Aktuelle Bundespolitik

  • Lindner & die FDP

    deckt sich mit meinen Eindrücken und Wahrnehmungen.

    Persönlich hab ich bei aller Lobhudelei jedoch das unüberwindbare Hindernis, daß er (ähnlich wie ein Friedrich Merz damals) für mich aufgrund seiner Parteizugehörigkeit unwählbar erscheint. Wenn er einen auf Macron macht, ändert sich das vielleicht :D

    Unbestritten jedoch, daß er den Liberalen neues Leben eingehaucht hat, vielleicht schaffen sie es ja sogar, sich bis zum Herbst als seriöse Wahlalternative zu etablieren. Könnte mir schon vorstellen, daß etwa gemäßigte AFDler, die mit dem eigenen Rechtsruck nichts anfangen können, eine neue schwarzgelbe Heimat finden. Aus SPD und Grünen sind wohl eher weniger Wählerwanderungen zu ihnen hin zu erwarten, aber enttäuschte CDUler, denen Merkel zu lasch ist sehen in ihnen eventuell auch eine ernsthafte Option. (Auch wenn das dann hinsichtlich der Koalitionsbildung gehupt wie gesprungen wäre)


  • Der größte Freund der FDP ist die Zeit. Die Zeit die vergangen ist und die Erinnerung die verblasst. Was war das damals für ein ekelhafter Haufen, der besserwisserisch durch die Talkshows und Parlamente gezogen ist (man erinnere sich an Martin Lindner). Die Begrifflichkeit des Ich-kenn-Alles-Westerwelle findet noch regelmäßig Einzug in meinen Wortschatz.

    Klar können sie sich "neu erfinden", aber mitunter ist das auch nur ein branding und keine wirkliche Abkehr von dem was sie mal waren und (m.E.n.) heute immer noch sind: nach Außen freiheitlich, im Herzen Manchesterkapitalisten. Diesen Eindruck gilt es mit aller Macht zu vermeiden und bei Christian Lindner ist das auch hart auf Kante genäht. Ich hab meine Zweifel, das der es einen ganzen Bundestagswahlkampf lang schafft, den "Freund der Realität" zu verstecken.

    Ich hab hier an einem anderen Ort auch schonmal beschrieben das sie beim Thema Zuwanderung ein echtes home run Thema haben, bei dem sie auf Umwegen, aber glaubhaft, einige Stimmen abfischen können, von enttäuschten Konservativen bis zu unschöneren Gestalten. "Zuwanderung nach Wirtschaftsnachfrage" ist ein Ansatz der sich den typischen Abwehrhaltungen geschickt entzieht. Da wär ich dann auch in einem ordentlichen Dilemma, denn ich will die wirklich nicht wählen.

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    It is time for us to do what we have been doing and that time is every day.

  • Der größte Freund der FDP ist die Zeit. Die Zeit die vergangen ist und die Erinnerung die verblasst. Was war das damals für ein ekelhafter Haufen, der besserwisserisch durch die Talkshows und Parlamente gezogen ist (man erinnere sich an Martin Lindner). Die Begrifflichkeit des Ich-kenn-Alles-Westerwelle findet noch regelmäßig Einzug in meinen Wortschatz.

    Klar können sie sich "neu erfinden", aber mitunter ist das auch nur ein branding und keine wirkliche Abkehr von dem was sie mal waren und (m.E.n.) heute immer noch sind: nach Außen freiheitlich, im Herzen Manchesterkapitalisten. Diesen Eindruck gilt es mit aller Macht zu vermeiden und bei Christian Lindner ist das auch hart auf Kante genäht. Ich hab meine Zweifel, das der es einen ganzen Bundestagswahlkampf lang schafft, den "Freund der Realität" zu verstecken.

    Ich hab hier an einem anderen Ort auch schonmal beschrieben das sie beim Thema Zuwanderung ein echtes home run Thema haben, bei dem sie auf Umwegen, aber glaubhaft, einige Stimmen abfischen können, von enttäuschten Konservativen bis zu unschöneren Gestalten. "Zuwanderung nach Wirtschaftsnachfrage" ist ein Ansatz der sich den typischen Abwehrhaltungen geschickt entzieht. Da wär ich dann auch in einem ordentlichen Dilemma, denn ich will die wirklich nicht wählen.

    Ich sehe die "alte" FDP nicht ganz so negativ sehe wie Du. Vor allem halte ich die Wortwahl "Manchesterkapitalisten" für deutlich übertrieben. Der klassische Manchester-Kapitalismus ist auch von der FDP so weit entfernt wie die Erde vom Saturn: Typische Phänomene waren z. B. Kinderarbeit, Arbeitszeiten von mindestens 12 Stunden täglich (bei harter körperlicher Arbeit), Hungerlöhne im wörtlichen Sinne, fehlender Arbeitsschutz (Arbeitssicherheit), fehlende soziale Absicherung bei (Arbeits-)Unfällen oder Erkrankung, (absolute) Armut der Alten, Schwachen, Behinderten und Kranken. Nichts davon gibt es heute noch (in Deutschland), nichts davon fordert irgendjemand bei der FDP. Wenn man also heute von "Manchesterkapitalisten" spricht, handelt es sich wohl eher um einen politischen Kampfbegriff.

    Gleichwohl gebe ich Dir in der allgemeinen Einschätzung Recht, dass die FDP von dem Effekt "Die Zeit heilt alle Wunden" profitiert haben dürfte. Die Protagonisten hatten sich vor ein paar Jahren so unbeliebt gemacht, dass sie in ihren klassischen Wählerschichten - einschließlich der "Leihstimmen" aus der CDU - nicht einmal genug Stimmen kam, um die 5%-Hürde zu knacken.

    Nachdem sie einige Zeit nicht im Rampenlicht standen, sind die negativen Wahrnehmungen der Wähler verblasst. Zudem gibt es durchaus "Nachfrage" nach einer Partei, die klassische liberale Themen besetzt. Zwar sind die Grünen auch eine partiell konservative und partiell liberale Partei, aber sie decken eben nicht das gesamte liberale Spektrum ab.

    3 Mal editiert, zuletzt von Chief (16. Mai 2017 um 20:39)

  • Wenn man also heute von "Manchesterkapitalisten" spricht, handelt es sich wohl eher um einen politischen Kampfbegriff.

