Season-Preview 16-17 Cleveland Browns
Rückblick auf 2015
Aus Sicht der Browns-Fans würde man diese Saison gern ganz schnell vergessen. Um das Desaster in Zahlen auszudrücken:
Offensive-Stats:
- 3-13 Record, davon 1-5 in der eigenen Division
- 17,4 Points per Game – Platz 30 in der NFL
- Turnover-Ratio -9 – Platz 28
- Passing-Offense Platz 20
- Rushing-Offense Platz 21
Defense-Stats:
- 379 Yard per Game zugelassen (Platz 27)
- 27 Points per Game zugelassen (Platz 29)
- 29 Sacks in der gesamten Saison (Platz 28)
- 128,4 Rushing Yards zugelassen (Platz 30)
- 250.8 Yards Passing zugelassen (Platz 22)
Kurz gesagt – eine einzige Katastrophe, gekrönt von den Eskapaden des Erstrundenpicks von 2014 – Johnny Manziel. Keine Frage – so durfte es nicht weiter gehen…
Der Umbruch à la Moneyball
Die logische Konsequenz nach der Katastrophensaison – Head Coach Mike Pettine wird nach zwei Jahren und einem 10-22 Record entlassen. Zudem muss auch GM Ray Farmer seinen Posten räumen – wenig überraschend nach den desaströsen Draft-Entscheidungen um Johnny Manziel, Justin Gilbert (#8 overall) oder dem Signing von WR Dwayne Bowe, der letztlich für 5 Catches und 53 Yards stolze 12,5Mio. Gehalt kassierte.
Der Umbruch war beschlossen – die neue Ausrichtung kann mit einem Wort (sehr überspitzt) zusammengefasst werden: MONEYBALL. Im Januar verpflichtete man den Analytics-Experten Paul dePodesta von den New York Mets (ja nicht die Jets – sondern das Baseball-Team) als Chief Strategy Officer. Die Mission ist klar – weg von verblendeten Draft Picks wie Johnny Football hin zu statistikbasierten, opportunistischen Entscheidungen. Zusammen mit dem neuen GM Sashi Brown soll ein neues Roster langfristig aufgebaut werden. Diese neue Strategie wurde beim Draft deutlich sichtbar.
Der Draft – oder auch „Give me some Picks“
Dank des 3-13 durfte man an Nr.2 wählen – bei zwei vielversprechenden College-QB´s nach guter alter Browns-Tradition eigentlich keine Frage, dass man davon den zukünftigen Franchise-QB wählt (und vermutlich davon genau den einen Draft-Bust erwischt) – doch falsch gedacht. Man verpflichtete bereits vor dem Draft den aus Washington entlassenen Robert Griffin III für vergleichsweise kleines Geld. Ein Risiko, doch mit Josh McCown hat man einen erfahrenen Game-Manager in der Hinterhand – und RG3 hat zweifellos jede Menge Upside, wenn er an seine phänomenale Rookie-Saison von 2012 auch nur ansatzweise anknüpfen kann. Nachdem die Titans den Nr.1-Pick an die Rams verkauften, entschied man sich den Nr.2-Pick an die Eagles zu verkaufen – und bekam dafür wertvolle zukünftige Picks (1st in 2017, 2nd-Rounder in 2018). Doch damit nicht genug – während des Drafts tradeten die Browns noch weitere Male und sicherten sich so auch noch einen zusätzlichen 2nd-Rounder der Titans in 2017 und weitere Picks im diesjährigen Draft. Durch diese Taktik erhielten die Browns insgesamt 14 (!) neue Rookies.
