• Also mal ganz im Ernst, die JF oder deren YT-Channel zu verlinken, gehts noch? Dein Versuch, dich hier als neutraler Beobachter zu gerieren, in allen Ehren, aber damit konterkarierst du das allumfassend.

    Sehr bedenklicher Post, der doch trotz seiner Kürze tief blicken lässt. Boykottierst du Footballspiele, die Fox überträgt? Hätte wenigstens ein Link zum Freitag eine ähnliche Reaktion bei dir ausgelöst?

  • Um mal wieder auf Tagwerk in der Politik zurückzukommen:
    Die SPD hat 2 Möglichkeiten zur Koalitionsbildung in MV, einmal weiter mit der CDU und einmal mit den Linken. Das ist vor allem aus der Sicht der beiden "Juniorpartner" ne ganz interessante Nummer, denn der kleinere Koalitionspartner zu sein, hat sich in der Vergangenheit eher selten positiv auf die nächste Wahl ausgewirkt. Man hat den Nachteil den Ministerpräsidenten nicht zu stellen (die Sympathiewerte für den SPD-MP waren ein Grund für das einigermaßen ordentliche Abschneiden der SPD) und kriegt demnächst dann trotzdem die "dagegen-Stimmung" ab. Sicherlich keine gute Situation in einer Demokratie, aber irgendwie wären beide besser dran, wenns der andere macht.

    -----------------
    It is time for us to do what we have been doing and that time is every day.

  • "Sie ist eine klassische Protestpartei, zwei Drittel ihrer Wähler gaben in der Infratest-Wahlanalyse an, die AfD aus Enttäuschung über die anderen Parteien gewählt zu haben. Nur 25 Prozent sagten, für sie seien AfD-Inhalte entscheidend gewesen." SPON

    Also die wählen aus all den zur Verfügung stehenden Parteien außerhalb des 'etablierten' CDU-bis-Linke-Spektrums zufällig dieselbe (Protest-)Partei, obwohl die Inhalte nicht entscheidend sind? Das ist logisch für mich nicht aufzulösen, ehrlich gesagt.

    Passt auch nicht so ganz zu deiner vorigen Aussage über Alternativen im Parteiensystem. Wollten die nun eine rechte Alternative wählen (sprich: Inhalte sind entscheidend) oder eher 'richtungslos' ihren Unmut über die Politik ausdrücken (sprich: Ich wähle keine der etablierten Parteien, sondern gar nicht, ungültig, die PARTEI, die Piraten, Tierschutzpartei, PBC, die Violetten o.ä.)?

    Zitat von Derek Brown

    Ich verstehe da dein Argument nicht. Bloß weil es unter den etablierten Parteien keinen kompletten Konsens gab, heißt das doch nicht, dass die linke Kritik, auf die du hier anspielst, eine wählbare Alternative für die Leute war, die heute AfD wählen. Wenn ein AfD-Wähler den alles links von der CSU schon als zu links empfindet, kann man ihn doch nicht damit trösten, dass es am linken Rand Leute gibt, die ebenfalls die Mitte kritisieren.

    Hier gings mir ja nicht um die AfD-Wähler an sich, sondern um das klassische Einheitsbrei-Argument, was sich in den letzten Jahren sukzessive ausgebreitet hat (wie gesagt, in den 00er Jahren habe ich das so eigentlich nur bei der NPD vorgefunden). Die Parteien von CSU bis Linke decken in allen möglichen Issues, auch in der Flüchtlingsfrage, einen riesigen politischen Bereich ab. Wer da undifferenziert von einer einheitlichen Position spricht, muss sich meiner Meinung nach zuallererst fragen, wie weit die Warte, von der aus er das als kaum unterscheidbar wahrnimmt, eigentlich entfernt ist.

  • Hätte wenigstens ein Link zum Freitag eine ähnliche Reaktion bei dir ausgelöst?

    Yes, die gute alte Totalitarismusthese :rockon: Wissenschaftlich zwar mindestens genauso randständig wie die Aids-Leugnung, aber an den Stammtischen weltweit unverändert virulent.

    Da stößt die Forschung (offenbar) an ihre (auch medialen) Grenzen und ich frage mich ehrlich, was man da noch machen kann.

  • Hier gings mir ja nicht um die AfD-Wähler an sich, sondern um das klassische Einheitsbrei-Argument, was sich in den letzten Jahren sukzessive ausgebreitet hat (wie gesagt, in den 00er Jahren habe ich das so eigentlich nur bei der NPD vorgefunden). Die Parteien von CSU bis Linke decken in allen möglichen Issues, auch in der Flüchtlingsfrage, einen riesigen politischen Bereich ab. Wer da undifferenziert von einer einheitlichen Position spricht, muss sich meiner Meinung nach zuallererst fragen, wie weit die Warte, von der aus er das als kaum unterscheidbar wahrnimmt, eigentlich entfernt ist.

    Ich verstehe dein Argument schon, nur taugt es nicht als Gegenargument gegen die These, dass es für AfD-Wähler unter den etablierten
    Parteien keine Alternative gibt. Wenn die Leute eben so weit vom Mainstream entfernt sind, das für sie Unterschiede kaum erkennbar
    oder irrelevant sind, sagt das in der Tat vor allem etwas über die Leute selber aus. Ich glaube, dass die Wähler das für sich auch so erkannt
    haben. Sie sehen die Schuld aber nicht bei sich, sondern den Parteien.

    Also die wählen aus all den zur Verfügung stehenden Parteien außerhalb des 'etablierten' CDU-bis-Linke-Spektrums zufällig dieselbe (Protest-)Partei, obwohl die Inhalte nicht entscheidend sind? Das ist logisch für mich nicht aufzulösen, ehrlich gesagt.

    Es ist natürlich nicht zufällig und wenn man eine so heterogene Wählerschaft wie die AfD hat, kann man die nicht völlig über einen Kamm
    scheren. Ich will die Frage aber mal anders herum drehen. Wenn die Inhalte so wichtig sind, warum wählen die Leute dann eine Partei,
    die in ihren Forderungen wie Abschaffung des Mindestlohns oder Abschaffung der Erbschaftssteuer so eklatant gegen ihre eigenen Interessen ist?

    Was sich hier zeigt, ist mE der gleiche Anti-Establishment-Trend, den wir nicht nur in den USA sehen. Die von dir aufgezählten Parteien
    finde ich da sehr hilfreich. Ich nehme mal die Die Partei. Die ist doch gerade keine Anti-Establishment-Partei, sondern eine
    sympathische Spielart des Systems. Studenten und andere Querköpfe machen sich da intelligent lustig. Dass sind doch genau die Typen,
    mit denen die Abgehängten nichts anfangen können. Frauen- oder Tierrechte? Auch das sind doch nicht Gegensätze zur, sondern Produkte der
    gesellschaftlichen Entwicklung, die die Abgehängten zu Verlierern macht. Da müsste man schon unglaubliche Selbstüberwindung zeigen,
    um die zu wählen.

    Und dann sollte man den Provokationsfaktor nicht unterschätzen. Kann man denn etablierten Parteien denn ernsthaft den Stinkefinger zeigen,
    wenn man Die Partei wählt. Wohl kaum. Das ist bei der AfD anders.

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Zumal die anderen Kleinparteien teilweise so "weltfremd" sind, dass das selbst jedem der kleingeistigen AfD-Wähler zu bescheuert erscheint oder er die Ironie nicht erkennt. Wo sind eigentlich die yogischen Flieger geblieben?

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    Der AfD hingegen muss man ja schon attestieren, dass sie es mal mehr und mal weniger schafft, scheinbare Gesellschaftsprobleme in marktschreierische Floskeln zu transformieren und dabei ganz gut quer durch die gesellschaftlichen Schichten fischen kann, ohne sich "doof" zu radikalisieren, wie es die Jungs noch weiter rechts davon schaffen.

    Dann mach ich eben mein eigenes Forum auf...mit Blackjack und Nutten!

    Einmal editiert, zuletzt von Buccaneer (5. September 2016 um 19:08)

  • Also die wählen aus all den zur Verfügung stehenden Parteien außerhalb des 'etablierten' CDU-bis-Linke-Spektrums zufällig dieselbe (Protest-)Partei, obwohl die Inhalte nicht entscheidend sind? Das ist logisch für mich nicht aufzulösen, ehrlich gesagt.
    Passt auch nicht so ganz zu deiner vorigen Aussage über Alternativen im Parteiensystem. Wollten die nun eine rechte Alternative wählen (sprich: Inhalte sind entscheidend) oder eher 'richtungslos' ihren Unmut über die Politik ausdrücken (sprich: Ich wähle keine der etablierten Parteien, sondern gar nicht, ungültig, die PARTEI, die Piraten, Tierschutzpartei, PBC, die Violetten o.ä.)?

    Hier gings mir ja nicht um die AfD-Wähler an sich, sondern um das klassische Einheitsbrei-Argument, was sich in den letzten Jahren sukzessive ausgebreitet hat (wie gesagt, in den 00er Jahren habe ich das so eigentlich nur bei der NPD vorgefunden). Die Parteien von CSU bis Linke decken in allen möglichen Issues, auch in der Flüchtlingsfrage, einen riesigen politischen Bereich ab. Wer da undifferenziert von einer einheitlichen Position spricht, muss sich meiner Meinung nach zuallererst fragen, wie weit die Warte, von der aus er das als kaum unterscheidbar wahrnimmt, eigentlich entfernt ist.

    Das stimmt nur, wenn man Deine Wahrnehmung als Maßstab nimmt. Ich habe eher den Eindruck, dass es einen relativ breiten Konsens gibt,
    wonach die etablierten Parteien in grundsätzlichen Fragen kaum noch unterscheidbar seien. Es ist zumindest bezogen auf SPD, CDU, CSU,
    Grüne und FDP auch mein Eindruck, dass man vergleichsweise geringe Unterschiede medial gewaltig aufbläst, um sich überhaupt noch vom
    politischen Gegner abzugrenzen. Man überlege einfach einmal, wie weit Union und SPD ursprünglich oder Union und Grüne Ende der
    70er/Anfang der 80er Jahre politisch auseinander lagen. Was ist seitdem passiert? Rot-Grün hat den ersten Auslandseinsatz der Bundeswehr
    legitimiert und eine Arbeitsmarktreform (Schlagwort: "Hartz IV") beschlossen, die mit der klassischen Gewerkschaftsorientierung der SPD kaum
    denkbar gewesen wäre. Die Grünen haben sich von einer auf Krawall gebürsteten APO zu einer liberal-bürgerlichen Partei entwickelt.
    Umweltschutz ist schon lange ein Thema aller Parteien geworden. Umgekehrt hat die Union zwischenzeitlich bei Themen wie Mindestlohn,
    Homo-Ehe, doppelter Staatsbürgerschaft oder Atomkraft eine 180°-Wende vollzogen. Von den bislang etablierten größeren Parteien bietet
    in erster Linie die Linke noch eine wenigstens teilweise deutlich wahrnehmbare Alternative, wobei gerade diese Partei in sich sehr zerstritten ist.

