Sorry, dass ich noch ein bisschen darauf herumreite, obwohl oder eher gerade weil ich sicher bin, dass wir grundsätzlich auf derselben Seite stehen. Ich reibe mich an dem "selbstgewählten", denn ich bezweifle, dass diese Bezeichnung von einer Mehrheit geschweige den von allen Angehörigen der gemeinten Gruppe gewählt wurde (oder würde, wenn sie je davon gehört hätten). Und ich bezweifle auch, dass eine "breiter gefächerte internationale Solidarisierung" von BIPoC wünschenswert ist. Als selbst oft genug von Vorurteilen und Diskriminierung Betroffener wünsche ich mir eben keine neue Abgrenzung oder auch nur die Neubenennung einer alten, von der "weißen" Mehrheitsgesellschaft eingeführten Abgrenzung, sondern eine Solidarisierung mit allen Menschen, die auf die Überwindung von Rassismus und verwandten Phänomenen hinwirken.
Das stimmt, die Bezeichnung BIPoC basiert letztlich natürlich auf den alten rassistischen Unterscheidungen, die von der weißen Mehrheitsgesellschaft implementiert worden sind. Trotzdem ist BIPoC eine selbstgewählte Bezeichnung, die auch verdeutlichlichen soll, dass sich People of Colour mit Rassismus auseinandersetzen müssen, ob sie wollen oder nicht. Während für Weiße die eigenen Privilegien i.d.R. unsichtbar sind bzw. als "natürlich" erscheinen.
Ich stimme dir auch vollkommen zu, dass solche Abgrenzungen nicht wünschenswert sind und sich vorrangig auf akademische Milieus beschränken (und sich entsprechend auch nur eine Minderheit der BIPoC selbst so bezeichnen würde, wie du zurecht anmerkst). Doch wie können strukturelle Privilegien und Rassismen anders sichtbar gemacht werden? Mir fällt da kein besseres Konzept ein.
Analog dazu gibt es ja auch das Konzept der "critical whiteness", das bewirken soll, sich als weißer Mensch seiner Privilegien bewusst zu werden. Wer also eine Solidarisierung mit allen Menschen anstrebt und ein Verbündeter (neudeutsch: "ally") bei der Überwindung von Rassismus sein möchte, der kann mit "critical whiteness" dazu beitragen, dass solche Schubladen irgendwann überflüssig sein werden. Ich bezweifle allerdings, ob unsere Generation eine rassismusfreie Gesellschaft noch erleben wird.