so, nun ist es soweit, heute abend um 22.15 Uhr startet bei RTL eine der erfolgreichsten US-Serien der vergangenen Jahre, daß ausgefeilte Storylines, hervorragende Darsteller und komplexe Spannung keine Erfolgsgarantie für befriedigende oder gar überwältigende Einschaltquoten in Sachen deutsches TV-Publikum darstellen mußten schon diverse Neustarts (Alias, Las Vegas, Commander in Chief) bitter erfahren,
es bleibt somit abzuwarten sowie eine Portion Skepsis ob Prison Break den gigantischen Erfolg aus dem Heimatland hier wiederholen kann oder sich zumindest nachhaltig in der Fernsehlandschaft etablieren kann ...
nachfolgend ein umfangreicher Appetitanreger, aber ...
VORSICHT SPOILER !!!
Inhalt/Allgemeines
Lincoln Burrows (Dominic Purcell, „John Doe“) war sein Leben lang kein Mustervorbild. Er neigte schon immer zur Hitzköpfigkeit. Seinen jüngeren Halbbruder Michael versuchte er mit der einen oder anderen Tracht Prügel auf dem rechten Weg zu halten, da der gemeinsam Vater der beiden schon bald von der Bildfläche verschwand. Zu Lincolns weniger klugen Entscheidungen gehörte, während einer ernsthaften Beziehung zur angehenden Anwältin Veronica Donovan (Robin Tunney, „The Zodiac“) eine andere Frau zu schwängern (Jessalyn Gilsig, „Boston Public“, „Heroes“) und mit ihr Lincoln Junior (kurz LJ genannt, Marshall Allman) in die Welt zu setzen.
So war es für viele zwar überraschend, als Lincoln für den Mord am Bruder der amerikanischen Vizepräsidentin angeklagt wurde - doch eine Vielzahl an Beweisen und ein schneller Weg durch alle Instanzen überzeugten die meisten von Lincolns Schuld. Schließlich glaubt lediglich Michael an die Unschuld seines Halbbruders. Und so schmiedet dieser einen wahnwitzigen Plan. Er erlangt Zugang zu den Gefängnisplänen, betreibt intensive Recherchen zu den Gefängnisinsassen und Rahmenbedingungen. Und lässt sich ein umfassendes Tattoo stechen, in dem alle wichtigen Informationen verborgen sind. Dann braucht er nur noch einen Banküberfall zu inszenieren, bei dem er mehrfach in die Luft feuert. Der Rest entspricht seinem Plan: die 'richtige' Richterin, ein schnelles umfassendes Geständnis, die richtigen Anträge eingereicht. Und schon sitzt er mit seinem Bruder im gleichen Gefängnis: der Ausbruchsplan kann beginnen.
Doch hier zeigen sich die ersten Abweichungen von seinem Plan: dass er mit einem weiteren Delinquenten in einer Zelle sitzt, ist für Michael unvermeidlich. Und mit dem Hispano-Amerikaner Fernando Sucere (Amaury Nolasco) hat er keine schlechtes Los gezogen. Problematischer ist da schon, dass der tyrannische Aufseher Brad Bellick (Wade Williams) und der schmierige Rassist T-Bag (Robert Knepper, „Carnivàle“) ein Auge auf Michael geworfen haben. Zudem muss dieser sich mit weiteren Gefängnisinsassen auseinandersetzen, um seinen komplexen Fluchtplan in die Tat umzusetzen: dem gewalttätigen Mafioso Abruzzi (Peter Stormare, „Constantine“), dem alten und ruhigen Charles Westmoreland (Muse Watson) und dem farbigen Gefängnis-Dealer C-Note (Rockmond Dunbar, „Soul Food“).
Die Begegnung mit dem Gefängnisdirektor Henry Pope (Stacy Keach, „Titus“, „Mike Hammer“) ist unvermeidlich - zumal sich dieser vom studierten Bauingenieur Scofield eine Gefälligkeit erhofft. Und da Michaels Fluchtpläne auch die Gefängnis-Krankenstation mit einbeziehen, sind tägliche Besuche bei der Ärztin Sara Tancredi (Sarah Wayne Callies) unumgänglich. Diese ist schnell von Michael irritiert ... [Außerhalb der Gefängnismauern hat Michael es geschafft, Veronica Donovan davon zu überzeugen, sich doch noch eingehender mit dem Fall ihres Ex-Freundes auseinander zu setzen. Und schon bald verdichten sich für sie die Indizien, dass jemand ein außergewöhnliches Interesse daran zu haben scheint, das Lincoln Burrows für den Mord am Bruder der Vizepräsidentin stirbt. Denn - was Veronica nicht weiß - auf der anderen Seite arbeiten zwei Secret Service Agenten (darunter (Paul Adelstein, „Private Practice“) sehr hart an genau diesem Unterfangen. Der letzte Handlungsstrang der Serie dreht sich schließlich um LJ, Lincolns Sohn. Vom Vater verlassen, der nun zudem der Todesstrafe ins Auge blickt rebelliert er gegen seine Mutter und deren aktuellen Partner - durch dealen mit Einstiegsdrogen. Da ist ein letzter väterlicher Rat angebracht ...