    Auch wenn ichs nicht 100% ernst gemeint habe, darf man das von mir aus auch so verstehen. Die Karikatur entsteht halt (ein bischen ungerecht) wenn man im politischen Spektrum andere Parteien hat, die arbeitnehmerfreundlicher sind und man selbst dann immer auf der anderen Seite des Arguments wuchert. Dann bleibt qualitativ eben keine Einsicht in die Grenzen der FDP, auch wenn realistischerweise wohl noch Platz bleiben wird zwischen ihnen und wirklichen Manchesterkapitalisten (wir werdens nie erfahren :P )

    Übrigens noch eine Beobachtung aus 'Hart aber fair' gestern: der Moderator erzwingt per doppelter Nachfrage von Söder ein Kommentar zur Rejustierung des Krankenkassenbeitrags der Arbeitnehmer (zurück auf 50/50).
    Antwort Söder: "Nö..."

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  • Mit Blick auf den Steuererhöhungsvorschlag der niedersächsischen SPD frage ich mich: Wer ist eigentlich diese Mittelschicht, die damit entlastet werden soll?!

  • Mit Blick auf den Steuererhöhungsvorschlag der niedersächsischen SPD frage ich mich: Wer ist eigentlich diese Mittelschicht, die damit entlastet werden soll?!

    Die Mittelschicht fängt jetzt anscheinend schon bei knapp über Existenzminimum an und geht so bis 40.000 Brutto

    Dann mach ich eben mein eigenes Forum auf...mit Blackjack und Nutten!

  • Vor ein paar Monaten träumte die AfD von mehr als 20 %, und jetzt erscheint fraglich, ob sie bei der Bundestagswahl überhaupt noch ins Parlament einziehen werden.

    Den Film habenwir ja schon mal gesehen. Nannte sich Piraten, die auch ziemlich deutlich in jedes Landesparlament eingezogen sind und jeder sie im nächsten Bundestag sah. Jetzt hat man sich in NRW aus dem letzten Landtag verabschiedet.
    Die parallelen
    (innerparteiliche Querelen, Streit um Programmausrichtung ) sind auch offensichtlich...

    #FIREJOSEPH

  • Den Film habenwir ja schon mal gesehen. Nannte sich Piraten, die auch ziemlich deutlich in jedes Landesparlament eingezogen sind und jeder sie im nächsten Bundestag sah. Jetzt hat man sich in NRW aus dem letzten Landtag verabschiedet.Die parallelen
    (innerparteiliche Querelen, Streit um Programmausrichtung ) sind auch offensichtlich...

    Nur fürchte ich, dass die vier Monate bis zur Wahl eine zu kurze Zeit für die AfD sind, um sich selbst zu zerlegen.
    Aber das Muster gab es wirklich schon öfter. Mir fällt da noch die Schill Partei ein, die genauso schnell abstürzte wie sie aufkam.

    Keep Pounding

  • Die Mittelschicht fängt jetzt anscheinend schon bei knapp über Existenzminimum an und geht so bis 40.000 Brutto

    Gut das du das auch mit Fakten belegst.

    Hier mal zum Thema. Klingt für mich erstmal nicht so abwegig.

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ana…enern-1.3509463


    Zitat

    Paare, bei denen nur einer der Partner verdient, müssten erst ab einem monatlichen Bruttoeinkommen von 18 700 Euro mehr Steuern zahlen. Die maximale Entlastung entfiele auf ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 11 500 Euro.

  • Gut das du das auch mit Fakten belegst.
    Hier mal zum Thema. Klingt für mich erstmal nicht so abwegig.

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ana…enern-1.3509463

    Der Satz kann aber nicht passen. Das würde ja bedeuten , dass man mit einem Brutto Einkommen (als paar) von 18 500 Euro im Monat (222.000 Euro im Jahr) keine höheren Steuern zahlen soll.Ab 150.000 soll doch der der neue Spitzensteuersatz greifen. :paelzer:

    #FIREJOSEPH

  • Dieses ständige Gerede von Steuererleichterungen geht mir echt auf den Keks. Wenn die ernsthaft kleine und mittlere Einkommen entlasten wollen, dann müssen die bei den Sozialversicherungsbeiträgen ansetzen und nicht bei den Steuern.

    Keep Pounding

  • Dieses ständige Gerede von Steuererleichterungen geht mir echt auf den Keks. Wenn die ernsthaft kleine und mittlere Einkommen entlasten wollen, dann müssen die bei den Sozialversicherungsbeiträgen ansetzen und nicht bei den Steuern.

    Ist sowieso nur Wahlkampfgerede. Da kann man alle 4 Jahre sie Uhr danach stellen das die Parteien das Thema ausgraben. Und dann kommt eine Minientlastung und das wars. Anstatt das Thema mal richtig anzugehen. Aber wer hat da schon Interesse daran

  • Der Satz kann aber nicht passen. Das würde ja bedeuten , dass man mit einem Brutto Einkommen (als paar) von 18 500 Euro im Monat (222.000 Euro im Jahr) keine höheren Steuern zahlen soll.Ab 150.000 soll doch der der neue Spitzensteuersatz greifen. :paelzer:

    Hatte den ersten Teil nicht zitiert. "Familien mit zwei Kindern "

  • Dieses ständige Gerede von Steuererleichterungen geht mir echt auf den Keks. Wenn die ernsthaft kleine und mittlere Einkommen entlasten wollen, dann müssen die bei den Sozialversicherungsbeiträgen ansetzen und nicht bei den Steuern.


    Richtig ist, dass kleine und mittlere Einkommen ohnehin fast keine Einkommensteuer zahlen. Der Grundfreibetrag wurde seit 1998 bis 2017 sukzessive von 6.322 € auf 8.820 € erhöht. Der Kinderfreibetrag liegt bei 4.716 €. Gedanklich sollte man im Regelfall noch den Arbeitnehmerpauschbetrag in Höhe von 1.000 € berücksichtigen. Der Eingangssteuersatz wurde von 1998 bis 2017 sukzessive von 25,9 % auf 14,0 % reduziert. Dieser steigt in der Progressionszone (vom 8.820 € zvE bis 53.666 € zvE) linear auf 42 % an. Die sog. Reichensteuer von 45 % wird ab einem zvE von 256.303 € fällig.

