Nachdem der Footballtag besser kaum hätte beginnen können (Bookie Bradley-Hiles, mein kleiner Mancrush der 2018er Class, hat sich für Nebraska entschieden ), versuch ich mich mal wieder an einem Pick-Recap:
Josh Dobbs: Ein Spieler, den ich ein wenig in mein Herz geschlossen habe. Vier Jahre Startererfahrung in der SEC (wenngleich die ersten beiden Jahre part-time). Extrem intelligenter Typ (Aerospace Engineering-Absolvent), dazu äußerst sympathisch. Fast ein bisschen nerdig, sowas kennt man ja in NFL-Kreisen weniger Off-the-field und Intangibles im Bereich „Besser gehts nicht“. Auf dem Feld leider sehr inkonstant. Hat einen starken Arm und einen der besten Deep Balls der Class, droppt ihn öfter traumwandlerisch sicher ins Basket des WR in stride. Ein sehr guter Athlet mit zufriedenstellender Pocket Awareness (bzw. zumindest der Möglichkeit, sich aus Pressure zu befreien). Guter Runner, hat die Augen beim Scramblen zunächst downfield. Leider im Kurz- und Medium-Bereich doch manchmal ziemliche Accuracy-Probleme. Zudem keine besonders guten Touch-Pässe, immer ein wenig zu viel Druck drauf. Footwork braucht massive Verbesserungen für die Pros. Happy feet, backfoot throws, kein guter step into the throw, alles dabei.
Habe keinen QB dieses Jahr verfolgt, der so sehr on and off war. Wenn er in der „Zone“ ist, dann krachts richtig. Das Bowlgame war die beste QB-Leistung, die ich gegen Nebraskas unterschätzte Secondary in 2016 gesehen habe.
Betrachte sein Ceiling als sehr hoch (bei aber vergleichsweise geringen low floor aufgrund der fehlenden Genauigkeit). Nicht nur aufgrund der Intangibles, sondern auch deswegen, weil er im Grunde genommen im Gegensatz zu allen anderen QB-Prospects sich nur die Hälfte der Collegezeit mit Football beschäftigt hat. Nach einem seiner schlechteren Spiele (weiß nicht mehr, South Carolina?) entschuldigte er sich und gab zu, dass er die Woche zuvor sehr bei einer Projektarbeit eingebunden war und sich deswegen nicht so vorbereiten konnte, wie es nötig gewesen wäre. Das mag für einige Scouts ein rotes Tuch darstellen, ich finde es wahnsinnig ehrlich und sehr erwachsen. Wie sieht es aus, wenn er sich nur noch um Football kümmern kann? Könnte mir daher in dieser auch in der Tiefe sehr mauen QB-Class gut vorstellen, dass er eine Ecke früher geht als hier und Heeath einen schönen Valuepick abgeliefert hat. Außerdem könnte ich dann der Scheuche und einigen anderen ne lange Nase zeigen...
Hier für Interessierte noch ein paar genauere Infos zu Dobbs, seinem Studium und den damit verbundenen Einschränkungen, wenngleich der Artikel schon etwas älter ist: Klick
Lorenzo Jerome: Das wenige, was ich gesehen habe, gefällt mir, seine Testergebnisse lassen aber große Fragezeichen zurück. Play speed wirkt besser, aber das größere Problem dürfte die Beweglichkeit sein. Gute Ball Skills, gute Instinkte, aber v.a. schnell downhill im Run Support. Football IQ scheint sehr hoch zu sein, inwiefern seine Athletik ein zu großes Hindernis ist, wird sich zeigen. Wie setzt man ihn am besten ein? Als Cover-2 Safety? Für die Box ist er vielleicht zu klein, für einen single high fehlts an Range. Interessanter Typ Prospect, bei dem ich nur nicht so recht weiß, wohin er am besten passt.
