So, dann mal zu einigen der vielen spannenden Picks der letzten halben Runde.
Lucas Niang: Ich hatte mit dem Value-Pick Ashtyn Davis geliebäugelt, da mir der während der letzten Saison ziemlich ans Herz gewachsen ist (hier mit zwei Highlights). Aber mit pointi ist immer zu rechnen, von daher war mir die Entscheidung abgenommen. Andere mögliche Targets (Pittman, Zuniga, Elliott) gingen ja bereits früher, so dass ich dann wieder bei TCU hängen blieb. Niang wäre aber auch für @Earl Piggot ein interessanter Spieler gewesen, aber der steht ja eher auf Frankokanadier und nicht auf ‚echte‘ Franzosen.
Wie dem auch sei, Niang wäre sicherlich ein wenig höher gerankt gewesen, wenn er nicht wegen seiner Hüftverletzung und -anschließenden OP die letzte Saison frühzeitig hätte beenden müssen. Daher bestehen natürlich einige Fragezeichen, die sich pre-Draft nicht mehr vollends klären lassen. Hüfteinschränkungen können sich ja durchaus fatal auf die Karriere auswirken, daher ist Vorsicht geboten. Angeblich soll die Reha bisher nach Plan verlaufen sein.
Wenn man das 2018er und 2019er Tape vergleicht, werden einem große Differenzen offenbar. 2019 war Niang von der Verletzung so gehandicapt, dass er im Passblock quasi einen Backpedal ins Pass Set vollführte. Interessanterweise war das sogar halbwegs effektiv aufgrund seiner Mobilität und des kräftigen (wenngleich teils inkonstanten) Punches. Nur muss man ehrlicherweise sagen, dass er auch vor der Verletzung nicht zu den ästhetischsten Blockern gehörte und trotz seiner Mobilität nicht die feinste Fußarbeit besitzt. Aber: He gets the job done – und zwar auch gegen Top-Kontrahenten (siehe das Spiel vs. Ohio State mit Bosa und Young 2018). Gerade in der OL sind mir Prospects mit guter Produktion und leichten technischen Schwächen nicht unlieb, denn an letzterem lässt sich mit NFL OL Coaches feilen (so denn die athletischen Voraussetzungen da sind, und die hat Niang zweifelsohne).
Im Run Blocking hat er seine Gegner mit seiner Länge und Kraft oftmals dominieren können. Kein schlechter 2nd level blocker, aber auch hier fehlt noch ein wenig das Feintuning. Leverage ist grundsätzlich okay. Lange Erfahrung als RT bei den Horned Frogs, kann bei den Colts ein Jahr lernen und dann mal schauen…
Akeem Davis-Gaither: War so ein kleiner Sleeper von mir über die Saison, hab den immer mal wieder beworben. Extrem aktiver LB, der bei den Mountaineers fast alles gespielt hat (von Edge bis Slot CB). Großartiger Mover mit fluiden Hüften und keiner schlechten Technik in Coverage. Gute Depth. Extrem quick, kann so Blockern ausweichen sowohl im Passrush als auch gegen den Lauf. Nicht mal schlechte Power am point of attack, upper body strength überraschend gut, doch das war in der NFL bei 6‘1, 224 sicherlich nicht sein Spiel sein. Playmaker, der etwas kontrollierter spielen lernen muss (Füße setzen beim Tackling, Angles), aber einige Misses würden von anderen Spielern gar nicht erst erreicht werden. Gute Instinkte, merkt man u.a. an den batted balls in Off Ball und beim Rush. Muss die Position in der NFL noch finden, aber könnte als Nickelbacker früh das Feld sehen. Sehr spannender Prospect, muss allerdings richtig eingesetzt werden.