    Um einmal eine Vorstellung von der Größenordnung zu erhalten (aus der "Grundtabelle")

    zvE pro Jahr 12.000 € 18.000 € 24.000 € 30.000 € 36.000 € 42.000 € 48.000 € 54.000 € 60.000 €
    Einkommensteuer 547 € 1.993 € 3.626 € 5.419 € 7.374 € 9.489 € 11.766 € 14.204 € 16.724 €


    Wenn man meint, die kleinen und mittleren Einkommen - was immer das auch sein mag - gezielt entlasten zu wollen, könnte man wesentlich stärkere Effekte erzielen, indem man die Umsatzsteuer oder die Sozialversicherungsbeiträge senkt. Beides hat allerdings andere Nachteile. Im europäischen Vergleich ist die Umsatzsteuer in Deutschland mit 19 % schon relativ niedrig (Regelsätze zwischen 17 und 27 %, meist zwischen 20 und 25 %). Wenn man Sozialversicherungsbeiträge senken will, muss man die Struktur der Sozialversicherung im Grunde völlig ändern.

    Fraglich ist allerdings, ob man überhaupt speziell diejenigen weiter entlasten soll, die ohnehin schon massiv von den anderen subventioniert werden.

    Mir scheint die immer wiederkehrende Formulierung von der "Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen" (oder analog einer stärkeren Belastung der "Reichen" oder "Besserverdienenden") eher eine Wahlkampffloskel zu sein: Da sich (fast) niemand subjektiv für reich oder besserverdienend hält - schon der Komparativ ist terminologisch clever gewählt - und sich daher fast jeder den "kleinen und mittleren Einkommen" zugehörig empfindet, erzielt man hierdurch eine wohlwollende Stimmung beim Wähler. Wenn man konkret wird, wird sich die Zustimmung in Grenzen halten.

    Einmal editiert, zuletzt von Chief (18. Mai 2017 um 17:55)


  • Fraglich ist allerdings, ob man überhaupt speziell diejenigen weiter entlasten soll, die ohnehin schon massiv von den anderen subventioniert werden.

    Das ist natürlich eine politische Entscheidung. Will ich die Arm-Reich Schere weiter aufgehen lassen oder wäre es für den Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht besser, wenn man da ein wenig gegensteuert.

    Deine Tabelle ist auch recht nett. Richtig interessant wird die aber erst, wenn man sie bis mindestens 100 000 € fortführt und die Sozialversicherungsbeiträge mit einrechnet. Dann ist das mit dem Subventionieren auch nicht mehr so deutlich, wie du es hier andeutest. Mal ganz abgesehen davon, dass Kapitaleinkünfte bei der Aufteilung der sozialen Lasten überhaupt nicht berücksichtigt werden.

    Du kannst die "Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen" gerne als Wahlkampffloskel abtun. Was ich anprangere ist, dass diese Floskel benutzt wird um Steuersenkungen zu erreichen, von denen dann hauptsächlich die höheren EInkommen profitieren. Wenn du der Meinung bist, dass die Reichen ruhig immer reicher werden dürfen und die Armen arm bleiben sollen, dann ist das natürlich egal.

    Keep Pounding

  • Das ist natürlich eine politische Entscheidung. Will ich die Arm-Reich Schere weiter aufgehen lassen oder wäre es für den Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht besser, wenn man da ein wenig gegensteuert.
    Deine Tabelle ist auch recht nett. Richtig interessant wird die aber erst, wenn man sie bis mindestens 100 000 € fortführt und die Sozialversicherungsbeiträge mit einrechnet. Dann ist das mit dem Subventionieren auch nicht mehr so deutlich, wie du es hier andeutest. Mal ganz abgesehen davon, dass Kapitaleinkünfte bei der Aufteilung der sozialen Lasten überhaupt nicht berücksichtigt werden.

    Du kannst die "Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen" gerne als Wahlkampffloskel abtun. Was ich anprangere ist, dass diese Floskel benutzt wird um Steuersenkungen zu erreichen, von denen dann hauptsächlich die höheren EInkommen profitieren. Wenn du der Meinung bist, dass die Reichen ruhig immer reicher werden dürfen und die Armen arm bleiben sollen, dann ist das natürlich egal.

    Definier mal Deine subjektive Sicht von "reich"

    Dann mach ich eben mein eigenes Forum auf...mit Blackjack und Nutten!

  • Definier mal Deine subjektive Sicht von "reich"

    Ist natürlich nahezu unmöglich da eine konkrete Grenze festzulegen. Aber wenn die reichsten 10% der Bevölkerung über 60% des Vermögens haben, dann darf man sie sicher als reich bezeichnen. Das Problem ist, dass diese Vermögen immer größer werden, während die Vermögen der unteren Bevölkerungshälfte stagnieren.

    Und wenn es noch um die EInkommen geht, das Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers betrug 2016 etwa 33 000€. Also würde ich alles ungefähr in der Gegend als mittleres Einkommen bezeichnen, vielleicht von 20-50 tsd. Natürlich muss man darüberhinaus auch noch unterscheiden. Wenn ich sage, jemand mit 70 000 € hat ein höheres EInkommen, ist das immer noch eine ganz andere Liga als jemand mit hohen 6 oder gar siebenstelligen EInkünften.

    Keep Pounding

  • Das ist natürlich eine politische Entscheidung. Will ich die Arm-Reich Schere weiter aufgehen lassen oder wäre es für den Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht besser, wenn man da ein wenig gegensteuert.
    Deine Tabelle ist auch recht nett. Richtig interessant wird die aber erst, wenn man sie bis mindestens 100 000 € fortführt und die Sozialversicherungsbeiträge mit einrechnet. Dann ist das mit dem Subventionieren auch nicht mehr so deutlich, wie du es hier andeutest. Mal ganz abgesehen davon, dass Kapitaleinkünfte bei der Aufteilung der sozialen Lasten überhaupt nicht berücksichtigt werden.