- WR Corey Coleman(first round, 15th overall)
- DE Emanuel Ogbah (second round, 32th overall)
- DE Carl Nassib (third round, 65th overall)
- OT Shon Coleman(third round, 76th overall)
- QB Cody Kessler(third round, 93rd overall)
- OLB Joe Schoebert (fourth round, 99th overall)
- WR Ricardo Louis(fourth round, 114th overall)
- S Derrick Kindred(fourth round, 129th overall)
- TE Seth de Valve (fourth round, 138th overall)
- WR Jordan Payton(fifth round, 154th overall)
- OT Spencer Drango(fifth round, 168th overall)
- WR Rashad Higgins (fifth round, 172nd overall)
- CB Trey Caldwell (fifth round, 172rd overall
- LB Scooby Wright III(seventh round, 250th overall)
Die Verjüngungskur wurde bereits vorab eingeleitet. Die namhaften Abgänge waren entweder Ü30, passten nicht in die neue Ausrichtung, oder wollten schlicht weg von der Franchise. Von den Abgängen sind insgesamt 6 Starter zu ersetzen, davon der Pro-Bowl-Center Alex Mack, zudem einen der am besten bewerteten RT mit Schwartz, sowie den Top-WR-Receiver der letzten Saison (Benjamin). Die namhaftesten Abgänge waren:
- C Alex Mack (30) @ Atlanta Falcons
- OT Mitchell Schwartz (27) @ Kansas City Chiefs
- S Donte Whitner (31) unsigned FA
- DL Randy Starks (32) unsigned FA
- LB Craig Robertson (28) @ New Orleans Saints
- QB Johnny Manziel (23) unsigned FA
- S Tashaun Gipson (26) @ Jacksonville Jaguars
- LB Karlos Dansby (34) @ Cincinnati Bengals
- WR Travis Benjamin (26) @ San Diego Chargers
- WR Dwayne Bowe (31) unsigned FA
Dafür begrüßen wir unter anderem folgende neue Spieler:
- QB Robert Griffin III (26, Washington Redskins)
- LB Demario Davis (27, New York Jets)
- S Rahim Moore (26, Houston Texans)
- LB Justin Tuggle (26, Houston Texans)
- OLB Jackson Jeffcoat (24, Washington Redskins)
- OT Alvin Bailey (24, Seattle Seahawks)
- CB Eric Patterson (23, St.Louis Rams)
- CB Jamar Taylor (25, Miami Dolphins)
Was ist auffällig? Man verpflichtete keine großen Namen für großes Geld, sondern mehrheitlich „gescheiterte Spieler“. Egal ob RG3, Jamar Taylor, Alvin Bailey oder Rahim Moore – es fällt auf, dass sich fast alle Neuverpflichtungen beim vorherigen Klub nicht durchsetzen konnten, beziehungsweise nicht komplett überzeugen konnten. Die Neuausrichtung geht also eindeutig über den Draft und weniger über Free-Agent-Verpflichtungen (zumindest in dieser Off-Season).
In Hue we believe.
Der vielleicht größte Hoffnungsträger des Umbruchs ist der neue Head-Coach. Hue Jackson (50) soll es richten. Es ist erst sein zweiter Job als Head-Coach – bei den Oakland Raiders wurde er nach nur einer Saison entlassen, obwohl sein Record mit 8-8 keinesfalls komplett enttäuschte. Bekannt dürfte er auch dafür sein, dass er QB´s aufbauen kann – etwas das er bei den Browns zweifellos auch schaffen muss. Seine Vita liest sich vielversprechend mit dem Aufbau von Joe Flacco (2008, Ravens) und Andy Dalton (2012-2015, Bengals) zu mehr als passablen QB´s. Seine positive Energie ist sein Markenzeichen – ein Coach der leidenschaftlich trainiert und selbiges von den Athleten erwartet. Einen größeren Gegensatz zum vorherigen Coach Mike Pettine könnte es kaum geben. Ihm assistieren unter anderem ein altbekannter Defensivcoach mit Ray Horton, der schon 2013 die Defense koordinierte, sowie Pep Hamilton (Offensive Coordinator, vorher Indianapolis Colts).
Training Camp – feeling the Energy…
Seit Day 1 ist klar – hier weht ein neuer Wind (und das nicht nur wegen des miesen Wetters der ersten Tage). Aus dem Camp sind größtenteils positive Schlagzeilen zu hören. Die wichtigsten Erkenntnisse sind folgend zusammengefasst:
- RGIII mit Auf und Ab: Von Anfang an ist klar, dass Hue Jackson auf Griffin setzt. Zusammen mit dem QB-Coach werden die Basics neu eintrainiert. Es gilt Sicherheit zu gewinnen – und Fortschritte sind klar erkennbar. Noch vor dem ersten Preseason-Game wird er zum Starter ernannt.
- Hue Jackson betont die Bedeutung des Running-Games: Die noch unsichere QB-Situation macht das auch notwendig. Die RB´s Crowell und Duke Johnson sind gefordert – und hinterlassen positive Eindrücke. Der große schwarze Fleck: Crowells Social Media Aussetzer um die Polizistenmorde in Dallas. (Link zum Vorfall)
- Die WR machen richtig Spaß: 1st-Round-Pick Coleman besitzt Superstar-Potential und wird der klare WR1 (zumindest bis Josh Gordon zurückkehrt), Terrelle Pryor scheint die Transition vom QB endgültig geschafft zu haben und ist die größte positive Überraschung des Camps. Auch die anderen Rookies wie „Hollywood Higgins“ deuten Potential an, mit dem sich arbeiten lässt.
- Defensiv-Sorgen: Ohne Pads hat die Defense naturgemäß Probleme. Dennoch wird schnell klar, dass sowohl der Pass-Rush, als auch die Cornerback-Situation problematisch werden könnte. Justin Gilbert (1st Rounder von 2014) überzeugt immer noch nicht. Nach der schweren Verletzung von D.Bryant müssen die Rookies schon früh in Starter-Rollen und für Druck sorgen.
