Kindererziehung und das deutsche Schulsystem

  • Vorsicht, programmieren ist nicht gleich Informatik. Genauso wenig wie 10 Finger schreiben oder der Umgang MS Office, was hier viel zu lange in IT auf dem Lehrplan steht. Sicher wäre es wünschenswert, wenn auch programmiert wird, und generell praktisch an Rechnern gearbeitet wird, aber Informatik kann auch einfach die Funktionsweise eines Rechners erklären, das geht sogar ganz ohne Hardware, wenn es sein muss.

    Ist mir völlig bewusst.

    Man kann auch mit pseudo Code arbeiten oder graphentheorie betreiben.

    Gerade deswegen wundert mich ja die Aussage bezüglich der fehlenden Infrastruktur.

  • Ist mir völlig bewusst.

    Man kann auch mit pseudo Code arbeiten oder graphentheorie betreiben.

    Gerade deswegen wundert mich ja die Aussage bezüglich der fehlenden Infrastruktur.

    Also ich bin da didaktisch nicht wirklich drin aber ist dieses theoretische Lernen denn wirklich möglich bzw sinnvoll wenn man nicht grundsätzlich mit einem Computer/Rechner etc. umgehen kann?

    Mit sinnvoll meine ich dabei auch motivierend und damit praktisch.

    Vielleicht sollten wir tatsächlich erstmal klären, was wir unter Informatikunterricht verstehen bzw. was die Zielgruppe ist.

    Um noch kurz zu erklären, was ich mit Infrastruktur meine:

    An meiner Schule gibt es "informatorische Grundbildung" ab der 6. Klasse. Das ist jetzt für den Bereich Infrastruktur relativ egal, aber eins der zentralen Probleme (und da habe ich Informatik tatsächlich fälschlicherweise zu sehr mit Digitalisierung vermischt) ist halt immer und immer wieder der Punkt Internet. Und das ist ganz zuverlässig immer dann weg wenn zu viele Klassen gleichzeitig auf das Netzwerk zugreifen.

    Zudem (und das passiert in Schulen tatsächlich sehr sehr häufig) gehen immer da wo Schüler praktisch arbeiten Dinge kaputt. Es dauert einfach i.d.R. viel zu lang um Dinge zu ersetzen weil auch die Infrastruktur für Support nicht sehr stark ausgebaut ist. Das führt wiederum dazu, dass man ständig davon ausgehen muss den Unterricht mit zu wenigen Endgeräten anzugehen.

    Also kurz gesagt: Infrastruktur bedeutet für mich Netzwerk, Support aber teilweise auch Hardware.

  • Digitalisierung ist ja grundsätzlich etwas ganz anderes als Informatik.

    In der Informatik lernt man zb Algorithmen, Datenstrukturen, objektorientierte Programmierung uvm. Das alles geht aus meiner Sicht komplett ohne Internet.

    Ein Rechner zur praktischen Umsetzung ist dabei sinnvoll, aber auch nicht in jeder Stunde absolut notwendig.

    Programmieren kann man selbst auf einem alten C64 ..

  • Digitalisierung ist ja grundsätzlich etwas ganz anderes als Informatik.

    In der Informatik lernt man zb Algorithmen, Datenstrukturen, objektorientierte Programmierung uvm. Das alles geht aus meiner Sicht komplett ohne Internet.

    Ein Rechner zur praktischen Umsetzung ist dabei sinnvoll, aber auch nicht in jeder Stunde absolut notwendig.

    Programmieren kann man selbst auf einem alten C64 ..

    Da hatte ich ja bereits gesagt, dass ich das (in Bezug auf den Punkt Infrastruktur) fälschlicherweise vermischt hatte.

    Du hast mich aber neugierig gemacht. Wäre so ein Unterricht denn auch sinnstiftend? Sprich: Wäre der Transfer vom C64 auf heutige Geräte ohne weiteres möglich? Liefert ein Unterricht wie du ihn beschreibst genug Anknüpfungspunkte? Und über welche Jahrgangsstufen sprichst du?

    Mich macht halt etwas stutzig, dass du von nicht absolut notwendig sprichst. Quervergleich zu meinem Fach Physik: Eine gut ausgestattete Sammlung mit vielen Experimentiermöglichkeiten ist nicht zwingend erforderlich. Ich könnte das alles auch theoretisch reinprügeln. Das würde die Motivation aber gegen Null laufen lassen. Und wäre uns wirklich geholfen wenn wir ein solches Fach flächendeckend einführen, die Kinder aber total abgeschreckt wären weil es staubtrocken ist?

    Ganz davon abgesehen, dass alle Theorie schön und gut ist. Es bringt aber überhaupt nichts wenn die praktische Anwendung zu kurz kommt.

  • Gehen wird das schon ... wenn man Ende nur die Enthusiasten behalten möchte.

    Wobei ich auch eher in Richtung Digitalisierung als Informatik plädieren würde.