Michael Roberts: Noch ein netter Heeeath-Pick. Quatschi kann da sicher mehr zu beitragen, aber als late rounder gefällt mir Roberts durchaus. Mammut-TE mit riesigen Händen. TD-Maschine – nicht nur nahe der Goal Line, sondern insbesondere in der Red Zone, viele erfolgreiche Seam (und anderen Vertical) Routes. Stetige Gefahr über die Mitte. Wenn er in Gang kommt, ist er schwer aufzuhalten. Großer Catch Radius, sichere Hände. Route Running sieht nicht so flüssig aus (zumindest von dem, was ich gesehen habe), aber die Physis macht halt einiges wett. Blocking ist für einen 270-Pfunder noch ausbaufähig, aber die körperlichen Voraussetzungen dafür sind ohne Zweifel da. Irgendwo habe ich den Vergleich zu Damon Jones gelesen, den ich sehr passend fand (falls sich noch jemand an den Jags-TE erinnern kann). Könnte mir vorstellen, dass Roberts die Basis für eine ähnliche Karriere besitzt (low volume, aber viele big plays).
Stevie Tu’ikolovatu: Wie schon geschrieben, wäre ein deutlich höherer Pick, wenn er nicht schon 25 Jahre alt wäre und ein wenig mehr Länge mitbringen würde. Letzteres hat aber auch so seine Vorteile: Stevie T ist low und spielt low, daher aufgrund seiner Statur kaum zu bewegen, auch von Double Teams. Erstaunlich guter get-off für seine Size, sehr guter Punch. Ein klassischer space eater NT, der wenig in Sachen Passrush mitbringt, aber ab und an doch auch überraschend „nifty“ ist. Tackling ist okay. Für einen late-rounder ein vergleichsweise sicherer Pick. Gefällt mir.
Matt Dayes: Unterschätzter Runner, den ich aufgrund seines Profils v.a. als Fit für ein one-cut zone scheme sehe. Schon früh in der Saison las ich von mehreren Scouts, dass er als einer der besten Senior RBs der Power-5 angesehen wird (was auch ein wenig über die Senior Class aussagt). Kein sehr spektakulärer RB: Klein und kompakt, kein Blazer, wenig spektakuläre Moves, insgesamt nicht der größte Athlet. Aber hat ein sehr gutes Gefühl für sich entwickelnde Plays, insb. bei Zone Richtung Perimeter. Liest die Blocks seiner OL und auch die Defense IMO sehr gut (zumindest sieht es so aus), hat dabei die richtige Mischung aus Pressing the Line, Patience und Decisiveness. Cut and go Typ. Gute Vision. Kein schwächlicher RB, aber zu wenig Pile Mover und zu selten gebrochene Tackles. Könnte mir ihn in einem ZBS-Team als wertvollen Backup vorstellen.
Avery Moss: What could have been, wenn er mal seine Hose angelassen hätte. Ganz starke Redshirt Freshman Season bei den Huskers, endlich der langersehnte Passrusher neben Randy Gregory, der aber auch stark genug gegen den Run ist (und v.a. eine Menge Upside in dieser Hinsicht mitbrachte). Moss‘ athletischer Pick 6 gegen Northwestern machte die Aufholjagd und die spätere Hail Mary erst möglich. Und dann holte ihn eine alte Geschichte ein, bei der bis heute nicht ganz klar ist, ob es sich dabei um ein Missverständnis handelte bzw. ob die Uni das eventuell falsch kommuniziert hat. Moss hat (schon vor seiner Freshman-Season) vor einer Studentin in einem der Lebensmittelshops blankgezogen. Deswegen war ihm bis auf Weiteres untersagt worden, die Studentenwohnheime zu betreten. Auf Studium und Footballstipendium hatte dies aber keine Auswirkungen. Nach seiner rFr. Season nahm er wohl an, dass dieser Bann vorbei sei und bewegte sich wieder entsprechend auf dem Campus. Dem war aber nicht so, weswegen er die 2014er Saison gesperrt wurde. Danach wechselte er zu Youngstown State, bei dem er „zufälligerweise“ auf den alten HC Bo Pelini traf. Dort formte er mit Derek Rivers ein exzellentes Passrush-Duo, das sicherlich einer der Gründe für den sensationellen Run der Penguins ins FCS-Finale war. Ist nicht ganz der Athlet wie Rivers, aber dennoch keinesfalls zu unterschätzen. Passabler First step, sehr guter Burst, kommt gut around the edge für sein Gewicht. Gute Balance, aber nicht das ganz große Arsenal an Moves. Für über 260 Pfund müsste er ein dominanterer Run Defender sein, da hat er zu oft Probleme mit dem Block Shedding. Upside Pick in der 6th.