    Du kannst die "Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen" gerne als Wahlkampffloskel abtun. Was ich anprangere ist, dass diese Floskel benutzt wird um Steuersenkungen zu erreichen, von denen dann hauptsächlich die höheren EInkommen profitieren. Wenn du der Meinung bist, dass die Reichen ruhig immer reicher werden dürfen und die Armen arm bleiben sollen, dann ist das natürlich egal.

    Das ist ein endloses Thema. Man kann praktisch jeden Punkt auch anders sehen bzw. die Zahlen anders interpretieren. Ob die "Schere" weiter aufgeht oder nicht, ist sehr umstritten. Außerdem kommt es natürlich darauf an, was man überhaupt unter "arm" und "reich" versteht. Zählt man beispielsweise Einkommen oder Vermögen? Zählt die selbstbewohnte Immobilie und ggf. wie? Zählt man Ansprüche gegen den Staat, ggf. alle oder nur solche, die auf eigener Leistung beruhen (z. B. Pensions-/Rentansprüche)? Versteht man die Begriffe absolut oder relativ?

    In vielen einschlägigen Statistiken zählt man als Single schon mit ca. 3.100 € netto im Monat als "reich" (obere 10 %) - für Paare oder gar Familien ist pro Kopf gerechnet noch deutlich weniger erforderlich. "Obere 10 %" klingt immer so weit weg, aber das ist eine sehr große Gruppe, zu der viele Menschen gehören, die nicht im Traum daran denken würden, "reich" zu sein.

    Auch die Frage, ob Kapitaleinkünfte nun besonders gut oder besonders schlecht behandelt werden, kann man endlos diskutieren. Richtig ist, dass aus ihnen keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt werden. Das ergäbe m. E. aber zumindest hinsichtlich Arbeitslosen- und Rentenversicherung nun wirklich überhaupt keinen Sinn. Höchstens bei den Krankenkassenbeiträgen könnte man es in Erwägung ziehen, aber das könnte man beim Lottogewinn, bei der Erbschaft, bei der Schenkung etc. genauso.

    Im Bereich der Sozialversicherungsbeiträge haben wir zwar bis zur Kappungsgrenze keine Progression, aber beispielsweise findet im Bereich der Krankenkassenbeiträge auch eine Subvention der niedrigeren Einkommen statt, weil sie den vollen Krankheitsschutz genießen, obwohl sie weniger zahlen. Das ist schon gut und richtig so, nur ist es eben eine von vielen Subventionen.

    Von Steuersenkungen müssen nicht zwingend die Ärmeren weniger profitieren, jedenfalls nicht prozentual. Es kommt immer auf die konkrete Maßnahme an.

    Ist natürlich nahezu unmöglich da eine konkrete Grenze festzulegen. Aber wenn die reichsten 10% der Bevölkerung über 60% des Vermögens haben, dann darf man sie sicher als reich bezeichnen. Das Problem ist, dass diese Vermögen immer größer werden, während die Vermögen der unteren Bevölkerungshälfte stagnieren.
    Und wenn es noch um die EInkommen geht, das Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers betrug 2016 etwa 33 000€. Also würde ich alles ungefähr in der Gegend als mittleres Einkommen bezeichnen, vielleicht von 20-50 tsd. Natürlich muss man darüberhinaus auch noch unterscheiden. Wenn ich sage, jemand mit 70 000 € hat ein höheres EInkommen, ist das immer noch eine ganz andere Liga als jemand mit hohen 6 oder gar siebenstelligen EInkünften.

    Man kann diese Argumente immer von zwei Seiten sehen: Einerseits gehört den reichsten x % immer auch ein großer Teil des Gesamtvermögens, andererseits finanzieren die reichsten x % faktisch durch ihre Steuer und Abgaben auch den größten Teil der Bevölkerung mit. Sind es nun die bösen Reichen, die raffgierig alles an sich reißen, oder sind es die guten Reichen, die den anderen ein vergleichsweise gutes Leben ermöglichen?

    Zudem: Zu den reichsten 10 % gehört man laut einem SZ-Artikel aus dem vergangenen Herbst schon mit einem Haushalts(!)vermögen von 468.000 €. Dafür kriegst Du im Rhein-Main-Gebiet kaum ein Einfamilienhaus. Prof. Otte hat mal gesagt, dass man seiner Einschätzung nach ab 4 Mio. € ein selbstbestimmtes Leben führen könnte. Ich vermute, dass er die Zahl für einen Unternehmer mit Familie und ohne Rentenansprüche gemeint hat. Mir persönlich erscheint das der Größenordnung nach ein vernünftiger Wert. Für meinen Geschmack beginnt "reich" erst signifikant darüber. Aber das ist - insofern hast Du völlig Recht - eben schwer zu objektivieren.

    Ach ja: Sind die von Dir genannten Beträge brutto oder netto, vor oder nach Sozialversicherungsbeiträgen zu verstehen?

    2 Mal editiert, zuletzt von Chief (18. Mai 2017 um 21:50)

  • Die 33 000 € sind der Durchschnittsbruttoverdienst eines Arbeitnehmers in Deutschland. Entsprechend sind meine anderen Zahlen auch brutto.

    Natürlich ist die Frage, ob jemand arm oder eich ist immer eine Frage der Betrachtungsweise. Nehmen wir mal eine Single, der zum Mindestlohn arbeitet. Der hat dann 8,84€ * 37h *13 /3 = 1417€ im Monat. Der zahlt etwa 60€ Steuern und 300€ Sozalversicherung, bleiben 1060€ im Monat. Ohne zu übertrieben kann man 300€ für Miete, 100€ für Nebenkosten, 300€ für Lebensmittel und Getränkke, 50 € für Telefon, Internet und Handy und nochmal 40€ für die Monatskarte im ÖPNV ansetzen. Bleiben noch 270€ für Versicherungen, Kleidung, private Altersvorsorge, Möbel, Elektrogeräte, Zuzahlungen für Heil- und Arzneimittel usw. über. Vom Rest kann er sich dann (leicht überspitzt ausgedrückt) überlegen, ob er sich den Monat ein Netflix oder DAZN Abo leistet oder einmal ins Kino geht. Und wenn da ein anderer Single jeden Monat 2000€ netto mehr zur Verfügung hat, dann ist das aus Sicht des Mindestlohnarbeiters ein riesiger Haufen Kohle jeden Monat.