Jordyn Brooks: Noch ein Linebacker, der mir die letzten Jahre viel zu wenig Beachtung fand. War ebenfalls einer meiner Sleeper, den ich einige Male bewarb (u.a. hier zu Beginn der Saison). Profitierte enorm von der Umstellung der Red Raiders Defense unter dem neuen DC Keith Patterson. Zuvor eher klassisch als MLB/ILB eingesetzt, nun durfte er in einer Defense, die Big-12 untypisch mehr mit Man Coverage agierte, wesentlich aggressiver zur Line of Scrimmage agieren, und das zahlte sich aus (20 TFL!). Nicht der größte, hat aber lange Arme und einen kräftigen Thumper Body und ist darüber hinaus überraschend athletisch. Lief einen Top-Wert bei der Combine (4.54 40 mit einem sensationellen 1.53 10er split). Kommt downfield in a hurry, gute Play Recognition und Instinkte nahe der Line of Scrimmage. Sehr, sehr harter Tackler, dennoch gute Disziplin – kein killshot artist, der dafür an jedem vierten Tackle vorbeifliegt. Aufnehmen und Lösen von Blocks ist okay, könnte sich hier aber noch ein wenig entwickeln. In Coverage wenig variabel eingesetzt (underneath Zone) und ziemlich wenig Plays. Typ oldschool Linebacker, aber mit überraschend guter (straight-line) Athletik. Mag den.
Troy Dye: Bleiben wir mal bei den Off Ball LBs. Dye spielt gefühlt schon so lange College Football wie Hunter Renfrow. Hatte 2017 mal ein längeres Profil zu ihm angefertigt, wer mal lesen will: Don’t sleep on… Troy Dye.
Dye hat sein Profil bei Oregon weitgehend beibehalten, wenngleich er in 4-3 Looks öfter auf OLB gespielt hat. Langer, dürrer Linebacker (eher große Safety-Maße), sehr athletisch und fluide, starke change of direction und das dazugehörige Footwork. Moderner Cover-LB, wie er in der heutigen NFL gefragt ist. Stark in Man gegen TEs und RBs, das wird sicherlich zu Beginn seiner NFL-Karriere das hauptsächliche Betätigungsfeld sein. Kein überaggressiver Spieler, der einem sofort ins Gesicht springt, aber ziemlich sound und spielintelligent. Starke Range, erreicht Sideline Runs ziemlich schnell. Vielseitiger einsetzbar, als man denkt, hat bei den Ducks in verschiedenen Defense-Systemen gespielt und produziert (auch als Blitzer und nahe der LOS). Tackling könnte noch etwas konstanter werden. Sicherlich ein Linebacker, den man vor schnellem Kontakt mit O-Linern ein wenig verstecken muss, aber hat ein Skillset, das hervorragend in die heutige Liga passt.
Bradlee Anae: Endlich von Board, er war in der heißen Verlosung neben Niang. Megaproduktiver DE in der starken Utes Defense. Hat physisch (Armlänge) und athletisch (Speed & Explosion) Limitationen, aber erzähl ihm das bloß nicht. Technisch einer der ausgeprägtesten Rusher der Klasse, hat auch die Instinkte, den richtigen Move zur richtigen Zeit zu wählen. Absolut herausragende Kombination von Passrush Moves, wirkt alles sehr natürlich und nicht mechanisch aneinandergereiht. Top Handeinsatz. Ich habe ein paar seiner Senior Bowl-Reps mal genauer vorgestellt und gezeigt, auf wie viele unterschiedliche Arten er gewinnen kann. Anae muss trotz fast 260 pounds am point of attack starker werden, es fehlt gefühlt ein wenig Kraft im Oberkörper. Lässt sich in Run Plays zu leicht bewegen. Doch hat er im Prinzip (von der fehlenden Länge abgesehen) ja die Anlagen für eine bessere Rolle gegen den Lauf. Ein Spieler, der nicht die besten Voraussetzungen hat, gegen den man aber nicht wetten sollte.