    Bei der AfD kommt m. E. mehreres zusammen, vor allem aber das in den letzten Jahrzehnten ständig gestiegene Protestpotential einerseits
    und das Besetzen von Meinungen zu zentralen Themen in der öffentlichen Diskussion, in denen die traditionellen Parteien einen in der Bevölkerung
    weit verbreiteten Standpunkt nicht oder nur ungenügend abbilden:

    Protestpotential:
    Es gibt eine breite Verärgerung über die (m. E. zu Recht, nach Deiner Einschätzung zu unrecht) als "Einheitsbrei" wahrgenommene Politik
    insbesondere von Union und SPD, die als traditionelle Volksparteien ihre klassischen Wählerschichten zunehmend verloren haben. Für FDP
    und Grüne dürfte das mit Einschränkungen auch gelten.
    "Früher" gab es relativ wenige Protestwähler/Protestwahlen - und wenn doch, dann fielen sie weniger auf. Denn Protest sammelt sich in
    erster Linie unauffällig im Bereich der Nichtwähler und kommt nur dann zum Vorschein, wenn eine Partei auftaucht, die thematisch spaltet
    und praktisch eine gewisse Bedeutung aufweist.
    In den ersten 50 Jahren der BRD wurden zwar gelegentlich vermehrt rechts- und linksextreme Parteien gewählt, aber nur ganz vereinzelt
    gelang einmal der Einzug in irgendwelche Parlamente. In einem weiteren Sinne könnte man noch die Grünen und die Linke als Protest-Parteien
    einstufen, die aber thematisch darüber hinaus gingen/gehen. Im Übrigen fiel der Protest nicht so sehr auf, weil viele Frustrierte zu den
    Nichtwählern abwanderten, weil sie kein klares Ventil hatten. Das ändert aber nichts daran, dass die Frustrierten durchaus sich bietende
    Gelegenheiten nutzen, ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. Die Tierschutzpartei oder die PBC kommen dafür mangels Relevanz nicht in Betracht.

    Unbesetzte bzw. als unbesetzt wahrgenommene Themen:
    In den 2000er Jahren war es zunächst die "Schill-Partei", in der das verbreitete Gefühl mangelnder "Härte" des Rechtsstaats zum Ausdruck kam.
    Das war zumindest für eine relevante Minderheit ein wichtiges Thema, man sah sich bei der Union mit diesem Thema nicht mehr ausreichend
    aufgehoben und die Partei wurde relevant. Damit war man zugleich für Protestwähler interessant.
    Ähnlich war es vor wenigen Jahren mit den Piraten, weil diese sich aus aktuellem Anlass vor allem des traditionell liberalen Themas "Datenschutz"
    bemächtigte und diese Theman bei den klassischen liberalen Parteien (FDP, Grüne) nicht ausreichend repräsentiert waren.
    Dann kam die AfD mit ihrer eurokritischen Haltung, die zumindest eine breite Minderheit in der Bevölkerung repräsentierte. Geiches gilt jetzt im
    Rahmen der Flüchtlingskrise. Es mag zwar einzelne abweichende Stimmen geben, aber in keiner der etablierten Parteien ist eine Position nennenswert
    oder glaubwürdig repräsentiert, die eine wenigstens grundsätzlich ablehnende Haltung in Bezug auf die Aufnahme von Migranten zum Gegenstand
    hätte. Diese Position hat aber in der Bevölkerung eine breite Basis. Es bleibt abzuwarten, ob es der AfD gelingen wird, den Status des "Schmuddelkindes"
    abzulegen und damit Protestwähler durch einen konservativen Wählerstamm zu ersetzen, oder ob sie in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wird,
    sobald sich der öffentliche Fokus auf andere Themen konzentriert.

    2 Mal editiert, zuletzt von Chief (5. September 2016 um 20:25)

  • Was heißt denn "demokratisch legitim"?

    Wenn man Demokratie als einen mehr oder weniger gleichberechtigten Abstimmungsvorgang zur Entscheidungsfindung auffasst (also ein rein prozedurales Demokratieverständnis aufweist), ist so ziemlich alles demokratisch legitim. Der Wähler kann dann ja in der Wahlkabine drüber abstimmen.
    Wenn man Demokratie allerdings inhaltlich begreift und sich an bedeutenden Demokratietheoretikern wie bspw. Robert Dahl orientiert, gehört zur Demokratie neben anderen Faktoren auch eine größtmögliche Inklusion. Da wirds dann schon enger mit menschenfeindlichen Aussagen, die gewisse Parteien immer und immer wieder von sich gegeben haben - von den mannigfaltigen strukturellen Verstrickungen in diverse Neonazisubkulturen ganz zu schweigen.


    Im übrigen finde ich diese geradezu manische Abwehrhaltung dagegen, dass es sich bei der AfD und ihren Wählern um Rechte oder Nazis handeln könnte, immer recht putzig: Neinnein, hört doch mal auf mit der Nazikeule, man ist nicht rechts, sondern höchstens "besorgt", und überhaupt: Nazis sind doch nur die, die den Adolf und die KZs cool finden.
    Sascha Lobo hat das bereits letztes Jahr pointiert formuliert:

    Die gesamte Kolumne ist recht lesenswert: Klick
    Quintessenz meinerseits: Man sollte die Aussagen analysieren und die Menschen daran messen. Und nicht daran, ob sie sich selbst als rechts oder sonstwas begreifen. Wenn es historische Kontinuitäten gibt, also Denkmuster, Ideologeme, Diskurse, die wieder aufgegriffen werden, muss man dies auch benennen können als das, was es eben ist. Entschuldigungen helfen hier nicht weiter. Klare Kante, deutliche Ansagen dagegen schon.

    Man kann gewiss viele Theorien aufstellen, aber "unsere" Demokratie sollte man m. E. am Grundgesetz messen, welches ihre Grundlage bildet.
    Danach kommt es in erster Linie auf den formalen Abstimmungsvorgang an. Illegitim im Sinne des Grundgesetzes sind lediglich Auffassungen, welche
    von der Verfassung als unveränderlich erachteten Prinzipien entgegen stehen.

    Auch die von Dir dargestellte Auffassung zur "Nazi-Keule" teile ich nicht. Wer den politischen Gegner als "Nazi" oder "rechtsextrem" tituliert, will gezielt
    den Zusammenhang zum dritten Reich herstellen (und sich nebenbei einer inhaltlichen Auseinandersetzung entziehen, weil diese dann aufgrund der
    evident verabscheuungswürdigen Position des Gegners nicht erforderlich wäre). Dann muss er sich aber auch an diesen Maßstäben messen lassen. Gerade
    die inflationäre Verwendung von Vergleichen mit dem Nationalsozialismus ist im Grunde sogar kontraproduktiv, weil sie das damit verbundene Entsetzen
    relativiert und obendrein aufgrund der meist offenkundigen Unrichtigkeit des Vergleichs Trotzreaktionen hervorruft.

    3 Mal editiert, zuletzt von Chief (5. September 2016 um 20:29)

  • Das stimmt nur, wenn man Deine Wahrnehmung als Maßstab nimmt. Ich habe eher den Eindruck, dass es einen relativ breiten Konsens gibt,wonach die etablierten Parteien in grundsätzlichen Fragen kaum noch unterscheidbar seien.

    Es stimmt, dass diese Meinung überall verbreitet wird. Aber hält sie der Realität auch stand? Nehmen wir doch die Flüchtlingsfrage: Vom linken Flügel der Linken, der "Kein Mensch ist illegal" und "Für freies Fluten" propagiert, bis zur Seehofer'schen CSU ist eine solche Bandbreite abgedeckt, die man etwa zur Gastarbeiterfrage der 50er und 60er Jahre vergeblich gesucht hat. Fun fact: Wenn ich mich richtig erinnere, war damals eine Mehrheit der Deutschen gegen Gastarbeiter. Guess what? Sie wurden nicht politisch repräsentiert. Der Aufstieg der NPD in den 60er Jahren hatte zum allergrößten Teil andere Gründe.
    Ich glaube in den großen Narrativen waren sich CDU/CSU, SPD und FDP auch seinerzeit gar nicht so unähnlich, wie sie es gerne dargestellt hätten (Ausnahmen existieren natürlich, aber das gilt auch für heute). Ansonsten ist wohl auch kaum der mehrfache Wechsel der FDP von CDU zu SPD und wieder zurück (mit Ausnahme von drei Jahren großer Koalition) zu erklären - ihr gesamtes Personal haben sie jedenfalls nicht mehrfach ausgetauscht. Der Unterschied zu heute bestand IMO eher in der Existenz politischer Großmilieus, die sich qua historischer Traditionslinien der einen oder anderen Partei zugehörig fühlten - auch wenn sie in einzelnen Punkten wie etwa der Gastarbeiterfrage eine konträre Position einnahmen. Das Aufbrechen der traditionalen Bindungen im Zuge von Modernisierung und Individualisierung (eben die Beck'sche reflexive Modernisierung) hat sukzessive auch zu einer verringerten Strahlkraft der großen Parteien geführt. Dass diese sich darüber hinaus von ihrem alten Wählerstamm entfernt haben, ist sicher ebenfalls zu beachten, aber dies als alleinigen Grund anzuführen, greift IMO zu kurz.

    Zitat

    Es ist zumindest bezogen auf SPD, CDU, CSU, Grüne und FDP auch mein Eindruck, dass man vergleichsweise geringe Unterschiede medial gewaltig aufbläst, um sich überhaupt noch vom politischen Gegner abzugrenzen. Man überlege einfach einmal, wie weit Union und SPD ursprünglich oder Union und Grüne Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre politisch auseinander lagen.

    Kommt aber auch immer drauf an, welche Zeitspanne man nimmt. DIe CDU der ersten Jahre unterschied sich vom Sozialmilieu ihrer Klientel zwar deutlich von der SPD, man kann aber nicht behaupten, dass sie in jedem Punkt wesentlich konservativer als heute war. Kostprobe aus dem Ahlener Programm von 1947 gefällig?