    Natürlich nimmt der 3100€ Single das nicht so wahr. Der zahlt dann 300€ mehr für Wohnkosten, braucht jeden Monat 500€ fürs Auto, kauft Markenlebensmittel für 500€ usw. Aus seiner Sicht ist er dann nicht reich. Gibt ja immer noch Leute, die wesentlich reicher sind und mit der Yacht an der Cote d'Azur langschippern. Da kommt dann der von dir im Lebenszufriedenheitsthread angesprochene sinkende Ertrag von materiellen Gütern ins Spiel. Da wird das 30000€ Auto nicht als Reichtum wahrgenommen, oder die 15000€ Küche (das sind jetzt schon fast 3 Jahresgehälter unseres Mindestlohnarbeiters), die teuren Markenklamotten im Kleiderschrank, die hochwertige Wohnungseinrichtung, das Sky Abo, der Gamepass, der jährliche Urlaub und und und.

    Ja, ein Single mit 3100€ netto ist verhältnismäßig reich. Oder meinetwegen auch gut verdienend. Aber als mittleres Einkommen geht das für mich nicht mehr durch. Natürlich gibt es Leute, die noch mehr verdienen und auch unser Single würde sich über mehr Einkommen sicher nicht beklagen, da fände er bestimmt Verwendung für. Unser Mindestlohnarbeiter wüßte natürlich auch was mit mehr Geld anzufangen. Und jetzt beginnt die politische Entscheidung, wen von den beiden man von den zu erwarteten Steuermehreinnahmen entlasten sollte.

    Keep Pounding

  • Ich finde den Grundansatz schon falsch. Es sollte keine Steuersenkungen geben, die wieder mit der Gieskanne verteilt werden, sondern Kosten im öffentlichen Bereich ( gerade bei der Kinderbetreuung ) müssen gesenkt werden. Wenn ich in Rheinland Pfalz mein Kind in die Kita bringe, zahle ich nichts. Eine gute Bekannte von mir die 30 km weiter in Hessen wohnt, zahlt über 300 Euro im Monat für ihre 2 Jährige. Und da sie alleinerziehend und voll berufstätig ist, hat sie keine andere Wahl. Da würden auch 50 Euro Entlastung bei der Steuer nicht viel bringen. Bei älteren Kindern hat man dann das Glück oder Pech ob es eine Ganztagsschule gibt oder nicht. Ansonsten zahlt man den Hort.

    Und der Mindestlohn ist okay aber zu niedrig. Davon kann kein normaler Mensch leben

  • Natürlich ist die Frage, ob jemand arm oder eich ist immer eine Frage der Betrachtungsweise. Nehmen wir mal eine Single, der zum Mindestlohn arbeitet. ... 1417€ im Monat. ... Und wenn da ein anderer Single jeden Monat 2000€ netto mehr zur Verfügung hat, dann ist das aus Sicht des Mindestlohnarbeiters ein riesiger Haufen Kohle jeden Monat.

    Natürlich nimmt der 3100€ Single das nicht so wahr. ... Ja, ein Single mit 3100€ netto ist verhältnismäßig reich. Oder meinetwegen auch gut verdienend. Aber als mittleres Einkommen geht das für mich nicht mehr durch. ... Und jetzt beginnt die politische Entscheidung, wen von den beiden man von den zu erwarteten Steuermehreinnahmen entlasten sollte.

    Es gibt Untersuchungen in der Psychologie, die besagen, dass man normalerweise jemanden als "reich" empfindet, der mehr als doppelt so viel verdient wie man selbst. Das mag bei extremem Reichtum mal anders sein, aber sonst empfindet sich kaum jemand als reich. Warren Buffett hat in Bezug auf die "The giving pledge"-Initiative mal erzählt, dass es manchmal verdammt schwer sei, einen Milliardär davon zu überzeugen, dass er sich auch mit 500 Mio. USD noch keine Sorgen machen müßte.

    Hinsichtlich der Steuermehreinnahmen sollte man sich m. E. zunächst einmal überlegen, ob man überhaupt jemanden "entlasten" soll. Angesichts diverser Schattenhaushalte und latenter Zahlungsverpflichtungen in unvorstellbarer Höhe (Schlagwort: Euro-Rettung) wäre es - ganz dem Keynesianischen Konzept entsprechend - erwägenswert, Schulden zurückzuzahlen. Alternativ käme die Investition in längst fällige Infrastrukturprojekte (z. B. Renovierung von Gebäuden oder Straßen), die Schaffung zusätzlicher Kita-Plätze (ich meine in den letzten Tagen gelesen zu haben, dass angeblich 300.000 fehlen), die Investition in Bildung (z. B. zusätzliche Lehrer) oder in die kaputtgesparte Justiz (Polizisten, Staatsanwälte, Richter) in Betracht ... oder ... oder ... oder - die Liste ist endlos. Aber im Kern hast Du natürlich völlig Recht: Wieviele Steuern und Abgaben man von wem erhebt und wie man das Geld verwendet, das ist eine politische Entscheidung.

    Und der Mindestlohn ist okay aber zu niedrig. Davon kann kein normaler Mensch leben

    Der Mindestlohn ist gewiss nicht üppig, aber wenn "kein normaler Mensch" von ca. 1.050 € netto nach Sozialversicherungen leben kann, ist das auch ein Problem der Anspruchshaltung. In dem - bereits in einem anderen Thread erwähnten - Buch "Aussteigen - light" beschreibt der promovierte Philosoph Andreas N. Graf, wie seine vierköpfige Familie von 750 € monatlich inklusive Auto lebt (, wobei sie sich aus Ersparnissen ein altes Haus gekauft haben, in dem sie leben, also keine Miet-, sondern nur Reparatur-/Instandsetzungskosten haben). Lass es inflationsbereinigt heute 800 € sein, dann sind es immer noch nur 200 € pro Person. Das ist sicher extrem, und ich würde es niemandem in unserer Gesellschaft zwangsweise zumuten wollen. Aber es verdeutlicht, dass wir alle von viel weniger leben könnten, als wir es tun.

    Daneben ist es natürlich eine grundsätzliche Frage, ob es überhaupt einen Mindestlohn geben soll und ob dieser ausreichen soll, dass "ein normaler Mensch davon leben" kann. Ökonomisch ist das vermutlich wenig sinnvoll, sozialpolitisch vielleicht schon.