DaVon Hamilton: Riser. Kein Buckeyes-Defender hat 2019 einen größeren Sprung gemacht. Natürlich profitierte er wie alle anderen von Chase Young, dabei ging aber unter, was für eine exzellente zweite Saisonhälfte er spielte. https://tripleoptionblog.wordpress.com/2019/11/22/vor…-13-luft-holen/:
Zitat von Triple Option„DT Davon Hamilton hat diese Saison einen Riesensprung gemacht! Immer schon ein sehr kräftiger interior Liner, doch nun zeigt er auch die Quickness (lateral plus in seinem Arm/Handeinsatz), um eine beständige Gefahr zu sein. Kann sich gegen double Teams erwehren. Als ich zur Vorbereitung auf dieses Preview mir nochmal Ausschnitte der Buckeyes Defense ansah, ist er mir mehrfach ins Auge gesprungen. Sleeper.“
Für 320 pounds ziemlich athletisch, spielte eher den upfield/gap shooting DT als den two-gap clogger in der Mitte. Kann double teams aufnehmen, ist aber am effektivsten, wenn er einen einzelnen OLer ins Backfield schieben kann. Herausragende upper body Power, in der Regel gute Leverage. Hat nicht die größten Passrush Moves, aber einen leidlich erfolgreichen Bullrush und eben eine unterschätzte Quickness für seine Masse. Wird in der NFL sicherlich eher als Runstopper eingesetzt werden, hat dabei allerdings das Potenzial für einige TFLs mehr als der übliche 320 pounder. Nicht die allergrößte Erfahrung, daher eventuell noch mehr zu entwickeln?
Tyler Johnson: Bei ihm sitze ich ganz bequem auf dem Fahrersitz des Bandwagons. Von der NFL und den Scouts sträflich unterschätzter Spieler (bekam ja nicht einmal eine Einladung zum Senior Bowl). Doch selbst auf der WR-Position ist Speed und Athletik nicht alles. Dabei ist Johnson nicht einmal besonders lahm, es sieht alles halt ein wenig clunky aus. Ist mit der Explosion von Rashod Bateman 2019 voll in den Slot gewechselt (nachdem er 2017 übrigens noch der deep threat in einer komplett dysfunktionalen Gopher-Offense war). Hatte ihn auf dem Blog mehrfach angepriesen, unter anderem hier in der vorletzten Saison:
Zitat von Triple OptionEin besonderer Tipp von mir ist WR Tyler Johnson, den ich schon längst in der Don’t sleep on…-Rubrik hätte vorstellen wollen, nur fehlte mir dafür etwas die Zeit. Johnson produzierte trotz der mauen Quarterbacks hervorragende Zahlen: ein sehr versierter Route Runner mit gutem YAC-Skills. Sicher nicht der schnellste und muss ein paar Drops abstellen, aber sehe ihn durchaus als sehr spannenden Possession WR-Prospect.
Und ja, die Drops konnte er abstellen und stattdessen ein paar mehr Highlight-Catches (wer einen sehen will, schalte den Outback Bowl gegen Alabama ein). Er hat allerdings immer noch keine wirklich natürlichen Hände und keine natürliche Catch-Technik, aber hey, es funktioniert. Auch seine Routes sind sehr ungewöhnlich, weil er nicht mit Suddenness oder Burst aus den harten Breaks gewinnt, sondern durch viele kleine Nuancen in Körperstellung, Arm- und Handeinsatz. Schöne Speed-Variationen gegen Off, damit hat er immer wieder CBs überraschen können. Ganz stark am Catch point, was ein wenig an seiner nicht immer idealen Separation liegt (die seltsamerweise aber nahe der GL oder allgemein in small spaces oftmals besser ist). Verzögerte Stem Steps ebenfalls deceiving. Starke Zone Awareness. Nach dem Catch gute Vision, aber nicht unbedingt besondere Moves. Einer der ungewöhnlichsten WR Prospects, die ich die letzten Jahre scouten durfte.
Amik Robertson: Auf ihn wurde ich erst im Laufe der Saison so richtig aufmerksam, er hat mich dann aber durchaus überzeugt. Anderer Typ als mein damaliger Mancrush Damontae Kazee, aber ich stehe einfach auf diese aggressiven kleinen CBs, die denken, dass sie die Größe eines big Possession WRs haben. Spielte außen, aber Slot only in der NFL. Klein, kurze Arme, nicht der schnellste, aber boy, he can play. Quickness und Richtungswechsel okay, aber nicht top, Footwork sehr diszipliniert, technisch nicht perfekt, aber doch überdurchschnittlich. Attackiert Body und Ball, als ob es kein morgen gäbe. Antizipation und Erkennen von Routes und Fakes stark, selten out of position. Top Ball Skills. Versucht den Bully zu spielen bei 5‘8. Kann auch Zone/Off, gute Breaks, auch hier stimmen die Instinkte. Viele seiner Schwächen wären im Slot reduziert: Er würde nicht mehr dauernd gegen große und schnelle Receiver spielen. Quickness gegen Top Slot-Schnaken evtl. ein Problem, aber darauf kann mans ankommen lassen.