„Prison Break“ lief in den USA auf dem Programmplatz von „24“, und das gibt schon die Richtung vor, in die die Serie sich entwickelt: Spannung, Intensität, ein äh ... eher robuster Umgang mit Leib und Leben der Figuren. Insofern ist es für RTL sicherlich nicht die schlechteste Vorgehensweise, die Serie auf einen Sendeplatz nach 22 Uhr zu setzen, wo die Episoden in einer Fassung ab 16 Jahren gezeigt werden können. Zudem minimiert der Sendeplatz auch das Risiko, das deutsche Sender momentan mit der Ausstrahlung von Serials - Serien mit fortlaufender Handlung - eingehen, die beim Zuschauer eher schlecht gelitten sind.
„Prison Break“ war in den USA einer der erfolgreichsten Serienneustarts der vorangegangenen Season. Und das zu recht. Die Handlung ist sehr dramatisch und wird spannend präsentiert. Dazu kommt ein Schuss Romantik, eine gute Portion Mystery und hier und da ein bisschen (Galgen-)Humor.
Die Serie brilliert durch eine Vielzahl gut gezeichneter Charaktere, und durch eine fast genauso große Anzahl an guten bis herausragenden Schauspielerleistungen. Besonderer Glücksfall ist sicherlich Wentworth Miller in der Hauptrolle, der die Last der Show fast allein tragen kann. So wie bei Hauptdarstellerin Jennifer Garner und „Alias“ hängt die Glaubwürdigkeit der Serie zu einem Gutteil davon ab, dass die Hauptfigur glaubwürdig bleibt. Und - wie bei Garner - gelingt dies hier. Miller lässt uns, trotz der stoischen Art seiner Figur, ein ums andere mal tief in Scofields Seele blicken, wenn er erkennen muss, welche Geister er da gerufen hat. Aber auch der schmierige T-Bag findet in Robert Knepper einen sehr würdigen Darsteller. Diesem gelingt es, eine brutale, perverse Bestie in Menschengestalt perfekt zu porträtieren. So perfekt, dass man Knepper lieber nicht auf der Straße begegnen möchte. Aber auch Wade Williams als mürrischer, verlebter Gefängnisaufseher und Peter Stormare als im Knast festsitzender, ehemals einflussreicher Mafioso, verdienen positive Erwähnung.
Synchro
Sicherlich ist die Synchronisation von „Prison Break“ routiniert und technisch gut gelungen. Zu bemerken ist jedoch, dass, wie ein Schauspieler ein Synchronsprecher zunächst „seine Figur“ finden muss. Leider ist es in Deutschland so, dass Synchronsprecher ihren Charakter erst wenige Minuten vor den ersten Aufnahmen kennen lernen. So bleibt Synchronsprecher Gerrit Schmidt-Foss dann auch in den zur Rezension vorliegenden Episoden hinter dem genialen Spiel von Wentworth Miller zurück. Es bleibt zu hoffen, dass er „noch aufholen“ kann. Zweites Manko der Synchronisation ist sicherlich das Fehlen von Dialekten. In amerikanischen Produktionen ist die Zeichnung der Charaktere durch ihre (sprachliche) Herkunft Gang und Gäbe. T-Bag zum Beispiel kommt vernehmbar aus den Südstaaten. In seiner Aussprache liegt im Original die Perfidie und die unterschwellige Brutalität, wie man sie mit dem Klischee des Sklavenhalters verbindet. Sucre ist - gemäß seiner Sprache im Original - sicherlich zweisprachig aufgewachsen (Spanisch, Englisch). Daher ist sein Englisch vielleicht nicht sonderlich und er ist vermutlich nicht College-Material, eher „einfach gestrickt“. Aber er erscheint eben nicht dumm. Die Synchronisation verwischt leider diese feinen Nuancen.
Fazit
Nicht umsonst war „Prison Break“ ein Erfolg in den USA, von dem bereits eine zweite Staffel erfolgreich gelaufen ist und im Herbst ein dritte Staffel laufen wird. Wem die von „24“ bekannte Mischung von Action, Spannung, Zeitdruck und einem Schuss Romantik gefällt, der liegt auch hier richtig. Wer sich über die Logiklöcher in der Kiefer Sutherland-Serie stört - nun, der wird sich auch hier gelegentlich die Haare raufen. Aber immerhin wird bei ersten Staffel von „Prison Break“, anstatt auf die jeweils krude Verschwörungstheorie und deren Aufdeckung, auf Spannung durch intensive Auseinandersetzung von Charakteren im beengten Raum des Gefängnisses gesetzt. Auch mit der Herangehensweise von RTL kann man eigentlich zufrieden sein. Wenn auch mit einjähriger Verspätung, riskiert der Sender endlich mal wieder den Start eines Serials. Man hat sich anscheinend auch dazu entschieden, die Serie möglichst unbeschnitten zu zeigen und wählt den etwas ungünstigeren späten Sendeplatz.
Einziges Problem am Horizont: die Prämisse der Serie kann man nicht ewig ausdehnen. Irgendwann wird sich die Serie tiefgreifend verändern müssen, und an dieser Neuerfindung werden sich die Geister scheiden.