    2 Mal editiert, zuletzt von Chief (19. Mai 2017 um 11:48)

  • Natürlich ist die Frage, ob jemand arm oder eich ist immer eine Frage der Betrachtungsweise. Nehmen wir mal eine Single, der zum Mindestlohn arbeitet. Der hat dann 8,84€ * 37h *13 /3 = 1417€ im Monat. Der zahlt etwa 60€ Steuern und 300€ Sozalversicherung, bleiben 1060€ im Monat. Ohne zu übertrieben kann man 300€ für Miete, 100€ für Nebenkosten, 300€ für Lebensmittel und Getränkke, 50 € für Telefon, Internet und Handy und nochmal 40€ für die Monatskarte im ÖPNV ansetzen.

    Dabei kommt es ja bei allen Kostenpunkten bei dir noch mal drauf an, wo man wohnt. Klar wird keiner gezwungen in einer Großstadt zu wohnen (Obwohl das auch berufsabhängig ist), trotzdem passt sich der Mindestlohn nicht an die jeweiligen Gegebenheiten an.

  • Dabei kommt es ja bei allen Kostenpunkten bei dir noch mal drauf an, wo man wohnt. Klar wird keiner gezwungen in einer Großstadt zu wohnen (Obwohl das auch berufsabhängig ist), trotzdem passt sich der Mindestlohn nicht an die jeweiligen Gegebenheiten an.

    Ich bin bei den Zahlen von Oldenburg ausgegangen. Nicht ganz hochpreisig, aber auch nicht mehr ganz billig. Bei Miete habe ich eine 45qm Altbauwohnung in den äußeren Stadtbezirken veranschlagt.

    Keep Pounding

  • Ist natürlich nahezu unmöglich da eine konkrete Grenze festzulegen. Aber wenn die reichsten 10% der Bevölkerung über 60% des Vermögens haben, dann darf man sie sicher als reich bezeichnen. Das Problem ist, dass diese Vermögen immer größer werden, während die Vermögen der unteren Bevölkerungshälfte stagnieren.

    Hier sprichst du aber von Vermögen und nicht von Einkommen. Sollten zumindest mittlere Vermögen in Deutschland in den letzten Jahren tatsächlich stagniert sein, dann kann man das wohl kaum der Politik vorwerfen.

  • Es gibt Untersuchungen in der Psychologie, die besagen, dass man normalerweise jemanden als "reich" empfindet, der mehr als doppelt so viel verdient wie man selbst. Das mag bei extremem Reichtum mal anders sein, aber sonst empfindet sich kaum jemand als reich.

    Dann ist die Definition von reich ja eigentlich ganz einfach. Man nehme das doppelte des Durchschnitteinkommens und ab da beginnt der Reichtum. Wäre also ab ca 66 000 € Wenn der Reiche das nicht so empfindet liegt das aber an seinem Empfinden und nicht an seinem fehlenden Reichtum.


    Hinsichtlich der Steuermehreinnahmen sollte man sich m. E. zunächst einmal überlegen, ob man überhaupt jemanden "entlasten" soll. Angesichts diverser Schattenhaushalte und latenter Zahlungsverpflichtungen in unvorstellbarer Höhe (Schlagwort: Euro-Rettung) wäre es - ganz dem Keynesianischen Konzept entsprechend - erwägenswert, Schulden zurückzuzahlen. Alternativ käme die Investition in längst fällige Infrastrukturprojekte (z. B. Renovierung von Gebäuden oder Straßen), die Schaffung zusätzlicher Kita-Plätze (ich meine in den letzten Tagen gelesen zu haben, dass angeblich 300.000 fehlen), die Investition in Bildung (z. B. zusätzliche Lehrer) oder in die kaputtgesparte Justiz (Polizisten, Staatsanwälte, Richter) in Betracht ... oder ... oder ... oder - die Liste ist endlos.

    Da hast du sicherlich recht, mir würde da sicherlich auch reichlich einfallen. Allerdings bezog ich mich zu Beginn dieser Diskussion auf aktuell von Politikern geforderte oder angekündigte Steuersenkungen. Da war meine Aussage lediglich, dass man eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen besser erreicht, wenn man Sozialversicherungsbeiträge senkt. Bei Steuererleichterungen, z.B. durch Anhebung der Grundfreibeträge würden hohe Einkommen deutlich stärker profitieren als kleine Einkommen.

    Der Mindestlohn ist gewiss nicht üppig, aber wenn "kein normaler Mensch" von ca. 1.050 € netto nach Sozialversicherungen leben kann, ist das auch ein Problem der Anspruchshaltung. In dem - bereits in einem anderen Thread erwähnten - Buch "Aussteigen - light" beschreibt der promovierte Philosoph Andreas N. Graf, wie seine vierköpfige Familie von 750 € monatlich inklusive Auto lebt (, wobei sie sich aus Ersparnissen ein altes Haus gekauft haben, in dem sie leben, also keine Miet-, sondern nur Reparatur-/Instandsetzungskosten haben). Lass es inflationsbereinigt heute 800 € sein, dann sind es immer noch nur 200 € pro Person. Das ist sicher extrem, und ich würde es niemandem in unserer Gesellschaft zwangsweise zumuten wollen. Aber es verdeutlicht, dass wir alle von viel weniger leben könnten, als wir es tun.

    Natürlich kann man von viel weniger als dem Mindestlohn leben. Und wenn ein Philosoph das aus eigenem Antrieb gerne tun möchte, sei es ihm gegönnt das zu tun. Allerdings ist es ein riesiger Unterschied, ob ich mit weniger Geld auskommen möchte oder ob ich dazu gezwiungen bin. Wir leben in einer Konsumgesellschaft. Ob im Fernsehen, an der Bushaltestelle oder im Internet. Überall wird man zum Konsum aufgefordert. Ständig wird einem erzählt was man alles haben muss und unbedingt braucht. Überall tragen Leute stolz ihre Markenklamotten und zeigen ihre neuesten Smartphones herum. Und wer da nicht mitkonsumiert ist gesellschaftlich schnell abgehängt. Es hat auch nicht jeder die 30 € über, um mit Freunden mal nett essen zu gehen. Von dieser gesellschaftlichen Konsumlust ausgeschlossen zu sein ist nicht schön.