- Keine feste O-Line: Joe Thomas (LT), Bitonio (LG), Cam Erving (C), und John Greco (RG) haben ihre Plätze sicher. Die RT-Position dagegen ist hart umkämpft und zweifellos der Schwachpunkt. Alvin Bailey (von den Seahawks), Austin Pasztor, sowie die Rookies Shon Coleman und Spencer Drango liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das wohl erst in den Preseason-Games entschieden wird.
- Flexibility: Unter Hue Jackson und RGIII wird klar – es wird deutlich kreativer und spektakulärer, was die Spielzüge angeht. Trick-Plays, Read-Options, Screens etc. beleben das Offensiv-Spiel und machen die Offense unberechenbarer.
Der Blick in die Glaskugel: Den Browns gehört die Zukunft – aber nicht die Gegenwart…
Eine Franchise am Anfang des Wandels – da kann nicht alles rosarot sein. Laut den Experten-Prognosen schneiden die Browns fast in allen Kategorien auf den letzten Plätzen ab: QB, Defense, Offensive Triplets…die Buchmacher aus Las-Vegas geben den Browns 4 Siege in dieser Saison. Was sollten daher realistische Erwartungen an ein Team sein, dass voraussichtlich auf den Skill-Positions QB, WR, DE und S generalüberholt ist?
Hue Jackson wird klar sein, dass dies Zeit braucht – dennoch soll die Siegermentalität schnell her. Schon bei Dienstantritt im Januar sagte der Headcoach:
'We're chasing greatness; we want to go to the Super Bowl -- and win'
Jedem realistischen Browns-Fan ist jedoch klar: Schon eine 7-9 oder 6-10 Saison alles andere als schlecht wäre. Die Ziele sind abseits von der reinen Bilanz zu suchen:
- ENDLICH Konstanz auf der QB-Position
- Jimmy Haslam sei Geduld geschenkt
- Fortschritte in der Defense: Vor allem gegen den Run gilt es die katastrophalen Leistungen zu verbessern
- Die Skill-Positionen entwickeln: Auch wenn das in der Feststellung endet, dass im aktuellen Roster auf diesen Positionen kein ausreichendes Potential besteht (zum Beispiel bei den Cornerbacks). Dafür sind zukünftige Drafts dank der vielen Picks ein probates Mittel. Es gilt daher auch frühzeitig diese Schwachstellen zu finden und durch exzellentes Scouting in den nächsten Drafts zu eliminieren.
Was lässt der Schedule zu?
Week | Game | Winning Chance | Optimistische Prognose |
1 | @ Eagles | 50 % | 1-0 |
2 | vs. Ravens | 55 % | 2-0 |
3 | @ Dolphins | 40 % | 2-1 |
4 | @ Washington | 35 % | 2-2 |
5 | vs. Patriots | 20 % | 2-3 |
6 | @ Titans | 50 % | 3-3 |
7 | Wolverine | 30 % | 3-4 |
8 | vs. Jets | 40 % | 4-4 |
9 | vs. Cowboys | 45 % | 5-4 |
10 | @ Ravens | 40 % | 5-5 |
11 | vs. Steelers | 40 % | 5-6 |
12 | vs. Giants | 40 % | 5-7 |
13 | BYE | - | - |
14 | vs. Bengals | 50 % | 6-7 |
15 | @ Bills | 45 % | 6-8 |
16 | vs. Chargers | 60 % | 7-8 |
17 | @ Steelers | 30 % | 7-9 |
Die Bewertungen sind natürlich subjektiv und auch nur ansatzweise realistisch, wenn RGIII überzeugt (und unverletzt bleibt), das junge WR/RB-Corps für Furore sorgt und die Defense das Team zumindest im Spiel hält. Dazu müssten die Browns auch alle Spiele gewinnen, die ich persönlich als 50-50 ansehe. Speziell der Start ist recht optimistisch. Hier darf gern diskutiert werden, wie ihr die Chancen der Browns einschätzt.
Abschließend folgt eine zusammenfassende Analyse der Stärken und Schwächen der Cleveland Browns:
Stärken
- Der Receiving-Corps: In der letzten Saison noch undenkbar – sind die Receiver diese Saison wohl der spannendste und aussichtsreichste Teil. Corey Coleman deutet ein riesiges Potential an, Josh Gordon arbeitet auf ein Comeback, Terrelle Pryor kann mit seiner Größe und Athletik eine Waffe sein. Mit Barnidge hat man dazu einen TE, der bereits letzte Saison trotz katastrophaler QB-Situation fast 1000Yards produzierte. Nicht zu vergessen ist Duke Johnson, der RB ist mit starken Händen eine zusätzliche Anspielstation.