    Zitat von CDU - Ahlener Programm

    Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.
    Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.

    Okayyyyy :eek:

    Von daher würde ich hier weniger von einer linearen Entwicklung ausgehen, nach der die CDU im Laufe ihrer Geschichte zwangsläufig immer liberaler geworden ist. Zumindest, was Wirtschafts- und Sozialpolitik angeht, kann man das so sicherlich nicht behaupten (die 70er Jahre-CDU war auch deutlich weniger neoliberal geprägt als die der 90er bspw.). In einem anderen Punkt ist dem aber zuzustimmen:

    Zitat

    Umgekehrt hat die Union zwischenzeitlich bei Themen wie Mindestlohn, Homo-Ehe, doppelter Staatsbürgerschaft oder Atomkraft eine 180°-Wende vollzogen.

    Die Homo-Ehe ist ein gutes Beispiel für eine gesellschaftlich-kulturelle Liberalisierung, wie sie - zwar oft sehr langsam, aber stetig - spätestens seit der Moderne stattfindet und auch künftig noch stattfinden wird - vielleicht in Punkten, für die wir jetzt noch gar nicht sensibilisiert sind. Es ist richtig, dass die Union hier eine (zumindest partielle) Wende vollzogen hat. Allerdings stellt sich diesbezüglich die Frage, wie lange man sich gegen eine Entwicklung stemmen kann, die - seien wir ehrlich - nicht aufzuhalten sein wird - und was viel wichtiger ist: retrospektiv oft sehr schnell sehr vorgestrig wirkt. Schauen wir uns doch mal den Kuppeleiparagraphen an: Aus heutiger Sicht ist es unvorstellbar - und beinahe lachhaft! - welchen schwerwiegenden lebensweltlichen Eingriffen unverheiratete Paare ausgesetzt waren und wie viele weitere Personen sich bei Nichtbefolgung strafbar gemacht haben (Hotelbesitzer,
    Vermieter etc.). Niemand in der CDU würde heute auf die Idee kommen, diesen Paragraphen wieder einzuführen. Ein ähnlicher Fall besteht in der Strafbarkeit des Ehebruchs. Könnte noch Dutzende ähnlicher Beispiele nennen.
    Nur wenige Jahrzehnte später kommen einem derartige Regelungen Jahrhunderte entfernt vor. Nur waren dies Institutionen, die 'unsere' Parteien damals entweder aktiv unterstützten (Stichwort: Sittsamkeit) oder zumindest für nicht dringend reformwürdig ansahen.

    Ich prophezeie, dass es bezüglich der Homo-Ehe in wenigen Jahrzehnten ähnlich sein wird. Man mag es sich jetzt noch nicht vorstellen (konnten die Menschen seinerzeit auch nicht vollumfänglich), aber unsere Nachkommen werden ungläubig den Kopf schütteln, dass man Menschen, die sich lieben, die Chance verwehren konnte, den Bund der Ehe zu schließen (und damit - Treppenwitz der Geschichte! - letztlich ein konservatives im Sinne von traditionelles, bewahrendes Gelübde abzulegen).

    Über Wirtschafts- und Sozialpolitik mag noch lange gestritten werden und je nach Couleur Smith, Marx, Hayek, Keynes, Polanyi oder sonst ein Klassiker angeführt werden, aber die gesellschaftlich-kulturelle Liberalisierung wird voranschreiten, machen wir uns da bloß nichts vor. Die Frage ist lediglich, wer sie auf seine Weise begleitet und wer Ängste für diejenigen schürt, denen die Welt zu unübersichtlich geworden ist. Hier liegt eine große gesellschaftliche Verantwortung der Parteien und sonstigen Organisationen.


    Jetzt habe ich mir hier schon wieder einen Wolf geschrieben, zum Rest vielleicht morgen noch was... falls Zeit.

  • Man kann gewiss viele Theorien aufstellen, aber "unsere" Demokratie sollte man m. E. am Grundgesetz messen, welches ihre Grundlage bildet.Danach kommt es in erster Linie auf den formalen Abstimmungsvorgang an. Illegitim im Sinne des Grundgesetzes sind lediglich Auffassungen, welche
    von der Verfassung als unveränderlich erachteten Prinzipien entgegen stehen.

    Richtig, Artikel 3 des Grundgesetzes sagt ja doch einiges zur Inklusion.
    Finde es aber etwas lax, hier nur von Theorien aufstellen zu reden. Ohne derartige Theorien von großen Denkern wären Demokratie im allgemeinen und das Grundgesetz im besonderen niemals möglich gewesen.

    Zitat

    Auch die von Dir dargestellte Auffassung zur "Nazi-Keule" teile ich nicht. Wer den politischen Gegner als "Nazi" oder "rechtsextrem" tituliert, will gezielt
    den Zusammenhang zum dritten Reich herstellen (und sich nebenbei einer inhaltlichen Auseinandersetzung entziehen, weil diese dann aufgrund der
    evident verabscheuungswürdigen Position des Gegners nicht erforderlich wäre).

    Äh, rechtsextrem gleich drittes Reich? Nö, da empfehle ich doch mal einen Blick in die einschlägige aktuelle Forschung zu dem Thema. Mit einer solchen undifferenzierten Aussage bestätigst du letztlich nur mein oben ironisch dargelegtes "Rechts(extrem) is nur Adolf und KZs". Damit macht man es sich viel zu einfach.

  • Äh, rechtsextrem gleich drittes Reich? Nö, da empfehle ich doch mal einen Blick in die einschlägige aktuelle Forschung zu dem Thema. Mit einer solchen undifferenzierten Aussage bestätigst du letztlich nur mein oben ironisch dargelegtes "Rechts(extrem) is nur Adolf und KZs". Damit macht man es sich viel zu einfach.

    Entschuldigung, aber machst du es dir da nicht zu einfach, indem du die Debatte aus der Perspektive eines Proseminars betrachtest und nicht aus
    der des Alltags? Für Alltagsdebatten ist es völlig irrelevant, wie der aktuelle Forschungsstand ist. Da geht es um Kampfbegriffe und darum,
    den politischen Gegner zu besiegen. Das gelingt mit der Keule eben leichter als mit dem Florett. Wie immer lohnt auch hier der Blick nach
    Amerika. Obama als einen Kommunisten und Clinton als "Hitlery" zu bezeichnen, ist inhaltlich Schwachsinn, hat aber trotzdem die
    gewünschte diffamierende Wirkung. Genauso funktioniert es hier auch. Das sieht man doch gerade daran, dass es gerade AfD und Pegida-Leute
    sind, die ständig ihre Gegner mit Nazis vergleichen ("Maas ist wie Goebbels", etc.)

    Es stimmt, dass diese Meinung überall verbreitet wird. Aber hält sie der Realität auch stand? Nehmen wir doch die Flüchtlingsfrage: Vom linken Flügel der Linken, der "Kein Mensch ist illegal" und "Für freies Fluten" propagiert, bis zur Seehofer'schen CSU ist eine solche Bandbreite abgedeckt, die man etwa zur Gastarbeiterfrage der 50er und 60er Jahre vergeblich gesucht hat.

    Auch das ist wieder deine Einschätzung, bei der ich dein Argument von dir in umgekehrter Form gegen dich Wende. Wenn aus großer Distanz gesehen alle Unterschiede kaum noch sichtbar sind, ist es dann nicht auch so, dass aus großer Nähe kleine Unterschiede plötzlich riesig wirken? Diese Bandbreite, die du hier suggerierst, besteht aus der Perspektive eines Wählers, der Einwanderung vollkommen ablehnt und der erwartet, dass Einwanderer sich komplett assimilieren, der im Bus keine andere Sprache hören möchte einfach nicht. Welche relevante Partei hat denn gesagt, dass sie die Grenzen vollkommen zu machen will? Selbst die CSU nicht. Da ging es aus Sicht eines Einwanderungsgegners immer nur um die Dosis dessen, was sie als Gift ansehen, nie darum, das Gift völlig zu vermeiden.


    Ich glaube in den großen Narrativen waren sich CDU/CSU, SPD und FDP auch seinerzeit gar nicht so unähnlich, wie sie es gerne dargestellt hätten (Ausnahmen existieren natürlich, aber das gilt auch für heute).

    Große Narrative klingt unnötig hochtrabend. Natürlich standen die Parteien auf dem Boden des Grundgesetzes, aber zu suggerieren, dass die CSU
    unter Strauss eigentlich der Brandtschen SPD ähnelte, erscheint mir dann doch arg verwegen. Und wo sind die gravierenden Unterschiede heute, die den "Ausnahmen" von damals entsprachen? Wo siehst du heute einen Unterschied zwischen SPD und CDU, der dem entspricht, was Adenauers Westintegrationskurs, Brandts Ostpolitik oder der Debatte um den NATO-Doppelbeschluss entsprechen?


    Kommt aber auch immer drauf an, welche Zeitspanne man nimmt. DIe CDU der ersten Jahre unterschied sich vom Sozialmilieu ihrer Klientel zwar deutlich von der SPD, man kann aber nicht behaupten, dass sie in jedem Punkt wesentlich konservativer als heute war. Kostprobe aus dem Ahlener Programm von 1947 gefällig?

    Und welche Bedeutung hat das Programm für die spätere Politik der CDU gehabt? Die 50er Jahre sind doch gerade keine Umsetzung des Programms
    gewesen, sondern das Jahrzehnt, indem die CDU mit "Keine Experimente" die Wahlen gewann, nicht mit der Verstaatlichung von Großbetrieben.
    Die Geschichte nimmt doch fast nie gerade Entwicklung, sondern fährt Schlangenlinien und setzt auch mal zurück. Das ändert aber wenig an
    langfristigen Trends und der ist nicht nur bei den großen Parteien, der, dass sie sich angleichen.

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Also ich kann mich daran erinnern, dass bspw. die Linke den Merkelkurs massivst kritisiert hat (und nein, damit meine ich nicht den reaktionären Flügel um Wagenknecht und Lafo). Von Konsens kann da kaum eine Rede sein.

    Anno 2004 hat die FDP den Schröderkurs auch massiv kritisiert. Schritt in die richtige Richtung, aber zu wenig etc.
    Das taugte aber doch nicht als Argument für jemanden der die PDS/WASG wählen wollte, da alle Partein im Bundestag für Harz IV befürworten. Dem war es sicher nicht töstlich, dass die SPD das nur mit Bauchschmerzen gemacht hat, während die FDP am liebsten den Arbeitsmarkt komplett dereguliert hätte.