    Warum man wann objektorientiert und wann Prozeduren programmiert, was eine Rechnerarchitektur ist, warum man bytes nicht 1 zu 1 über eine Signalleitung schicken sollte, sondern kodiert, sind zwar Themen in der Informatik, aber glaube nicht, dass mit weiter voran schreitender Digitalisierung eine Art Allgemeinwissen werden müsste.

    Dann eher der generelle Umgang im Zusammenhang mit der Digitalisierung, platt gesagt: Möglichkeiten und Risiken. Gerne auch fächerübergreifend (z.B. Mathe zum Verschlüsselung).

  • Da hatte ich ja bereits gesagt, dass ich das (in Bezug auf den Punkt Infrastruktur) fälschlicherweise vermischt hatte.

    Du hast mich aber neugierig gemacht. Wäre so ein Unterricht denn auch sinnstiftend? Sprich: Wäre der Transfer vom C64 auf heutige Geräte ohne weiteres möglich? Liefert ein Unterricht wie du ihn beschreibst genug Anknüpfungspunkte? Und über welche Jahrgangsstufen sprichst du?

    Viele grundsätzliche Prinzipien, wie zb Schleifen, Bedingungen oder rekursion sind unabhängig von der Programmiersprache.

    Ich habe auf einem c64 mein erstes Programm im Grundschulalter geschrieben.

    Der Übertrag ist aus meiner Sicht auf jeden Fall gegeben, zumal der c64 jetzt ein extrembeispiel ist, an dem man sich bitte nicht aufhängen soll.

    Ein C Compiler läuft auf alten Geräten genauso wie auf neueren.

    Und ja, die Möglichkeit der praktischen Umsetzung ist auf jeden Fall sehr hilfreich. Aber wie gesagt, dafür braucht es gar nicht so viel Infrastruktur.

    Der nächste Level wäre eigentlich erst, wenn man mit Datenbanken spielen will. Aber auch dafür braucht man kein Internet.

  • Gehen wird das schon ... wenn man Ende nur die Enthusiasten behalten möchte.

    Wobei ich auch eher in Richtung Digitalisierung als Informatik plädieren würde.

    Warum man wann objektorientiert und wann Prozeduren programmiert, was eine Rechnerarchitektur ist, warum man bytes nicht 1 zu 1 über eine Signalleitung schicken sollte, sondern kodiert, sind zwar Themen in der Informatik, aber glaube nicht, dass mit weiter voran schreitender Digitalisierung eine Art Allgemeinwissen werden müsste.

    Dann eher der generelle Umgang im Zusammenhang mit der Digitalisierung, platt gesagt: Möglichkeiten und Risiken. Gerne auch fächerübergreifend (z.B. Mathe zum Verschlüsselung).

    Aspekte der Digitalisierung, zb Umgang social media, fake news etc, sind wichtig.

    Ich halte es aber für ebenfalls wichtig, die Informatik stärker zu fördern.

    Software Entwickler werden weiterhin ohne Ende gesucht, vor allem gute.

    Du brauchst mittlerweile in sehr vielen Berufen ähnliche skills.

    Sei es der spieleentwickler, der web designer, der app entwickler, der cad zeichner, architekten, etc

    Informatik sollte stärker in den Vordergrund rücken, anstatt als Nebenfach unter den Nebenfächern unterzugehen bzw als Fach für Enthusiasten aka nerds zu gelten.

  • Sei es der spieleentwickler, der web designer, der app entwickler, der cad zeichner, architekten, etc

    Informatik sollte stärker in den Vordergrund rücken, anstatt als Nebenfach unter den Nebenfächern unterzugehen bzw als Fach für Enthusiasten aka nerds zu gelten.

    Das beißt sich aber ein bisschen mit "geht auch auf einem C64 und sonst theoretisch".

    Natürlich geht das, aber da wirst du nicht die breite Masse abholen. Ich versuche meiner Tochter das ganze aktuell über Scratch näher zu bringen. Wenn ich meinen alten 386er aus dem Keller entstauben würde, wäre das ganze Thema "Informatik näher bringen" direkt gescheitert.

    Ob das eine gute Entwicklung ist oder nicht, aber auch heutige Programmierer (teilweise Personen aus deinem Beispiel) brauchen eigentlich gar nicht mehr viel über Speicherverwaltung ect. Wissen. Das ist je nach Framework soweit abstrahiert, dass selbst wenn das kaum Nutzen hätte.

    Natürlich hat das weiterhin Vorteile es zu wissen und öffnet einem auch mehr Möglichkeiten, aber finde, dass das kein "Muss" Wissen ist für andere Berufe, auch wenn dort Digitalisierung/Informatik immer wichtiger wird.

  • Das beißt sich aber ein bisschen mit "geht auch auf einem C64 und sonst theoretisch".

    Natürlich geht das, aber da wirst du nicht die breite Masse abholen. Ich versuche meiner Tochter das ganze aktuell über Scratch näher zu bringen. Wenn ich meinen alten 386er aus dem Keller entstauben würde, wäre das ganze Thema "Informatik näher bringen" direkt gescheitert.