    Hier sprichst du aber von Vermögen und nicht von Einkommen.

    Natürlich kann man Vermögen und Einkommen nicht voneinander isoliert betrachten. Jemand ohne Einkommen, aber mit 10 Millionen € auf der hohen kannte ist genauso als reich anzusehen, wie jemand mit Nettoeinkünften im fünfstelligen Bereich. Bei der Bedürftigkeitsprüfung für das Alg 2 werden ja auch Einkommen und Vermögen betrachtet. Für die Steuer dagegen werden nur Einkommen herangezogen.

    Keep Pounding

  • Dann ist die Definition von reich ja eigentlich ganz einfach. Man nehme das doppelte des Durchschnitteinkommens und ab da beginnt der Reichtum.

    Warum es nun ausgerechnet das Doppelte des Durchschnittseinkommen sein soll, erschließt sich mir nicht - zumal sich dann die Frage stellt, welches Durchschnittseinkommen (Median? arithmetisches Mittel? geometrisches Mittel?) maßgeblich sein soll, ob es auf das individuelle Einkommen oder auf ein gewichtetes Haushaltseinkommen ankommt, brutto oder netto usw.


    Bei Steuererleichterungen, z.B. durch Anhebung der Grundfreibeträge würden hohe Einkommen deutlich stärker profitieren als kleine Einkommen.

    Das verstehe ich jetzt ehrlich gesagt nicht. Es kommt natürlich auf die genaue Ausgestaltung an, aber von der Anhebung des Grundfreibetrages profitieren tendenziell alle in absolut gleicher Weise, die unteren Gehaltsgruppen also prozentual höher. Erst wenn man alles "parallelverschiebt", also nicht nur den Grundfreibetrag, sondern auch alle anderen Beträge erhöht, profitieren auch die Steuerzahler mit höherem Gehalt stärker.

    Natürlich kann man von viel weniger als dem Mindestlohn leben. ... Allerdings ist es ein riesiger Unterschied, ob ich mit weniger Geld auskommen möchte oder ob ich dazu gezwiungen bin. Wir leben in einer Konsumgesellschaft. ... Von dieser gesellschaftlichen Konsumlust ausgeschlossen zu sein ist nicht schön.

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    Das ist alles richtig, beantwortet aber m. E. nicht die Frage, warum die anderen verpflichtet sein sollen, mir meine Konsumlust zu finanzieren. Muss die per Gesetz erzwungene Solidarität wirklich so weit gehen?

    In diesem Zusammenhang sollte man m. E. auch berücksichtigen, dass vorhandener bzw. fehlender Wohlstand Ursachen hat. Charles T. Munger hat kürzlich auf die Frage, was seiner Ansicht der wichtigste Faktor auf dem Weg zum Wohlstand sei, sinngemäß geantwortet: Konsumverzicht. Wer (länger) zur Schule geht, verzichtet erst einmal auf Gehalt und damit meist auf Konsum. Das gilt erst Recht für Studenten, die in Statistiken typischerweise als arm/armutsgefährdet eingestuft sind, obwohl sie sich meist kaum arm fühlen und die meisten später einmal sehnsüchtig an die schöne Studentenzeit zurückdenken werden. Daneben gibt es natürlich den Konsumverzicht im Alltag. Wer fleißig lernt, anschließend über Jahrzehnte hart arbeitet, auf Konsum verzichtet und sein Geld halbwegs sinnvoll anlegt, ist am Ende seines Lebens typischerweise (materiell) wohlhabend. Ob das erstrebenswert ist, muss sich jeder selbst überlegen. Aber m. E. verdeckt der bloße Vergleich von Gehälter oder Vermögen auch ein wenig die Ursachen.

    Natürlich kann man Vermögen und Einkommen nicht voneinander isoliert betrachten. Jemand ohne Einkommen, aber mit 10 Millionen € auf der hohen kannte ist genauso als reich anzusehen, wie jemand mit Nettoeinkünften im fünfstelligen Bereich. Bei der Bedürftigkeitsprüfung für das Alg 2 werden ja auch Einkommen und Vermögen betrachtet. Für die Steuer dagegen werden nur Einkommen herangezogen.

    Für die Einkommensteuer werden nur Einkommen herangezogen - das sagt ja schon der Name. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe anderer Steuerarten. In der Diskussion ist auch immer mal wieder eine (allgemeine) Vermögenssteuer. Gewisse Vermögenssteuern (z. B. Grundsteuer) gibt es ohnehin, dazu noch eine Art "Vermögensübertragungssteuer" (Erbschafts-/Schenkungssteuer). Auch die Grunderwerbsteuer belastet faktisch alleine die Vermögenden. Allerdings stellt sich die Frage, wie man die Besteuerung von Substanz rechtfertigt, die (zumindest typischerweise) durch Vermögenszuflüsse entstanden ist, welche ihrerseits bereits besteuert wurden.

    Ein ähnliches Problem stellt sich bei der Besteuerung von Kapitalerträgen, wo absolute (nominale) Zuwächse besteuert werden, obwohl bei wirtschaftlicher Betrachtung eigentlich erst einmal durch Abzug der Preissteigerung ein (typischerweise niedrigerer) realer Zuwachs ermittelt werden müsste. Zum Teil wird also faktisch Substanz besteuert.

    8 Mal editiert, zuletzt von Chief (19. Mai 2017 um 17:24)

  • Sicherlich werden Kapitalerträge "nur" mit 25% versteuert, allerdings ist es im Endeffet nur der Formulierung nach wahr das Kapitalerträge geringer besteuert werden als Einkommen aus Arbeit.

    Die durchschnittliche Steuerbelastung eines Arbeitnehmers in Deutschland liegt seit Jahren bei knapp 20% des Bruttoeinkommens. So bezahlt jemand mit Steuerklasse 3 und einem Jahreseinkommen von 100.000 € insgesamt 22.000 € Einkommens und Solidaritäszuschlag jährlich also genau 22%.