Logan Wilson: Lief die komplette Saison völlig unter dem Radar, bis er am Ende etwas Aufmerksamkeit bekam. Im Rivalry Game gegen Colorado State hat er mich dann endgültig gepackt (hier mit bewegten Bildern). Dachte damals den könnte ich mir in einer der späteren Runde greifen, aber seine Leistungen waren dann doch zu auffällig. Idealer MLB-Body. Vier Jahre Tacklemaschine, aber mehr als der unathletischer instinktive Overachiever, an den man vielleicht denken könnte. Sneaky athletisch, keine so schlechten Richtungswechsel, Range echt okay. Herausragende Play Recognition. Nimmt Blocks gut auf und bekommt rechtzeitig mindestens einen Arm frei. Tackling sitzt meist perfekt, Technik und Urgency in Kombination. Kein so schlechter Cover Guy, hat nicht nur Erfahrung in underneath Zones (die er gut bemannt), sondern durchaus auch in Man Coverage. Gespür fürs Big Play (10 INTs als MLB). Ceiling für mich durchaus 3-down LB, weiß aber, dass das die meisten anders betrachten.
Joe Bachie: Niemand, der die Big Ten intensiver verfolgt, kam in den letzten Jahren an Bachie vorbei. Extrem produktiver, tougher LB wie gemacht für Big Ten Football Style. Für mich noch eine Ecke über den üblichen 4-3 MLBs der Spartans (Bullough-Brüder, Taiwan Jones etc.). Projection zur NFL allerdings leicht unklar. Nicht besonders groß oder schwer plus Schwächen in der Coverage lassen einen Prospect schnell fallen. Tolle Instinkte, füllt Gaps aggressiv in der Laufverteidigung, wenig falsche Entscheidungen, herausragend gegen Blocks trotz seiner vergleichsweise geringen Masse. Guter Tackler. Teste überraschend athletisch und wendig, letzteres sieht man leider nicht wirklich auf dem Feld. Explositivät ebenfalls fraglich, keine gute Range an die Seitenlinien. So bleibt zunächst der Eindruck eines two-down box LBs. Aber: Die Tests verraten möglicherweise eben auch etwas über unbearbeitetes Potenzial. Kann aus ihm mehr werden? Möglicherweise. Die Einnahme unerlaubter Mittel, die seine College-Karriere jäh beendete, ist darüber hinaus zu beachten.
Gabriel Davis: Bei Davis bin ich ein wenig stolz, dass ich den sehr früh entdeckt und beworben habe, war einer meiner absoluten Top Sleeper (die Jungs vom Draft Network sind bspw. erst diese Saison nach dem Spiel gegen Stanford und Paulson Adebo auf ihn gestoßen). Großer physischer WR mir langen Armen und meist sicheren Händen, der in der Knights Offense vor allem vertikal eine stete Gefahr war. Interessanterweise war ich bei der genaueren Analyse aber leicht ernüchtert. Davis bringt herausragende Tools mit, ist aber noch sehr roh und braucht womöglich etwas mehr Eingewöhnungszeit. Probleme im Release gegen Press, kein ausgeprägtes Footwork. Ziemlich limitierter Route Tree, meist am Perimeter eingesetzt. Route Running braucht noch jede Menge Nuancen, mit den momentanen Skills wird er in der NFL saftige Separation-Probleme bekommen. Allerdings stark bei vertikalen Routes (build-up speed!) und erstaunlicherweise auch bei double moves, die immer wieder erstaunlich effektiv waren. Gute Hände, noch besserer Handeinsatz bei vertikalen Routen gegen den DB. Allerdings zu viele verlorene contested Catch-Situationen. Ceiling ist zweifelsohne hoch, Davis ist auch noch ein sehr junger Prospect. Braucht aber wohl noch ein wenig Geduld – oder eine sehr passende Offense.