    Nehmen wir doch die Flüchtlingsfrage: Vom linken Flügel der Linken, der "Kein Mensch ist illegal" und "Für freies Fluten" propagiert, bis zur Seehofer'schen CSU ist eine solche Bandbreite abgedeckt,

    Du musst da gar nicht die Spanbreite von Links nach Rechts aufmachen. Die gibts ja schon bei den Linken(KMII) und "Fremdarbeiter" Lafo.

    Aber entscheid ist ja dann doch welche Politik gemacht wird und nicht was irgendwelche Parteiflügel wollen.

    Jemand der die Flüchtlingspolitik ablehnt, den kann man kaum mit Herrn Seehofer und Herrn Bosbach "trösten". Erster ist in 15 Bundesländern nicht wählbar und offensichtlich sind beide mit ihren Positionen nicht mehrheitsfähig in ihrer Partei bzw. bei der Bundesregierung.
    Um da noch mal den Vergleich zu 2004 hinzubekommen. Jemand der sich von der SPD frustriert abgewant hat, da sie seine Positionen im Bereich Arbeitsmarkt nicht mehr vertritt hat man mit dem Verweis auf Ottmar Schreiner auch nur bedingt geholfen, da dessen Psition in der SPD einfach nicht mehr oder nur zu wenig gehöret wurden

    #FIREJOSEPH

  • Entschuldigung, aber machst du es dir da nicht zu einfach, indem du die Debatte aus der Perspektive eines Proseminars betrachtest und nicht ausder des Alltags? Für Alltagsdebatten ist es völlig irrelevant, wie der aktuelle Forschungsstand ist. Da geht es um Kampfbegriffe und darum,
    den politischen Gegner zu besiegen. Das gelingt mit der Keule eben leichter als mit dem Florett. Wie immer lohnt auch hier der Blick nach
    Amerika. Obama als einen Kommunisten und Clinton als "Hitlery" zu bezeichnen, ist inhaltlich Schwachsinn, hat aber trotzdem die
    gewünschte diffamierende Wirkung. Genauso funktioniert es hier auch. Das sieht man doch gerade daran, dass es gerade AfD und Pegida-Leute
    sind, die ständig ihre Gegner mit Nazis vergleichen ("Maas ist wie Goebbels", etc.)

    Derek, also manchmal versteh ich dich wirklich nicht (also noch weniger als ohnehin schon ;) :( Einerseits plädierst du gerade in deiner jüngeren Forenzeit bei diversen Themen sehr deutlich, dass man analysieren sollte, was dahintersteckt (und sich eben nicht einfach an Gefühlen, Alltagsstatements orientieren sollte), aber immer mal wieder, wenn es gerade passt, kommt dann ein gegenteiliges "Pah, Wissenschaft, Analysen, dieset hochtrabende Zeugs, wie es im Alltag verwendet wird, ist doch alleinig bedeutsam". Man hat den Eindruck: ein wenig nach Lust und Laune.
    Aber gerade weil so etwas überall als Kampfbegriff verwendet wird, muss man doch schauen, was dahintersteckt, hierbei hilft eben nur eine Analyse. Und die wird wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen, dass Obama wenig kommunistisches an sich hat, Hillary und Mass wenig Ähnlichkeiten mit NSDAP-Größen aufweisen, aber es in der AfD eben doch eine gewisse Überschneidung mit Deutungsmustern rechtsextremer Parteien gibt. Genau um dieses voneinander abzugrenzen, sind wissenschaftliche Studien wichtig.
    Eben deswegen (und auch, weil sich die extreme Rechte nicht 70 Jahre lang schlafen gelegt, sondern sich ebenso wie viele andere Strömungen ausdifferenziert hat), ist es immer wieder wichtig darauf hinzuweisen, dass rechtsextrem eben nicht nur Hitler und KZs bedeutet - und in der langen Geschichte der extremen Rechten übrigens auch nie bedeutet hat.

    Eine wissenschaftliche Herangehensweise in der Medizin und jedem anderem Feld doch auch nicht allzu anders, oder? Meine gefühlte Meinung interessiert den Arzt erstmal nicht so sehr, der schaut (hoffentlich) nach Indizien für bestimmte Krankheiten oder Verletzungen.

    Zitat von Derek Brown

    Auch das ist wieder deine Einschätzung, bei der ich dein Argument von dir in umgekehrter Form gegen dich Wende. Wenn aus großer Distanz gesehen alle Unterschiede kaum noch sichtbar sind, ist es dann nicht auch so, dass aus großer Nähe kleine Unterschiede plötzlich riesig wirken? Diese Bandbreite, die du hier suggerierst, besteht aus der Perspektive eines Wählers, der Einwanderung vollkommen ablehnt und der erwartet, dass Einwanderer sich komplett assimilieren, der im Bus keine andere Sprache hören möchte einfach nicht. Welche relevante Partei hat denn gesagt, dass sie die Grenzen vollkommen zu machen will? Selbst die CSU nicht. Da ging es aus Sicht eines Einwanderungsgegners immer nur um die Dosis dessen, was sie als Gift ansehen, nie darum, das Gift völlig zu vermeiden.

    Eine solche Person stand aber immer außerhalb des klassischen Parteienspektrums, weil seine Position von keiner Partei außerhalb der NPD, DVU etc. abgedeckt wurde. Und ganz ehrlich, ich glaube, wenn man ein längeres Interview mit einer solchen Person führen würde, ist es extremst unwahrscheinlich, dass diese nicht doch starke rechtsextreme Einstellungen, Werte und Deutungsmuster aufweist und sich damit an aktuelle rechtsextreme Ideologien ankoppelt.
    Hier widersprichst du dir aber wieder ein wenig selber: Bei diesem Menschen kann man ja nun von einem eindeutig inhaltlichen Beweggrund der AfD-Wahl ausgehen - von bloßem "Protest" o.ä. kann da keine Rede sein.

    Zitat von Derek Brown

    Große Narrative klingt unnötig hochtrabend. Natürlich standen die Parteien auf dem Boden des Grundgesetzes, aber zu suggerieren, dass die CSUunter Strauss eigentlich der Brandtschen SPD ähnelte, erscheint mir dann doch arg verwegen. Und wo sind die gravierenden Unterschiede heute, die den "Ausnahmen" von damals entsprachen? Wo siehst du heute einen Unterschied zwischen SPD und CDU, der dem entspricht, was Adenauers Westintegrationskurs, Brandts Ostpolitik oder der Debatte um den NATO-Doppelbeschluss entsprechen?

    Heute ist das Parteienspektrum ausdifferenzierter, damals musste es diese Unterschiede zwangsläufig zwischen CDU und SPD geben. Ich glaube in der Tat, dass die Unterschiede zwischen CSU und Linkspartei, wenn man alle Sachfragen (und nicht nur die großen außenpolitischen nimmt) in der Tat größer sind, als die zwischen CDU und SPD in den 70er Jahren. Man sollte zudem nicht nur die Parteien, sondern auch die Epoche vergleichen: Die Zeit des Kalten Krieges, auf die sich die drei großen Streitpunkte beziehen, die du hier nennst, ist eben nicht beliebig transferierbar. Diese Fragen haben auch, aber nicht alleinig etwas mit dem damaligen deutschen Parteiensystem zu tun gehabt.
    Das von mir angesprochene Thema Gastarbeiter hast du leider elegant ausgelassen. Wie sah es da nun mit der Repräsentationsfähigkeit der großen Parteien aus?

    Zitat von Derek Brown

    Und welche Bedeutung hat das Programm für die spätere Politik der CDU gehabt? Die 50er Jahre sind doch gerade keine Umsetzung des Programmsgewesen, sondern das Jahrzehnt, indem die CDU mit "Keine Experimente" die Wahlen gewann, nicht mit der Verstaatlichung von Großbetrieben.
    Die Geschichte nimmt doch fast nie gerade Entwicklung, sondern fährt Schlangenlinien und setzt auch mal zurück. Das ändert aber wenig an
    langfristigen Trends und der ist nicht nur bei den großen Parteien, der, dass sie sich angleichen.

    Genau das: keine geraden Entwicklungen, die hier immer impliziert werden (sowas wie: Die CDU wird immer linker!!!!11). Das Ahlener Programm war lediglich eines von vielen Beispielen dafür. Gerade um Missverständnisse zu vermeiden, erwähnte ich ja auch die Wirtschafts- und Sozialpolitik der CDU in den 60ern und 70ern, die deutlich keynesianischer und wohlfahrtsstaatlicher und in diesem Sinne "linker" war als heute - trotz Mindestlohndebatten. Währenddessen gesellschaftlich-kulturell eben eine klare Liberalisierung im Laufe der Jahrzehnte stattfand (sowohl bei CDU als auch SPD), die sich wahrscheinlich auch noch weiter fortsetzen wird.

  • Derek, also manchmal versteh ich dich wirklich nicht (also noch weniger als ohnehin schon ;) :( Einerseits plädierst du gerade in deiner jüngeren Forenzeit bei diversen Themen sehr deutlich, dass man analysieren sollte, was dahintersteckt (und sich eben nicht einfach an Gefühlen, Alltagsstatements orientieren sollte), aber immer mal wieder, wenn es gerade passt, kommt dann ein gegenteiliges "Pah, Wissenschaft, Analysen, dieset hochtrabende Zeugs, wie es im Alltag verwendet wird, ist doch alleinig bedeutsam". Man hat den Eindruck: ein wenig nach Lust und Laune.Aber gerade weil so etwas überall als Kampfbegriff verwendet wird, muss man doch schauen, was dahintersteckt, hierbei hilft eben nur eine Analyse. ...
    Eben deswegen (und auch, weil sich die extreme Rechte nicht 70 Jahre lang schlafen gelegt, sondern sich ebenso wie viele andere Strömungen ausdifferenziert hat), ist es immer wieder wichtig darauf hinzuweisen, dass rechtsextrem eben nicht nur Hitler und KZs bedeutet - und in der langen Geschichte der extremen Rechten übrigens auch nie bedeutet hat.
    ...
    Eine solche Person stand aber immer außerhalb des klassischen Parteienspektrums, weil seine Position von keiner Partei außerhalb der NPD, DVU etc. abgedeckt wurde. Und ganz ehrlich, ich glaube, wenn man ein längeres Interview mit einer solchen Person führen würde, ist es extremst unwahrscheinlich, dass diese nicht doch starke rechtsextreme Einstellungen, Werte und Deutungsmuster aufweist und sich damit an aktuelle rechtsextreme Ideologien ankoppelt.Hier widersprichst du dir aber wieder ein wenig selber: Bei diesem Menschen kann man ja nun von einem eindeutig inhaltlichen Beweggrund der AfD-Wahl ausgehen - von bloßem "Protest" o.ä. kann da keine Rede sein.

