Ich habs mal hier rein gestellt. Aus welt.de von heute:
Ein Nowitzki für den American Football
Als erstem Deutschen überhaupt winkt Constantin Ritzmann nach dem College die NFL-Draft
von Stefanie Boewe
Knoxville/Berlin - - Sein Lächeln bekommt diesen leicht gequälten Zug, der sich einstellt, wenn man etwas gut finden soll, das man nicht wirklich gut finden kann. Aber er bemüht sich, zumindest nicht zusammenzuzucken, als es wieder "Hey, Germanator!" schreit. Allmählich hat er sich daran gewöhnt. "Das scheint irgendwie cool zu sein", sagt er. Constantin Ritzmann (24) ist bescheiden geblieben, obwohl ihm bei jedem Heimspiel im stets ausverkauften Stadion der University of Tennessee 102 000 Fans zujubeln, das sind fast zwei Drittel der Einwohnerschaft von Knoxville, einer malerisch gelegenen Stadt am Tennessee River.
College-Football, das klingt nebensächlich, tatsächlich ist der Sport besser durchorganisiert als die Fußball-Bundesliga. Jedes Training der "Volunteers" wird von sechs Kameras überwacht, vier Videoexperten schneiden in einem High-Tech-Studio die Szenen für die täglichen Teammeetings zusammen. Insgesamt 18 Trainer kümmern sich um die Mannschaft, Cheftrainer Philip Fulmer bezieht ein Millionengehalt, das über dem vieler Kollegen aus der National Football League (NFL) liegt.
Die Leute in Knoxville sind sportlich - 20 Golf- und 103 Tennisplätze sprechen eine deutliche Sprache. Und so ist es kein Wunder, dass der deutsche Abwehrspieler der Volunteers die Massen derart begeistert, dass sogar die "New York Times" unlängst auf einer halben Seite über ihn berichtete.
Man schätzt Ritzmanns deutschen Fleiß, ansonsten ist der im Süden Berlins aufgewachsene junge Mann inzwischen stark amerikanisiert. Längst ist der als Atheist in die USA umgesiedelte Ritzmann in die Kirche eingetreten, er betet vor und nach den Spielen, die Bibel ist neben Ehefrau Christina Jean der treueste Begleiter. Mittlerweile setzt Ritzmann sich auch im kirchlich-sozialen Bereich ein - typisch für US-Sportler, deren Botschaft allerorten auf offene Ohren stößt. "Es ist erstaunlich", sagt der Deutsche, "wie viele Kinder eher auf einen Footballspieler hören als auf einen Pfarrer."
Zum American Football kam Constantin Ritzmann per Zufall als sein fünf Jahre älterer Bruder Alexander einige Soldaten der nahe gelegenen US-Militärbasis anschleppte. Schnell entdeckte Ritzmann, dass er die weitaus Älteren ausspielen konnte. "Ich war immer schon stärker und schneller als alle anderen in meinem Alter", sagt der inzwischen 1,93 Meter große und 120 Kilogramm schwere Hüne.
Als 18-Jähriger gelangte er mit einem NFL Futures genannten Stipendium an die North Florida Christian Highschool in Tallahassee, dort war er auch als Sprinter aktiv. Nur 10,8 Sekunden brauchte er über 100 Meter, ein Vorteil im Football, denn nur wenige Linienspieler sind ähnlich flink. "Als ich ihn an der Highschool gesehen habe, war ich von seinem Tempo überwältigt. Ich wusste sofort, dass ich ihn für unser Collegeteam gewinnen wollte", sagt Volunteers-Cheftrainer Fulmer schwärmerisch, "mit seinem Speed kann Constantin Spiele entscheiden." Folgerichtig hat Fulmer den Deutschen in dieser Saison zum Teamkapitän gemacht.
Doch das NFL-Stipendium brachte Ritzmann auch eine Spielsperre ein - die Collegeorganisation NCAA untersagt Spielern strikt jede Vorteilsnahme, "ich muss sogar ablehnen, wenn mir ein Kommilitone anbietet, mich im Auto mitzunehmen oder wenn mich jemand auf einen Drink einlädt", berichtet Ritzmann.
Jetzt sucht die NFL gemeinsam mit der NCAA nach einem alternativen Nachwuchsprogramm, um "junge europäische Talente früh zu erkennen und ihnen Highschool- und College-Erfahrung zu ermöglichen", sagt John Beake, Vice President der NFL. "Wir wollen in einem möglichst jungen Alter das Interesse am Football entwickeln." Und nebenbei europäische Identifikationsfiguren für die NFL schaffen - so, wie es der National Basketball Association (NBA) mit Dirk Nowitzki gelungen ist. Denn so sehr die NFL sich müht - die Erfolge, den alten Kontinent in Sachen Football zu missionieren, etwa durch die NFL Europe, sind bislang karg. Viele Hoffnungen ruhen deswegen auf Ritzmann.
Der wird am kommenden Samstag in seinem letzten regulären Saisonspiel auf dem Feld stehen, im Dezember beendet er sein Studium der Sportökonomie, und im Januar endet mit einem so genannten Bowl-Spiel schließlich seine Karriere als Star der Collegemannschaft. Dann winkt ihm als erstem Deutschen überhaupt die NFL-Draft. Experten taxieren sein Talent auf einen Platz in den Runden drei bis fünf, das würde einen gut dotierten Millionenvertrag bedeuten. "Meine Chancen für die NFL schätze ich auf 80:20", sagt Ritzmann und grinst, "zumal in den letzten zehn Jahren noch jeder Team-Kapitän von uns in der NFL untergekommen ist."[/url]