- The Coaches: Es sagt einiges aus, wenn die Coaches hier genannt werden (müssen) – aber ein Großteil der Hoffnung beruht auf Hue Jackson und Co. Mit Al Sanders hat man einen der besten WR-Coaches. Ray Horton gehört zu den besseren Defensive-Coaches, dem schon Head-Coach-Potential nachgesagt wird
- Die O-Line: Vor einem Jahr hatte man mit Alex Mack und Mitchell Schwartz noch eine Top-5-Offensive-Line, zumindest was das Renommee angeht. Cam Erving muss als Center liefern. Die RT-Position macht Sorgen. Ansonsten ist dank Joe Thomas und Co. die O-Line einer der stärkeren Mannschaftsteile. Das ist auch wichtig, um RG3 vor zu viel Pressure zu bewahren und dem Running-Game eine Chance zu geben.
- Running-Game: Das Duo Crowell/Johnson ist zweifellos kein Top-Duo, dennoch ist das Running-Game eher eine Stärke als Schwäche. Hinter einer starken O-Line sollten sich Räume bilden. Beide Backs zeigten schon letzte Saison gute Ansätze, sollte die Entwicklung so weitergehen kann man hier einiges erwarten.
Die offensichtlichsten Schwächen:
- Defensive Backs: Joe Haden noch verletzt (grad frisch aktiviert von der PUP), Justin Gilbert aktuell eher ein Cut-Kandidat, T.Williams nach einer Katastrophen-Saison und über 30 dennoch wahrscheinlich ein Starter. Es sieht nicht gut aus. Die starken Leistungen der WR im Camp sind letztlich auch nur durch die mäßigen Leistungen der Defense möglich. Gegen den Pass wird es ganz schwer – zumal Top-Passing Teams wie die Steelers, Patrionts, Redskins, Giants oder Chargers auf der Schedule häufiger auftauchen.
- Pass-Rush: Wieder die Defense – und diese beiden Probleme hängen zusammen. Ray Horton (DC) antwortete nach den ersten Tagen im Camp auf die Frage von Reportern, wo der Pass-Rush herkommen soll: „Honestly, I don´t know.“ Es wird nach der Verletzung von D.Bryant neben einem Paul Kruger nur über die jungen Wilden gehen können. Ogbah, Nassib, Orchard oder Cooper geben Hoffnung – aber nicht mehr. Extrem viel QB-Pressure ist von den Browns nicht zu erwarten – leider.
- QB: Ich schreibe das ungern, aber aktuell muss man diese Position noch als Schwachpunkt nennen. RG3 muss liefern. Die Berichte vom Camp zeigen, dass die Accuracy längst noch nicht ideal ist. Dazu kommt die Verletzungsanfälligkeit. Zumindest hat man mit McCown einen erfahrenen QB in der Hinterhand, Rookie Cody Kessler scheint dagegen zwar sehr gut in der Accuracy zu sein – dafür fehlt ihm jedoch noch deutlich die Awareness.
- Run-Stoppage: Die Defense bleibt das größte Sorgenkind. Die Statistiken zeigten, dass man das gegnerische Running-Game kaum stoppen konnte. Ob das in dieser Saison besser wird ist zu hoffen – Zweifel bestehen jedoch weiter. Die Hoffnungen ruhen daher auf DC Ray Horton, sowie den Neuzugängen um Demario Davis, sowie auf schlichten Weiterentwicklungen der jungen Defensivspieler.
Das Fazit: It´s about becoming great – not being great right now.
Die Browns können kaum schlechter als die Erwartungen der Experten sein. Es gilt den Umbruch weiter zu gestalten – und dafür braucht es Konstanz um das Front-Office und das Coaching-Team. Man hat jede Menge junge, talentierte Spieler im Roster, die obwohl sie noch sehr roh sind, schon dieses Jahr reichlich Erfahrung sammeln werden. In den nächsten Jahren hat man jede Menge starker Draft-Picks – und spätestens 2018 sollte der Umbruch Früchte tragen. Geduld ist eine Tugend als Browns-Fan bei diesem spannenden Projekt.
Ich würde mich freuen, wenn ihr fleißig diskutiert, Fehler anmerkt (ich bin noch nicht sooo lang Football-Fan und lerne immer gern dazu) und eure Einschätzungen äußert. Also - wie sieht ihr die Entwicklung der Browns in 2016? Da ich vieles noch vor dem ersten Preseason-Game geschrieben habe, gilt es zudem Updates nach den Erkenntnissen der Spiele einfließen zu lassen.
Beste Grüße,
Mike