schwester meiner Mutter, weil sie Nachbarn waren. Das war nicht mehr schön mit anzusehen und ich kann dieser Frau nicht genug Respekt zollen, weil sie bis zum Tode alles mit einem Lächeln ertragen hat.
    Was sollte sie auch mit meiner 85-jährigen Oma schimpfen, die ihre Kinde zu Fuß aus den Kriegsgebieten geschleppt hat (4 Kinder), die immer für alle da war ... und die es irgendwann nicht wußte was sie tat. Dabei waren teilweise die Reaktionen ähnlich wie Du sie beschreibst, wurden dann aber immer schlimmer, bis selbst der Gang zur Toilette eben "vergessen" wurde.

    Mein Vater steht derzeit in "2. Reihe" und ist als Freund einfach für die Familie da. Aber auch er leidet da sehr drunter, ist es doch sein bester Freund, dem er beim Zerfall zusehen muss.

    Und wenn Du uns fragst, wie wir darüber denken, dann sage ich es ganz klar:

    nicht mein eigenes Leid, dass ich vll. mal meine eigenen Kinder nicht erkenne würde mir zu schaffen machen, sondern die Aussicht, was meine Kinder, mein Umfeld mal ertragen müssten. Was ich denen antun würde ... das noch eine Zeit lang zu wissen, das wäre hart und ich würde dafür früh sorgen, dass sie nicht alleine da stehen.

    Ansonsten lebe ich mein Leben, ich rate jedem das Gleiche zu tun, bis das Schicksal mal an Eure Türen klopft, was ich keinem von Euch wünsche.

  • Es ist zwar keine Präventionsmasnahme aber ich hab diesen Tipp mal bekommen: Nachrichte filtern!

    Wirklich sich überlegen welche Nachrichten man aufnehmen will und kann. In unserer Informationsgesellschaft gibt soviele Möglichkeiten sich zu informieren und Standpunkte kennen zu lernen dass es zur Sucht werden kann. Ich lese im nfl-talk z.B. nur ausgewählte Threads z.B. im Football Bereich: Team Threads der Steelers, Browns, Bengals, Ravens, Football in D,A und CH.

    Robert Mugabe, Vladimir Putin, Sepp Blatter,

  • Ich kann es ehrlich gesagt nicht richtig beschreiben. Meine ehemalige Großmutter war geistig labil. Sprich sie hat Dinge sehr verquerr wahrgenommen und sich dementsprechend verhalten. Deswegen wurde sie mehrmals in die Psychiatrie eingewiesen.

    Für mich als Kind waren die Geschichten lustig. Heute eher angsteinflössend, da ich nicht genau weiß was sie hat, ob es erblich weitergegeben werden kann usw. .

    Deswegen kann ich als einzigen Tipp weitergeben, dass man in der Familie darüber reden sollte und auch die Kinder miteinbeziehen. Sie vor dem ... beschützen ist zwar klar, aber genauso wichtig ist es ihnen das Ganze zu erklären.

    Wir könnten die Diskussion noch ausweiten: Wie würdet Ihr mit dieser Diagnose umgehen?

    R.I.P J.Johnson

  • Wenn ich diese Diagnose erhalte:

    Allen Menschen die mir Nahe stehen Bescheid geben
    Beratung aufsuchen wie andere Menschen damit umgehen
    Weitere Schritte überlegen

    Robert Mugabe, Vladimir Putin, Sepp Blatter,

  • 13 Jahre Dienst als examinierter Altenpfleger mit Zusatzausbildung, fast alle Patienten Demenzerkrankte. Angst hab ich eigentlich keine, zumindest nicht um mich, wenn schon um das Umfeld.
    Von wünschenswerten menschlichen Verhaltensweisen mal abgesehen, wäre mir als Betroffener vor allem eine anständige medizinische/pfegerische Versorgung und eine umfassende Information der Familie wichtig. Der psychische Druck für pflegende Angehörige ist dauerhaft kaum zu ertragen und richtet langfristig gesehen zu oft Schäden am "gesunden Pflegenden" an und leider auch an der Beziehung Kranker-Pflegender. Eine umfassende Information über die Krankheit kann allen Beteiligten vieles erleichtern.

    Insofern "freut" mich das mediale Interesse um die Krankheit auch wenn es mir um Assauer natürlich leid tut (wie um jeden anderen Erkrankten auch )und ich mir auch bewußt bin, dass dieses Interesse leider schnell wieder verflacht.
    Stehe gerne per pm für Fragen zur Verfügung, falls es jemand hier zu öffentlich ist.

  • Ich kann jetzt nicht viel "eigenes" zum Thema beitragen, weil es mich bisher in meinem Umfeld nicht betroffen hat, aber mich hat ebenfalls diese Berichterstattung über Assauer schon sehr beschäftigt. Ich kann jetzt nicht sagen, das ich vor dieser Krankheit mehr oder weniger Angst habe als vor einer anderen Schlimmen.
    Was mich dabei beschäftigt, ist neben der Aufgabe für die Angehörigen, die Vorstellung meine Erinnerungen zu verlieren. Egal ob positiv oder negativ sind das ja die Dinge, die uns prägen. Und das das weg ist oder langsam verschwindet, finde ich von der Vorstellung her sehr krass.

  • Egal ob positiv oder negativ sind das ja die Dinge, die uns prägen. Und das das weg ist oder langsam verschwindet, finde ich von der Vorstellung her sehr krass.

    Demenz betrifft zuerst das Kurzzeitgedächtnis und 'arbeitet' sich dann die Zeitschiene zurück. Du kannst dich also quasi noch an deine Kindheit erinnern, weisst aber nicht, dass du die gleiche Geschichte soeben schon mehrfach erzählt hast. Überhaupt betrifft es zunächst eher die aktuellen Begebenheiten denn die vergangenen.

  • Ich kann jetzt nicht viel "eigenes" zum Thema beitragen, weil es mich bisher in meinem Umfeld nicht betroffen hat, aber mich hat ebenfalls diese Berichterstattung über Assauer schon sehr beschäftigt. Ich kann jetzt nicht sagen, das ich vor dieser Krankheit mehr oder weniger Angst habe als vor einer anderen Schlimmen.
    Was mich dabei beschäftigt, ist neben der Aufgabe für die Angehörigen, die Vorstellung meine Erinnerungen zu verlieren. Egal ob positiv oder negativ sind das ja die Dinge, die uns prägen. Und das das weg ist oder langsam verschwindet, finde ich von der Vorstellung her sehr krass.

    Triffts ganz gut. So ging es mir auch. Ziemlich üble geschichte die einen zum nachdenken anregt.

    #FIREJOSEPH