    Heute ist das Parteienspektrum ausdifferenzierter, damals musste es diese Unterschiede zwangsläufig zwischen CDU und SPD geben. Ich glaube in der Tat, dass die Unterschiede zwischen CSU und Linkspartei, wenn man alle Sachfragen (und nicht nur die großen außenpolitischen nimmt) in der Tat größer sind, als die zwischen CDU und SPD in den 70er Jahren. Man sollte zudem nicht nur die Parteien, sondern auch die Epoche vergleichen: Die Zeit des Kalten Krieges, auf die sich die drei großen Streitpunkte beziehen, die du hier nennst, ist eben nicht beliebig transferierbar. Diese Fragen haben auch, aber nicht alleinig etwas mit dem damaligen deutschen Parteiensystem zu tun gehabt.Das von mir angesprochene Thema Gastarbeiter hast du leider elegant ausgelassen. Wie sah es da nun mit der Repräsentationsfähigkeit der großen Parteien aus?

    Genau das: keine geraden Entwicklungen, die hier immer impliziert werden (sowas wie: Die CDU wird immer linker!!!!11). Das Ahlener Programm war lediglich eines von vielen Beispielen dafür. Gerade um Missverständnisse zu vermeiden, erwähnte ich ja auch die Wirtschafts- und Sozialpolitik der CDU in den 60ern und 70ern, die deutlich keynesianischer und wohlfahrtsstaatlicher und in diesem Sinne "linker" war als heute - trotz Mindestlohndebatten. Währenddessen gesellschaftlich-kulturell eben eine klare Liberalisierung im Laufe der Jahrzehnte stattfand (sowohl bei CDU als auch SPD), die sich wahrscheinlich auch noch weiter fortsetzen wird.

    Es spricht nichts gegen eine wissenschaftliche Analyse im wissenschaftlichen Rahmen. Aber wer in der öffentlichen Diskussion solche Begriffe im
    Zusammenhang mit einer Partei oder Bewegung verwendet, weiß sehr genau, dass er sie als Kampfbegriffe verwenden und Assoziationen à la "Hitler"
    und "KZs" hervorrufen will. Sich dann darauf zurückzuziehen, dass man die Begriffe wissenschaftlich ganz anders definieren kann, erscheint mir heuchlerisch.

    Dass die CDU kurz nach dem Krieg geradezu sozialistisch anmutende Parolen zu bieten hatte, hatte - wie Derek zu Recht betont hat - jedenfalls
    seit Gründung der BRD 1949 mit der Realität nichts mehr zu tun. Wer wann wie "keynesianisch" oder neoliberal war oder ist, darüber kann man
    endlos streiten. Es gab und gibt in der Politik und in der öffentlichen Debatte immer mal Modebewegungen. In der Politik der 60er/70er war Keynes
    (auch international) gerade sehr modern und wurde gerne als Argument/Ausrede verwendet, um in wirtschaftlich schlechten Zeiten Schulden zu machen -
    den Rest seines Konzepts hat man geflissentlich übersehen. In den 80er/90er Jahren gab es international eine gewisse neoliberale Gegenbewegung,
    ohne dass man einen Sozialstaat bundesdeutscher Prägung jemals sinnvoll als "neoliberal" hätte bezeichnen können.

    Bei Einzelthemen mag das mal anders sein, und sicher ergeben sich bei politischen Entwicklungen auch Schlangenlinien, aber letztlich ist die Union
    im großen und ganzen "immer linker" geworden. Das zeigen gerade die Beispiele, die Du als "liberal" bezeichnest - in gesellschaftlichen Fragen ist eben
    generell eine starke Liberalisierung eingetreten [Nebenbei: Sogar eine zunehmende Zwangs-Liberalisierung, was man auch als Perversion ansehen könnte].
    Da ist die "Homo-Ehe" - gerade vor dem Hintergrund der traditionellen Strafbarkeit homosexuellen Geschlechtsverkehrs unter Männern, im dritten Reich
    sogar mit der Todesstrafe bedroht - nur ein besonders prägnantes Beispiel. Das sind Themen, in denen vermutlich sogar die SPD ein wenig "linker" geworden
    ist. Aber auch sonst, ich nenne mit "Abtreibung", "Umweltschutz", "Gentechnik", "Drogenpolitik", "dreigliedriges Schulsystem", "Arbeitnehmerrechte" einfach
    mal ein paar weitere Themen, in denen klassisch-konservative CDU-Positionen aufgegeben wurden oder nur noch im Rückzugsgefecht verteidigt werden.
    Gewisse Gegenbewegungen gibt es höchstens mal im "Law and Order"-Bereich, wenn das Thema gerade mal aktuell ist.

    Der Vergleich Gastarbeiter/heutige Migranten hinkt m. E. gewaltig.
    Die Gastarbeiter wurden angeworben. Da war vielleicht nicht jeder dafür, aber es gab (ursprünglich!) den (zumindest weit verbreiteten) Konsens,
    dass diese Gastarbeiter eine Zeit lang in Deutschland arbeiten und dann in ihre Heimatstaaten zurückkehren sollten (und ursprünglich auch wollten).
    Deswegen ja auch der Begriff "Gast"arbeiter. Faktisch sind - je nach Herkunftsland in sehr unterschiedlichem Umfang - viele geblieben und haben
    ihre Familien nachgeholt. Das hat man im Laufe der Zeit durch eine sukzessive Änderung der Gesetzeslage und der Verwaltungspraxis erreicht.

    Mit anderen Worten: Wer ursprünglich der Meinung war, man solle überhaupt keine Gastarbeiter ins Land holen, war vielleicht nicht 1:1 repräsentiert,
    aber die verbreitete Position "ein paar Jahre Arbeiten und dann wieder zurück" war nicht weit davon entfernt. Das ist so, wie wenn man nicht will, dass
    die Schwiegermutter zu Weihnachten zu Besuch kommt, man es aber zähneknirschend akzeptiert, weil sie spätestens an Silvester wieder weg ist. Das
    war auch noch lange die Position der Union - wieder so ein Punkt, in dem sie wesentlich "linker" geworden ist. Dass es später völlig anders gekommen
    ist - die Schwiegermutter ist dauerhaft eingezogen und hat ihre Verwandtschaft mitgebracht -, steht auf einem anderen Blatt.

    Die heutigen Migranten werden nicht angeworben. Zudem besteht heute aufgrund der Erfahrungen die (realistische) Erwartungshaltung, dass die
    meisten Migranten, die nicht abgeschoben werden, auch hier bleiben. Die Diskrepanz in der politischen Repräsentation ist also nicht "nein" zu
    "ein paar Jahre", sondern "nein" zu "dauerhaft ja". Es gibt zwar in den verschiedenen Parteien immer mal jemanden, der ausschehrt (z. B. Sarrazin, Wagenknecht
    und ein paar aus der Union), aber es gibt keine etablierte Partei, welche diese Position repräsentiert.

  • Zitat von Chief

    Es spricht nichts gegen eine wissenschaftliche Analyse im wissenschaftlichen Rahmen. Aber wer in der öffentlichen Diskussion solche Begriffe im Zusammenhang mit einer Partei oder Bewegung verwendet, weiß sehr genau, dass er sie als Kampfbegriffe verwenden und Assoziationen à la "Hitler" und "KZs" hervorrufen will. Sich dann darauf zurückzuziehen, dass man die Begriffe wissenschaftlich ganz anders definieren kann, erscheint mir heuchlerisch.

    Das heißt: Man darf Bewegungen zwar als sozialdemokratisch, marxistisch oder konservativ bezeichnen, aber nicht als rechtsextrem, weil jemand wie du damit sofort Hitler und KZs assoziierst? Und das ist dann auch noch die Schuld des heuchlerischen Bezeichnenden? :paelzer:
    Im Grunde genommen dürfte man dieser Logik nach gar keine - politischen wie sonstigen - Richtungsbeschreibungen vornehmen. Wer heute sozialdemokratisch sagt, meint damit doch auch nicht zwangsläufig Rosa Luxemburg. So viel Transferleistung sollte man den Menschen schon zutrauen. Du stellst hier Rechtsextremismus auf ein Podest, auf das er nicht gehört. Natürlich muss man rechtsextreme Ideologie genauso benennen dürfen wie sozialdemokratische. Wäre totaler Quatsch, da Unterschiede zu machen.

    Zitat

    Wer wann wie "keynesianisch" oder neoliberal war oder ist, darüber kann man endlos streiten. Es gab und gibt in der Politik und in der öffentlichen Debatte immer mal Modebewegungen. In der Politik der 60er/70er war Keynes (auch international) gerade sehr modern und wurde gerne als Argument/Ausrede verwendet, um in wirtschaftlich schlechten Zeiten Schulden zu machen - den Rest seines Konzepts hat man geflissentlich übersehen. In den 80er/90er Jahren gab es international eine gewisse neoliberale Gegenbewegung, ohne dass man einen Sozialstaat bundesdeutscher Prägung jemals sinnvoll als "neoliberal" hätte bezeichnen können.

    Moment, die Eingruppierung des Sozialstaats ist wiederum etwas anderes, die ist in der Tat nie neoliberal, aber auch nie sozialdemokratisch gewesen. Bekommt aber nach gängiger Meinung in der Forschung in den letzten Jahren vermehrt neoliberale Einschläge. Es ging mir - wie nun bereits zweimal erwähnt - auch nicht darum, wann die CDU welches Programm umgesetzt hat, sondern dass sie sich eben nicht in allen Politikfeldern nach links bewegt, sondern dies je nach Politikfeld variiert. Und zwar beträchtlich.

    Zitat

    Bei Einzelthemen mag das mal anders sein, und sicher ergeben sich bei politischen Entwicklungen auch Schlangenlinien, aber letztlich ist die Union im großen und ganzen "immer linker" geworden. Das zeigen gerade die Beispiele, die Du als "liberal" bezeichnest - in gesellschaftlichen Fragen ist eben generell eine starke Liberalisierung eingetreten [Nebenbei: Sogar eine zunehmende Zwangs-Liberalisierung, was man auch als Perversion ansehen könnte].
    Da ist die "Homo-Ehe" - gerade vor dem Hintergrund der traditionellen Strafbarkeit homosexuellen Geschlechtsverkehrs unter Männern, im dritten Reich sogar mit der Todesstrafe bedroht - nur ein besonders prägnantes Beispiel. Das sind Themen, in denen vermutlich sogar die SPD ein wenig "linker" geworden ist.