    Also selbst als gut verdienender (nach der Definition mancher hier auch reicher) bleibt eine Steuerbelastung von 22% , das ist immer noch weniger als die reine Kapitalertragssteuer von 25%

    Wenn man jetzt zugrunde legt das für einen großen Teil der Kaptialerträge Unternehmensgewinne (Dvidenden bei Aktien, Ausschüttungen bei GmbH etc) die Grundlage bilden und auf die dort anfallenden Gewinne, Gewerbe- und Körperschaftssteuern anfallen mit einrechnet ergibt sich eine weitaus höhere Besteuerung von Kapitalerträgen als die immer genannten 25%.

    Von 100 € Gewinn einer Firma gehen zunächst einmal knapp 30% Gewerbe und Körperschaftsteuern ab, von den verbleibenden 70 € die dann ausgezahlt werden, werden nochmals 25% Kapitalertragsstuer fällig (17,50 + 1 € Solidaritätszuschlag,) so das am Ende nur noch 51,50 € zur Auszahlung übrig bleiben und im Endeffekt 48,5% Steuern auf den durch das eingesetzte Kapital erwirtschafteten Gewinn bezahlt wurden.

    Bei mir ist es so das ganz egal welches Gehalt ich beziehe ich darauf immer weniger Steuern zahle als die 48,5% die ich für das im Unternehmen eingesetzte Kapital insgesamt an Steuern zu entrichten habe. Meiner Meinung nach ganz schön viel Steuern dafür das einem als Unternehmer immer der Verlust des eingesetzten Kapitals droht.

  • Wenn man jetzt mal die Ausgabenseite bei der Steuerdiskusion als fest annimmt (was sie natürlich nicht ist), wo könnte man den d.M.n. das Geld am besten abzweigen?

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    It is time for us to do what we have been doing and that time is every day.

  • Warum es nun ausgerechnet das Doppelte des Durchschnittseinkommen sein soll, erschließt sich mir nicht - zumal sich dann die Frage stellt, welches Durchschnittseinkommen (Median? arithmetisches Mittel? geometrisches Mittel?) maßgeblich sein soll, ob es auf das individuelle Einkommen oder auf ein gewichtetes Haushaltseinkommen ankommt, brutto oder netto usw.

    Natürlich kann man sich in rechnerische Kleinigkeiten verbeißen um eine Sache zu zerreden. Hilfreich ist das nicht. Du fingst damit an, dass man das doppelte vom eigenen Einkommen als reich empfindet. Wenn ich für eine große Gruppe ermitteln will, wen sie als reich empfindet muss ich eben zugrundelegen, wie das Einkommen in dieser Gruppe im Schnitt ist. Ich hatte eine Zahl dazu gefunden, die hab ich verdoppelt. Fertig. Und ob das nun das arithmetische Mittel oder das geometrische Mittel ist, ist für die Diskussion nicht wirklich von belang. Wir können wegen mir auch eine bestehende Zahl nehmen. Alle, die über der Beitragsbemessungsgrenze für die Sozialversicherung liegen kann man als reich bezeichnen. An der Größenordnung ändert sich dadurch auch nicht viel.


    Das verstehe ich jetzt ehrlich gesagt nicht. Es kommt natürlich auf die genaue Ausgestaltung an, aber von der Anhebung des Grundfreibetrages profitieren tendenziell alle in absolut gleicher Weise, die unteren Gehaltsgruppen also prozentual höher. Erst wenn man alles "parallelverschiebt", also nicht nur den Grundfreibetrag, sondern auch alle anderen Beträge erhöht, profitieren auch die Steuerzahler mit höherem Gehalt stärker.

    Die unteren Gehaltsgruppen profitieren weniger, weil sie Steuern zu einem geringeren Steuersatz sparen als höhere Gehaltsgruppen. Sprich in € ist die Steuererleichterung bei einem höheren persönlichen Steuersatz höher.


    Das ist alles richtig, beantwortet aber m. E. nicht die Frage, warum die anderen verpflichtet sein sollen, mir meine Konsumlust zu finanzieren. Muss die per Gesetz erzwungene Solidarität wirklich so weit gehen?

    Hier geht es ja nicht um die Förderung der Konsumlust, sondern um die Verteilung der lasten. Warum sollten Reiche nicht noch einen viel höheren Anteil an den Gemeinschaftskosten tragen? In Schweden gibt es einen Spitzensteuersatz von 60%. Warum kommen die Reichen hier nur mit 45% davon? Die andere Seite der immer gleichen Frage, wie ich das Geld in einer Gemeinschaft verteile oder auch um die Frage Mitmenschlichkeit gegen Egoismus.

    Aber es gibt gute Gründe möglichst vielen Menschen Konsum zu ermöglichen. Zunächst einmal als Wirtschaftsfaktor. Konsum schafft Arbeitsplätze, wodurch weiterer Konsum ermöglicht wird und weniger Menschen auf Transferleistungen angewiesen sind. Es werden Gewinne erwirtschaftet, daraus werden Steuern bezahlt, die wiederum für die Finanzierung des Staates herangezogen werden usw. usf. Außerdem ist es nicht sonderlich clever, wenn man in einer Gesellschaft Gruppen von der wirtschaftlichen Entwicklung ausschließt. Könnte sich z.B.auf die Kriminalitätsrate auswirken.

    Gewisse Vermögenssteuern (z. B. Grundsteuer) gibt es ohnehin, dazu noch eine Art "Vermögensübertragungssteuer" (Erbschafts-/Schenkungssteuer). Auch die Grunderwerbsteuer belastet faktisch alleine die Vermögenden.

    Das mit der Grundsteuer ist so nicht unbedingt richtig. Das gilt nämlich nur für selbstgenutzte Immobilien. Bei vermieteten Objekten kann die Grundsteuer über die Nebenkosten auf die Mieter umgelegt werden. Und auch die Grunderwerbssteuer wird natürlich beim immobilienerwerb zwecks Vermietung in die Rentabilitätsberechnungen mit einbezogen.

    Bei der Vermögensübertragungssteuer kann man natürlich auch argumentieren, dass man da eigentlich auf Sonderegelungen verzichten könnte und Erbschaften und Schenkungen ganz normal als EInkommen veranlagt.

    Keep Pounding

    Einmal editiert, zuletzt von Erzwolf (19. Mai 2017 um 19:37)