    Nochmal .. hängt euch nicht zu sehr an c64 und 3x86er auf .. das sind extrembeispiele

    Es ging um die Anforderungen an die IT Infrastruktur. Und die sind zb auch für scratch nicht so hoch, dass man ständig laufendes Internet, neueste tablets und serversysteme braucht.

    Zitat

    Ob das eine gute Entwicklung ist oder nicht, aber auch heutige Programmierer (teilweise Personen aus deinem Beispiel) brauchen eigentlich gar nicht mehr viel über Speicherverwaltung ect. Wissen. Das ist je nach Framework soweit abstrahiert, dass selbst wenn das kaum Nutzen hätte.

    Natürlich hat das weiterhin Vorteile es zu wissen und öffnet einem auch mehr Möglichkeiten, aber finde, dass das kein "Muss" Wissen ist für andere Berufe, auch wenn dort Digitalisierung/Informatik immer wichtiger wird.

    Ich habe mal einen Link zu der Stundentafel am Gymnasium G9 in NRW rausgesucht:

    Stundentafel Gymnasium | Bildungsportal NRW

    Wenn ich dieses stundentafel Ding richtig verstehe, so heißt das, dass Informatik während der gesamten sek I irgendwo im wahlpflicht stattfindet, während alle anderen Themen mandatory Wochenstunden haben.

    Das ist mir einfach zu extrem.

  • aber auch heutige Programmierer (teilweise Personen aus deinem Beispiel) brauchen eigentlich gar nicht mehr viel über Speicherverwaltung ect. Wissen.

    Da wage ich energisch zu widersprechen. Sie mögen heutzutage nicht mehr viel über Speicherverwaltung wissen, sollten es aber. Aus der Erfahrung sind 90+% aller Performanceprobleme auf schlechte Programmierung zurückzuführen. Leider ist die aktuelle Haltung der meisten Entscheider, dass entweder Hardware oder Parametrisierung schuld sein müssen. Wenn Sie statt dessen bei ihren eigenen Entwicklern ansetzen würden, wäre da sehr viel mehr zu erreichen.

    When I die and go to hell, hell will be a Brett Favre
    game, announced by the ESPN Sunday night crew,
    for all eternity. Paul Zimmerman

  • Da wage ich energisch zu widersprechen. Sie mögen heutzutage nicht mehr viel über Speicherverwaltung wissen, sollten es aber. Aus der Erfahrung sind 90+% aller Performanceprobleme auf schlechte Programmierung zurückzuführen. Leider ist die aktuelle Haltung der meisten Entscheider, dass entweder Hardware oder Parametrisierung schuld sein müssen. Wenn Sie statt dessen bei ihren eigenen Entwicklern ansetzen würden, wäre da sehr viel mehr zu erreichen.

    Um Gottes Willen genau das.

    Durch diese ganze Framework Nutzerei ohne jegliches Verständnis kommen wieder Probleme auf die ich gar nicht mehr kannte.

    Auf der anderen Seite Frage ich mich auch wie man den Leuten die Grundlagen zB in der Fachinformatiker Ausbildung überhaupt noch erklären soll.

    Wenn zu mir ein Azubi in die Abteilung kommen möchte muss ich im Prinzip voraussetzen, dass schon eine Menge Linux- und Automatisierungswissen da ist und auch die ganzen internen Tools einigermaßen bekannt sind, sonst müssen wir mit dem eigentlichen. Thema Datenbanken bei uns gar nicht anfangen.

    Vor 20 Jahren war das alles noch deutlich einfacher, da hat man aber auch nicht mit 4 Personen ~1000 Systeme betrieben

  • Schule ist aber erstmal keine Berufsausbildung. Und ein Großteil der Schüler wird auch in Zukunft keine IT-Systeme erstellen oder betreiben, oder wäre überhaupt jemals qualifiziert dafür. DIe Frage ist dann ja eher, was brauche ich an "Informatik" an Allgemeinbildung, bzw. wie wecke ich ggf. bei mehr Personen Interesse für das Thema um es später zu vertiefen.

    "Echte" Informatik würde ich insofern auch nicht vor der zehnten Klasse unterrichten, wenn entsprechende mathematische und physikalische Grundlagen da sind, und auch nicht als Pflichtfach.

    Was in früheren Klassen wirklich sinnvoll ist, da tue ich mich schwer.

  • ...

    ...

    Wie geschrieben, finde ich das auch eine eher weniger gute Entwicklung, aber zumindestens sehe ich die bei mir und Freundeskreis. Garniert mit Aussagen, dass das ja nicht mehr viel Aufwand sei, da man nur noch Frameworks "zusammen setzt".

    Aber war vielleicht auch etwas am Thema vorbei: es ging ja eher um die Frage, was davon in der Schule unterrichtet werden sollte. Und da finde ich diese speziellen Themen weiterhin nicht notwendig. Für die wirkliche fachlichen Vertiefungen (Ausbildung und Studium) aber definitiv.