    Genau das schrieb ich ja. In gesellschaftlich-kulturellen Fragen sind alle Parteien - nicht nur die CDU – liberaler/linker geworden, eben weil die Gesellschaft sich deutlich liberalisiert hat, und zwar nicht erst in den letzten zwei Jahrzehnten. Und dies ist eben langfristig auch nicht aufzuhalten, von daher stellt sich die Frage, gegen was man da eigentlich Widerstand leistet - und weswegen. Früher waren etwa Homosexualität, Ehebruch oder Zusammenleben unverheirateter Paare strafbar, noch etwas länger her gab es das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie usw. usf. Was früher gefährlich, gesellschaftszersetzend oder sittenwidrig war, ist heute Normalität. Und dieser Prozess ist nicht abgeschlossen und wird es wohl auch nie sein.

    Was aber meinst du mit Perversion in diesem Zusammenhang?

    Zitat

    Aber auch sonst, ich nenne mit "Abtreibung", "Umweltschutz", "Gentechnik", "Drogenpolitik", "dreigliedriges Schulsystem", "Arbeitnehmerrechte" einfach mal ein paar weitere Themen, in denen klassisch-konservative CDU-Positionen aufgegeben wurden oder nur noch im Rückzugsgefecht verteidigt werden.
    Gewisse Gegenbewegungen gibt es höchstens mal im "Law and Order"-Bereich, wenn das Thema gerade mal aktuell ist.

    Arbeitnehmerrechte würde ich so pauschal nicht nennen, da die CDU da vor einigen Jahrzehnten diesbezüglich teilweise "linkere" Positionen vertreten hat als heute. Der große Teil des Rests sind diejenigen Punkte, die meine These der allumfassenden gesellschaftlichen Liberalisierung stützen. Das ist aber eben kein neues Phänomen, sondern ein langer Prozess. Schau dir doch mal an, was vor 150 Jahren als konservativ galt. Und irgendwann gabs mal den Absolutismus. Insofern kann man davon sprechen, dass seit vielen Jahrhunderten alle Bewegungen immer "linker" (im Sinne von inklusiver, egalitärer) geworden sind. DIe Demokratietheoretiker im alten Griechenland fanden Sklaven noch juti, heute würde man das wohl als undemokratisch bezeichnen. Zu Recht, oder? Der Erkenntnisgewinn einer diesbezüglich immer "linker" werdenden Gesellschaft ist aber eher gering, würde ich sagen.

    Und im Law-and-Order-Bereich haben wir - übrigens von fast allen Parteien - deutliche Schwenks hin zum konservativ-autoritären gehabt. Das Thema Sicherheit zieht, obwohl es dazu überhaupt keinen Anlass gibt, wie auch hier einschlägige Forschung festgestellt hat.

    Zitat

    Der Vergleich Gastarbeiter/heutige Migranten hinkt m. E. gewaltig.

    [...]

    Mit anderen Worten: Wer ursprünglich der Meinung war, man solle überhaupt keine Gastarbeiter ins Land holen, war vielleicht nicht 1:1 repräsentiert,aber die verbreitete Position "ein paar Jahre Arbeiten und dann wieder zurück" war nicht weit davon entfernt. Das ist so, wie wenn man nicht will, dass die Schwiegermutter zu Weihnachten zu Besuch kommt, man es aber zähneknirschend akzeptiert, weil sie spätestens an Silvester wieder weg ist. Das war auch noch lange die Position der Union - wieder so ein Punkt, in dem sie wesentlich "linker" geworden ist. Dass es später völlig anders gekommen ist - die Schwiegermutter ist dauerhaft eingezogen und hat ihre Verwandtschaft mitgebracht -, steht auf einem anderen Blatt.

    Erstens fordere ich für den komplett hanebüchenen Vergleich im besten Beule'schen Sinne sofortge Blauschrift. Der hinkt ja nicht mal mehr :D
    Zweitens ist das eine sehr bemühte und auch einigermaßen kreative Umdeutung: Wenn die Bevölkerung zu etwas (egal was) mit überwiegender Mehrheit nein sagt, die Politik es aber dennoch beschließt und sich keine Alternative im Parteienspektrum dagegen finden lässt, haben wir ein Repräsentationsdefizit, darauf wollte ich hinaus. Nun rumzulavieren, dass das Ja der Politik ja gar nicht so weit vom Nein der Bevölkerung entfernt ist - nunja, merkste selbst, denke ich. Bei der Umfrage zu den Gastarbeitern ging es ja eben nur darum, ob diese kommen sollen oder nicht, nur um diese eine simple Frage (und nicht, wie lange sie bleiben, ob sie eingebürgert werden, was sie sonst noch so machen dürfen etc.pp., das ist hierfür völlig irrelevant). Mehr nicht.

    Mir ging es - auch das stand bereits oben - nicht um einen Eins-zu-Eins-Vergleich der beiden Themen, sondern darum, dass es nicht neu ist, dass die Bevölkerung in einer Sachfrage mehrheitlich deutlich anders denkt als die politischen Parteien und sich in diesem Punkt möglicherweise keine politische Repräsentation findet. Aber: Durch die integrative Kraft der Großmilieus hat dies eben nicht zwangsläufig zu Entfremdungseffekten geführt.

  • Ich will eure interessante Diskussion hier wirklich nicht unterbrechen, aber hast du solche Provokationen wirklich nötig?

    Erstens fordere ich für den komplett hanebüchenen Vergleich im besten Beule'schen Sinne sofortge Blauschrift.

    Du schipperst da mit einer Eloquenz und Leichtigkeit wie ich sie noch von niemand anderem hier gelesen habe durch (für mich äußerst komplexe) sozialwissenschaftliche Fachgebiete und begibst dich dann im nächsten Augenblick mit solchen Spitzen auf Niveau-Sturzflug.

    Auf der einen Seite wirfst du Usern vor dich zu verfolgen (Fantum Post auf der letzten Seite) auf der anderen Seite schießt du solche Spitzen ab, die dieses Rad am Laufen erhalten.

    War jetzt nicht bös gemeint, denke nur dass solche Sätze (wenn auch mit Smileys versehen) deinen ansonsten sehr lesenswerten Beitrag unnötig abwerten. :bier:

  • allerdings finde ich den impliziten Vorschlag, jeden (mehr oder weniger) unpassenden Vergleich mit Blauschrift zu bedenken, bei konsequenter Umsetzung gar nicht mal so uncharmant

    Wie bereits geschrieben: Ich fand die Idee bei konsequenter Umsetzung echt nicht so unattraktiv.

    Tu eine Finanzquelle auf, welche die hauptberufliche Beschäftigung eines Mods ermöglicht, und wir können darüber reden :wink2:

  • Tu eine Finanzquelle auf, welche die hauptberufliche Beschäftigung eines Mods ermöglicht, und wir können darüber reden :wink2:

    Man kann doch einfach die Nutzer dazu anhalten, immer gleich an den Olymp zu schreiben und das zu melden. Es war nicht alles schlecht in der DDR.

  • Dachte der Smiley wäre genug gewesen, um die Intention des Satzes zu verdeutlichen. Wie bereits geschrieben: Ich fand die Idee bei konsequenter Umsetzung echt nicht so unattraktiv.

    Ich denke so wäre der Smiley gar nicht notwendig gewesen und die Intention des Satzes wäre auch rüber gekommen:

    Erstens fordere ich für den komplett hanebüchenen Vergleich im besten Beule'schen Sinne sofortge Blauschrift. Der hinkt ja nicht mal mehr

    :bier:

  • Man kann doch einfach die Nutzer dazu anhalten, immer gleich an den Olymp zu schreiben und das zu melden. Es war nicht alles schlecht in der DDR.

    Oder der 12er wird zum Spezialbeauftragten für das brandmarken seltsamer Vergleiche ernannt.
    Wobei ich die Blauschrift dafür etwas zu hart finde (ich mag Vergleiche - egal wie sehr sie auch hinken).
    Wie wär's mit PINK? ^^

    schaun mer mal

  • Sorry wegen des Formats, aber ich scheitere gerade an der 20.000-Zeichen-Hürde.

    12to83 schrieb:
    Derek, also manchmal versteh ich dich wirklich nicht (also noch weniger als ohnehin schon ;) :( Einerseits plädierst du gerade in deiner jüngeren Forenzeit bei diversen Themen sehr deutlich, dass man analysieren sollte, was dahintersteckt (und sich eben nicht einfach an Gefühlen, Alltagsstatements orientieren sollte), aber immer mal wieder, wenn es gerade passt, kommt dann ein gegenteiliges "Pah, Wissenschaft, Analysen, dieset hochtrabende Zeugs, wie es im Alltag verwendet wird, ist doch alleinig bedeutsam". Man hat den Eindruck: ein wenig nach Lust und Laune.

    Ich glaube auch, dass es hier um ein Verständnisproblem geht. Ich springe eben gar nicht, ganz im Gegenteil. Ich würde sogar behaupten,
    dass du vorgibst, dich wissenschaftlich zu verhalten, es aber nicht tust. Aus der Forschung oder wenn man nur Wikipedia benutzt, weiß
    man, dass Begriffe in verschiedenen Zusammenhängen verschiedene Bedeutungen haben, ohne dass die deswegen falsch sind. Der Begriff
    der "Säuberung" ist in der Reinigungsindustrie völlig ok, geht in einer deutschen politischen Diskussion aber gar nicht, weil er hier
    historisch aus NS-Diktatur vorbelastet ist...und geht im Ausland dann wieder schon, weil diese besondere Bedeutung dort eben nicht
    bestehen muss.

    Was du machst, ist dass du Begriffe aus einem wissenschaftlichen Zusammenhang in einen alltagssprachlichen Zusammenhang überträgst,
    ohne zu berücksichtigen, dass diese dort bereits anders vordefiniert sind. Genauso könntest du mit einem Duden nach Tibet gehen und
    dich beschweren, dass dich die Leute nicht verstehen. Es geht hier nicht darum, sich Inhalten zu verweigern, sondern sich der Situation
    angemessen auszudrücken.

    12to83 schrieb:
    Heute ist das Parteienspektrum ausdifferenzierter, damals musste es diese Unterschiede zwangsläufig zwischen CDU und SPD geben. Ich glaube in der Tat, dass die Unterschiede zwischen CSU und Linkspartei, wenn man alle Sachfragen (und nicht nur die großen außenpolitischen nimmt) in der Tat größer sind, als die zwischen CDU und SPD in den 70er Jahren.