Avery Gennesy: Kann mich hier den Ausführungen von Koblenzer nur anschließen. Habe ihn auch höher gerankt als einige andere Development OLs. Zwei Jahre LT in der SEC. Nicht der Überathlet, aber hat zwei wichtige Traits: Quick feet (s. Koblenzer Post) und einen relativ raumgreifenden Kick Slide. Sehe ihn daher auch eher als RT-Project denn als OG, aber letztlich kann ich sowas nicht wahnsinnig gut beurteilen.
KD Cannon: Ein Spieler, den ich schon bei mehreren Picks in den Top 3-5 hatte, aber irgendwie hats mich doch immer woanders hingezogen. In seiner Freshman-Season war ich überzeugt, den nächsten Superstar-WR zu sehen. Effortless long speed, spektakuläre Catches downfield mit gutem high point. Aggressiv, wenn der Ball in der Luft ist. In der 2015er Saison nahm er dann aber gegenüber Corey Coleman deutlich eine Nebenrolle ein und plagte sich mit inkonstanter Form herum, insb. fallengelassene Pässe blieben mir im Gedächtnis. Nicht der größte Techniker unter den Ballfängern – und wie üblich bei Baylor WRs ein extrem eingeschränkter Route Tree von maximal 4 richtigen Routen. Diesen lief er aber – etwa im Gegensatz zu Coleman – nicht immer überzeugend. Aber allein der long speed, mit dem er auch noch deep separation kreieren kann, ist hier den Flyer mehr als wert. Wenn man ihn richtig einsetzt, IMO ein Steal in der 6th und für die Panthers ein recht passender Ginn-Ersatz (wenn es so in real kommen sollte).
Und nun zum letzten Bills-Pick dieser Draft:
De’Angelo Henderson: Jitterbug. Kein Vid eines late round RBs hat mir mehr Spaß gemacht als Hendersons gegen North Dakota State im FCS-Viertelfinale. Klein und kräftig, extrem low to the ground und mit fantastischer Balance ausgestattet. Einer der wenigen Vergleiche bei NFL.com, dem ich vorbehaltlos zustimmen kann (auch weil ich ihn selbst hatte, bevor ich ihn da las), ist der von Henderson zu Bo Oliver. Wohlgemerkt ist Henderson die athletischere und schnellere Version vom Bodozer. Elite footwork mit einer unglaublich hohen Kadenz, dadurch kann er sehr viele Hits absorbieren. Trotz 5‘7 zunächst mal ein Inside-Runner. Sehr kräftig, kämpft um jeden Zentimeter. Fällt fast immer noch einszwei Yards nach vorne. Und das sieht oft unfassbar spektakulär aus. Absurd schneller Jump Cut mit sofortigem Richtungswechsel north-south. Weicht dadurch Defendern im Backfield immer wieder aus und vermeidet negative Plays. Kein übermäßiger Tänzer. Hinter großen Linern kaum zu erkennen, Defender haben teilweise arge Probleme, ihn auszumachen. Wenn die Lücke da ist, hat er einen Burst, der an eine abgefeuerte Kanonenkugel erinnert. Gefährlich im open field durch eine Vielzahl von Moves. Oft gute Vision, aber es gibt Ausnahmen, in denen er die Cutback Lane zu spät wahrnimmt. Für mich ist Henderson sowohl in ZBS als auch im Gap/Power-Scheme einsetzbar
Level of competition ist natürlich ein Fragezeichen, aber er hat eben auch gegen ND State (die IMO eine Defense auf dem Level eines leicht unterdurchschnittlichen Power-5 Teams haben) dominiert. Kämpfte in der Saison mit einer Schulterverletzung, die ihn eventuell etwas fallen lassen könnte (Verletzungen werden bei undersized Runnern natürlich besonders intensiv gecheckt). Und er ist eben nicht mehr der jüngste mit 24 Jahren, aber in diesen Regionen sollte man eh nicht zwangsläufig mit langen Karrieren rechnen.
Zwar sind die Bills zunächst mal gut mit Shady, Gillislee und Williams aufgestellt, aber es gab schon Gerüchte über McCoys Salary (die aber schnell wieder ausgeräumt wurden), zudem ein neues Scheme. Mit dem letzten Pick wollte ich daher hier die Competition noch etwas anheizen. Und den Bills einen tollen Spieler sichern.