    Hier gibst du durch eine falsche Fragestellung von vornherein die Antwort vor. Wenn du heute zwei Parteien von den entgegengesetzten
    Enden des politischen Spektrums mit 2 Parteien vergleichst, die damals mehr oder minder Mitte waren, kommst du zu dem Ergebnis, dass die
    Unterschiede größer sind? Klar stimmt das. Aber das würde auch stimmen, wenn du die CSU von 1975 mit der damaligen DKP vergleichen würdest.
    Die spannende Punkte sind hier doch andere.

    Erstens. Der angemessenere Vergleiche ist der zwischen DKP und CSU der 70er Jahre. Ich behaupte, dass die DKP - die damals z. B. die
    Niederschlagung des Volksaufstands von 1953 begrüßte - linker war, als es die Linke heute ist. Die CSU war damals rechter, als sie heute ist.
    Hier haben sich - wenn man Freak-Parteien aufgrund fehlender Relevanz mal weg lässt - die Unterschiede nicht ausgeweitet, sondern verkleinert.
    Beide Extreme sind in die Mitte gerückt.

    Zweitens. Betrachtet man die beiden großen Parteien, gab es da fundamentale Unterschiede. Ich nehme nur die Ostpolitik. Wo ist heute
    das zentrale Thema, bei dem SPD und CDU so stark auseinander liegen, wie sie es damals taten?


    12to83 schrieb:
    Das von mir angesprochene Thema Gastarbeiter hast du leider elegant ausgelassen. Wie sah es da nun mit der Repräsentationsfähigkeit der großen Parteien aus?

    Gegenfrage: Was hat die Antwort - egal wie sie ausfällt - mit dem Thema zu tun, ob es zwischen den Parteien markante Unterschiede gab oder gibt?
    Vielleicht habe ich den Aspekt unter den Tisch fallen lassen, weil ich hier nicht sehe, wie das der Beantwortung der Frage dient.

    12to83 schrieb:
    Genau das: keine geraden Entwicklungen, die hier immer impliziert werden (sowas wie: Die CDU wird immer linker!!!!11).

    Es geht überhaupt nicht um gerade oder ungerade Entwicklungen. Es geht um die generelle Richtung, nicht darum, ob man auf dem Weg
    in Teilbereichen zeitweise oder permanent einen anderen Kurs einschlägt. Du verweist auf Einzelaspekte, bei denen ich dir der Einfachheit
    halber gar nicht widersprechen will, aber es geht hier um die Summe, nicht um einzelne Faktoren. Ganz konkret gefragt. Wenn du so viele
    Politikfelder wie dir einfallen nimmst und dann betrachtest, wie sich die CDU da verändert hat, kommst du dann im Gesamtergebnis dazu,
    dass sie heute 2016 linker ist als 1956 oder nicht?

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

    Einmal editiert, zuletzt von Derek Brown (8. September 2016 um 06:40)

  • Also nun wirds wirklich krude - und in letzter Konsequenz total beliebig.
    Mal ganz davon abgesehen, dass ich zu allen von dir aufgeworfenen Fragen in meinen letzten Postings bereits längere Ausführungen vorgenommen habe.

    Nur ganz kurz zum Abschluss:

    Zitat

    Erstens. Der angemessenere Vergleiche ist der zwischen DKP und CSU der 70er Jahre. Ich behaupte, dass die DKP - die damals z. B. die
    Niederschlagung des Volksaufstands von 1953 begrüßte - linker war, als es die Linke heute ist. Die CSU war damals rechter, als sie heute ist.
    Hier haben sich - wenn man Freak-Parteien aufgrund fehlender Relevanz mal weg lässt - die Unterschiede nicht ausgeweitet, sondern verkleinert.
    Beide Extreme sind in die Mitte gerückt.

    Erstmal kommts auch hier wieder drauf an, welchen Politikbereich man zur Grundlage nimmt: In wirtschaftspolitischen Fragen war die DKP sicherlich "linker" (irgendwie ein unglücklicher Begriff) eingestellt als die Linkspartei, in gesellschaftlich kulturellen (also: Werte-)Fragen ist eindeutig die heutige Linkspartei "linker" gegenüber der DKP - wie eben alle Parteien in diesen Bereichen nach links gerückt sind (führte ich ja bereits weiter oben aus).
    Außerdem war die DKP sicherlich nicht weit entfernt von einer der von dir so bezeichneten "Freak-Parteien", da sie in keiner einzigen Bundestagswahl 0,5 Prozent übertreffen konnte. Die Linke dagegen ist fester Teil des Parteiensystems sowohl im Bund als auch in vielen Ländern. Daher ist dies eh schon ein sehr schlechter Vergleichsmaßstab.


    Um diese Diskussion mal zu beenden und eine andere, womöglich spannende Frage aufzuwerfen, die ich gestern beim MIttagessen mit Kollegen diskutierte: Man geht ja landläufig davon aus, dass die CDU in der "Ausländerfrage" (subsumiere das mal unter diesem Begriff) linker bzw. liberaler geworden ist. Aber lässt sich das wirklich auch nachhalten?
    Fakt ist ja, dass die CDU seit den 1980er Jahren in mehreren Schritten - meist mit Hilfe von FDP und SPD - große Teile des Ausländer- und Asylrechts tendenziell eher verschärft hat: sei es der große Asylkompromiss 1993, der das Grundrecht auf Asyl stark eingeschränkt hat - manche reden auch von einer faktischen Aufhebung, sei es das Reformpaket zur Asylrechtsverschärfung 2015. Und natürlich noch eine ganze Menge dazwischen.
    Diese Frage lässt sich sicherlich nicht pauschal mit ja oder nein beantworten, aber dazu würde ein Forschungsprojekt, das diesbezügliche Aussagen hochrangiger Politiker, Wahlprogramme, Pressemitteilungen und Parteizeitschriften in den betreffenden Jahrzehnten (evtl. inkl. der 70er) auswertet und analysiert, sicherlich interessante Aufschlüsse geben.

  • Das heißt: Man darf Bewegungen zwar als sozialdemokratisch, marxistisch oder konservativ bezeichnen, aber nicht als rechtsextrem, weil jemand wie du damit sofort Hitler und KZs assoziierst? Und das ist dann auch noch die Schuld des heuchlerischen Bezeichnenden? :paelzer: Im Grunde genommen dürfte man dieser Logik nach gar keine - politischen wie sonstigen - Richtungsbeschreibungen vornehmen. Wer heute sozialdemokratisch sagt, meint damit doch auch nicht zwangsläufig Rosa Luxemburg. So viel Transferleistung sollte man den Menschen schon zutrauen. Du stellst hier Rechtsextremismus auf ein Podest, auf das er nicht gehört. Natürlich muss man rechtsextreme Ideologie genauso benennen dürfen wie sozialdemokratische. Wäre totaler Quatsch, da Unterschiede zu machen.

    Dir ist aber schon klar, dass der Wortbestandteil "-extrem" (oder "-radikal") jedenfalls im allgemeinen Sprachgebrauch eine Abwertung enthält - anders als etwa "sozial" oder "demokratisch"?! Und wenn man es dann noch mit "Ideologie" kombiniert ...


    Moment, die Eingruppierung des Sozialstaats ist wiederum etwas anderes, die ist in der Tat nie neoliberal, aber auch nie sozialdemokratisch gewesen. Bekommt aber nach gängiger Meinung in der Forschung in den letzten Jahren vermehrt neoliberale Einschläge. Es ging mir - wie nun bereits zweimal erwähnt - auch nicht darum, wann die CDU welches Programm umgesetzt hat, sondern dass sie sich eben nicht in allen Politikfeldern nach links bewegt, sondern dies je nach Politikfeld variiert. Und zwar beträchtlich.

    Es mag je nach Politikfeld gewisse Variationen geben, aber wie Derek ganz richtig geschrieben hat, gibt es eben ein Gesamtbild, das relativ eindeutig ist. Von "Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben!" (Franz Josef Strauß) sind wir bei der Union heute weit entfernt. Bei "Keynesianismus" und "Neoliberalismus" hat die Politik insgesamt eher - wenngleich in viel kleinerem Umfang - die Entwicklungen wirtschaftswissenschaftlicher Mehrheitsmeinungen nachvollzogen, wobei die praktischen Auswirkungen überschaubar waren. In den 60er/70er Jahren gab es eine Tendenz zur einen, in den 80er/90er Jahren eine Tendenz zur anderen Lehrmeinung. Eine neoliberale Politik im engeren Sinne hat in Deutschland höchstens die FDP partiell gefordert, aber nie ernsthaft jemand betrieben. Das könnte man eher von Reagan oder Thatcher sagen. Heute haben wir m. E. eher wieder eine Gegenbewegung.

    In gesellschaftlich-kulturellen Fragen sind alle Parteien - nicht nur die CDU – liberaler/linker geworden, eben weil die Gesellschaft sich deutlich liberalisiert hat, und zwar nicht erst in den letzten zwei Jahrzehnten. Und dies ist eben langfristig auch nicht aufzuhalten, von daher stellt sich die Frage, gegen was man da eigentlich Widerstand leistet - und weswegen. Früher waren etwa Homosexualität, Ehebruch oder Zusammenleben unverheirateter Paare strafbar, noch etwas länger her gab es das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie usw. usf. Was früher gefährlich, gesellschaftszersetzend oder sittenwidrig war, ist heute Normalität. Und dieser Prozess ist nicht abgeschlossen und wird es wohl auch nie sein.

    Für die Vergangenheit stimme ich Dir zu, für die Zukunft hoffe ich, dass Du Recht hast. Wer Sorge vor einer zunehmenden Islamisierung unserer Gesellschaft hat, wird leider weniger liberale Prognosen abgeben.

    Was aber meinst du mit Perversion in diesem Zusammenhang?

    Ausdruck der Liberalität waren m. E. immer die Grundrechte. Diese wurden klassischer Weise zumindest primär als Abwehrrechte gegen den Staat verstanden. Heute besteht aus meiner Sicht die (besorgniserregende) Tendenz, dass der Staat zunehmend in Form von Gesetzen seinen Bürgern "gutes" Verhalten vorschreibt. Das ist gut gemeint und im Einzelfall sicher auch diskutabel, führt aber in seiner Gesamtheit gerade - häufig unter dem Deckmantel von Freiheit und Gleichheit - zur Einschränkung von Freiheit in vielen Bereichen. Es gibt unzählige Beispiele - spontan nenne ich mal Gesundheit (Rauchverbot, Ausweitung der Versicherungspflicht), Umweltschutz (zahllose Bau-/Nachrüstvorschriften, Verbot der Glühbirne) oder das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.


    Und im Law-and-Order-Bereich haben wir - übrigens von fast allen Parteien - deutliche Schwenks hin zum konservativ-autoritären gehabt. Das Thema Sicherheit zieht, obwohl es dazu überhaupt keinen Anlass gibt, wie auch hier einschlägige Forschung festgestellt hat

    Ja und nein. Bei konkretem Anlass (z. B. Terroranschlag, sog. Amokläufer) läßt sich mit diesem Thema gut punkten, deswegen machen (fast) alle mit. Aber in der Praxis erscheint mir das Bild weniger eindeutig.


    Erstens fordere ich für den komplett hanebüchenen Vergleich im besten Beule'schen Sinne sofortge Blauschrift. Der hinkt ja nicht mal mehr :D Zweitens ist das eine sehr bemühte und auch einigermaßen kreative Umdeutung: Wenn die Bevölkerung zu etwas (egal was) mit überwiegender Mehrheit nein sagt, die Politik es aber dennoch beschließt und sich keine Alternative im Parteienspektrum dagegen finden lässt, haben wir ein Repräsentationsdefizit, darauf wollte ich hinaus. Nun rumzulavieren, dass das Ja der Politik ja gar nicht so weit vom Nein der Bevölkerung entfernt ist - nunja, merkste selbst, denke ich. Bei der Umfrage zu den Gastarbeitern ging es ja eben nur darum, ob diese kommen sollen oder nicht, nur um diese eine simple Frage (und nicht, wie lange sie bleiben, ob sie eingebürgert werden, was sie sonst noch so machen dürfen etc.pp., das ist hierfür völlig irrelevant). Mehr nicht.

    Mir ging es - auch das stand bereits oben - nicht um einen Eins-zu-Eins-Vergleich der beiden Themen, sondern darum, dass es nicht neu ist, dass die Bevölkerung in einer Sachfrage mehrheitlich deutlich anders denkt als die politischen Parteien und sich in diesem Punkt möglicherweise keine politische Repräsentation findet. Aber: Durch die integrative Kraft der Großmilieus hat dies eben nicht zwangsläufig zu Entfremdungseffekten geführt.

    Mir gefällt mein Vergleich weiterhin sehr gut :P
    Wenn man von einem Repräsentationsdefizit ausgeht, wenn eine Meinung nicht 1:1 repräsentiert wird, ist das begrifflich unproblematisch, hilft aber nicht wesentlich weiter, weil wir dann quasi ständig jede Menge Repräsentationsdefizite haben. Das gilt um so mehr, als es mehr als eine politische Frage zu beantworten gilt und wohl niemand eine Partei findet, mit der er zu 100 % auf einer Linie liegt.
    Meines Erachtens wird es akzeptiert, wenn jeder zumindest eine ähnliche Auffassung findet, der er sich "zur Not" anschließen kann. Das war m. E. im Bezug auf die (nicht repräsentierte) Auffassung "keine Gastarbeiter" noch halbwegs erfüllt durch "Gastarbeiter nur vorübergehend und damit nur zu unser aller wirtschaftlichem Nutzen". Dagegen ist die Position "keine Flüchtlinge aufnehmen" heute nicht einmal entfernt durch die etablierten Parteien repräsentiert.

    Einmal editiert, zuletzt von Chief (8. September 2016 um 18:15)

  • Also nun wirds wirklich krude - und in letzter Konsequenz total beliebig.Mal ganz davon abgesehen, dass ich zu allen von dir aufgeworfenen Fragen in meinen letzten Postings bereits längere Ausführungen vorgenommen habe.

    Tja, die Realität ist nun mal oft beliebig. Der gleiche Begriff kann seine Bedeutung durch das Hinzutreten einer einzigen Person
    völlig ändern. Stell dir nur die Situation vor, dass sich zwei Schwarze treffen und die sich mit dem N-Wort begrüßen - die Folge
    wird wohl ein Handschlag sein. Lass das man gleiche einen Hillbilly-Redneck sagen und die Reaktion wird eher ein Faustschlag sein.
    Der durch einen Begriff vermittelte Botschaft ändert sich z.B. durch unterschiedliche Sender und Empfänger, egal was Lexika zur
    Wortbedeutung sagen. Sind wir uns darin einig, dass es so ist?

    Gerade wegen dieser scheinbaren Beliebigkeiten haben sich Regeln etabliert, wie Begriffe zu verstehen sind. Wenn man wissen will,
    wie ein Begriff zu verstehen ist, muss man sich die Definitionen für den entsprechenden Kontext ansehen, nicht die aus einem Bereich,
    wo sie nicht gelten. Ein Beispiel. Wer vor 30 Jahren in einem Politik-Seminar saß und "BRD und DDR" sagte, wurde vielleicht nicht
    schräg angeschaut, sondern es wurde als neutrale Äußerung akzeptiert. Außerhalb des Seminarraums wurde die gleiche Formulierung
    als politische Positionierung und Aussage zum Verhältnis der beiden deutschen Staaten verstanden, weil die Regeln vor der Seminarraumstür
    andere waren als dahinter. Außerhalb war es ein Kampfbegriff.

    Genau so ist es heute auch. Mit deiner Aussage, dass bei "sozialdemokratisch" kaum einer an Rosa Luxemburg denkt, hast du völlig Recht.
    Nur heißt das eben nicht, dass die Masse der Leute bei "rechtsextrem" nicht an brennende Synagogen denken würden. Es heißt nur, dass der
    eine Begriff in einer bestimmten Weise aufgeladen ist, der andere nicht. Wenn du wissen willst, wie der Begriff "rechtsextrem" besetzt
    ist, musst du den Begriff nur mal bei der Google-Bildersuche eingeben. Bei "sozialdemokratisch" erscheint bei mir kein Bild von
    Luxemburg. Bei dir etwa?

    Es ist also nicht einfach der Chief oder ich, die beim Begriff "rechtsextrem" an solche Bilder denken. Es sind die so Bezeichneten selber,
    weil sie den "Code" auch kennen. Es sind die linken AfD-Kritiker, die den Code auch kennen und so benutzen, um vor der Nazi-Apokalypse
    zu warnen... und es natürlich auch die gesellschaftliche Mitte, an die solche Botschaften gerichtet sind. Entspricht das der wissenschaftlichen
    Forschung? Nein. Aber die Forschung unterscheidet wie der Verfassungsschutz zwischen rechtsradikal und rechtsextrem. Welche Bedeutung
    hat das für die öffentliche Debatte? Kaum eine: "In der politischen Auseinandersetzung werden die Begriffe ''rechtsextrem'' bzw. ''rechtsradikal''
    häufig synonym verwendet" (bpb).

    Ein verantwortlicher Umgang mit Begriffen ist mE, dass man Begriffe so benutzt, wie sie in einem bestimmten Kontext verstanden werden,
    nicht Leuten eine Botschaft zu senden, die vernünftigerweise als Diffamierung verstehen müssen, und sich dannn darauf hinaus zu reden, dass
    man eigentlich was anderes gemeint hat.


    Erstmal kommts auch hier wieder drauf an, welchen Politikbereich man zur Grundlage nimmt: In wirtschaftspolitischen Fragen war die DKP sicherlich "linker" (irgendwie ein unglücklicher Begriff) eingestellt als die Linkspartei, in gesellschaftlich kulturellen (also: Werte-)Fragen ist eindeutig die heutige Linkspartei "linker" gegenüber der DKP - wie eben alle Parteien in diesen Bereichen nach links gerückt sind (führte ich ja bereits weiter oben aus).

    Hier betreibst du Rosinenpickerei. Selbst wenn wir der der Einfachheit halber mal davon ausgehen, dass alle Parteien in dem Bereich nach links
    gerückt sind, ist das nur ein Bereich und für viele Menschen kein besonders wichtiger. Dass die DKP nicht nur im wirtschaftlichen Bereich linker
    war, sondern auch in zentralen anderen Bereichen, sind man z.B. daran, dass die DKP sogar noch am "demokratischen Zentralismus" fest hielt,
    als die PDS ihn schon aufgeben hatte und hier in Richtung Mitte gerückt war. Wie sah es in der Außenpolitik und im Umgang mit linken
    Regimen aus? Wie sah es mit einer streng ideologischen Interpretation aller Lebensbereiche aus, die so weit ging, dass man zwischen guten - also
    sozialistischen - und bösen - also kapitalistischen Atomkraftwerken - unterschied? In all diesen Bereichen ist die Linke heute geradezu handzahm -
    und wegen ihres Drifts zur Mitte in Wahlen auch erfolgreicher.

    Übrigens warte ich noch immer auf das Beispiel für einen Streitpunkt zwischen CDU und SPD, der auch nur annähernd dem entspricht, was
    Ostpolitik oder NATO-Doppelbeschluss damals bedeuteten.

    "I guess football has always been a barometer of the times: the takeover of Manchester United was a perfect manifestation of the unacceptable face of modern capitalism." - Jarvis Cocker.

  • Derek, wir drehen uns im Kreis, die Vergleiche werden immer unpassender und auch objektiv kappes (würde dir wirklich jeder Kulturwissenschaftler umme Ohren hauen), zudem habe ich zu allen Punkten/Fragen bereits Ausführliches geschrieben. Das ist mir ein wenig zu ermüdend.

    War jetzt auch wirklich meine letzte Antwort dazu, weiter kriegste mich in deinem Spielchen nicht.


    Aber um mal wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen: ein streitbares Interview mit Ole von Beust zu Berlin/Hamburg, der Frage des Umgangs der CDU mit der AfD sowie der Option schwarz/grün.

  • Die aktuelle Entwicklung ist wirklich besorgniserregend. Hitler und die NSDAP hätten es heute noch einfacher als zu ihrer Zeit. Damals Bedarf es noch einem Redner und Mitreisenden Demagogen. Heute reichen einige rechte Trottel ohne Ahnung um ein ganzes Land in einen Unrechtsstaat zu verwandeln.

    R.I.P J.Johnson

  • Die aktuelle Entwicklung ist wirklich besorgniserregend. Hitler und die NSDAP hätten es heute noch einfacher als zu ihrer Zeit. Damals Bedarf es noch einem Redner und Mitreisenden Demagogen. Heute reichen einige rechte Trottel ohne Ahnung um ein ganzes Land in einen Unrechtsstaat zu verwandeln.

    Das ist ziemlicher Unsinn oder Schmarrn, wie man in München wohl eher sagt.