Die meisten sinds von mir ja gewohnt, ein paar Worte zu den Picks:
Quinnen Williams: Freut mich, dass ihn mittlerweile doch so viele als besten Spieler der Draft sehen – vor ein paar Monaten stand ich damit noch ziemlich allein da (Bosa war eigentlich überall unangefochten die #1). Quinnen ist gewissermaßen mein diesjähriger Roquan Smith – also ein Spieler, der vor der Saison noch recht unbekannt war (Quinnen nochmal mehr als Roquan), den ich dann aber quasi vom ersten Spieltag gepusht habe und auf seinem Weg zum Top-Prospect beobachten konnte. Trotz der starbesetzten Tide-Defense fiel er mir gleich in seinem ersten Start auf, danach konnte ich die Augen nicht mehr von ihm lassen und habe auf meinem Blog fleißig für ihn geworben (wers nachverfolgen will: nach Spieltag 1 // nach Spieltag 3 // nach Spieltag 4 // nach Spieltag 9 war er dann schon ein potenzieller Star- und seine besten Auftritte sollten ja noch folgen).
Quinnen war auf den ersten Blick eine ungewohnte Besetzung für Sabans NT in der 3-4 Base der Tide: Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Jarran Reed und Da’Ron Payne wog er unter 300 Pfund und war zudem ein ganz anderer Spielertyp: nicht so sehr der 2-gap Clogger, sondern extrem disruptive. Seine besten Traits sind – und das ist mittlerweile sicherlich keine Neuigkeit mehr – sein Burst, sein First Step und sein Hands Use. Insbesondere bei letzterem kann ich mich an kaum einen DT erinnern, der dort derart variabel aufgestellt ist: Quinnen hat einen herausragenden & violent initial Punch, der den iOL sofort aus dem Gleichgewicht bringt und in Verbindung mit seiner Leverage auch einen top Bullrush ermöglicht, aber doch so viel mehr: Swim, Push-Pull-Rip, Club, und alles auch als Counter Move oder Setup. Dazu kommt dann eben die Fluidität und Körperflexibilität, die ihm auch ein Gap Shooting oder splitting der iOL erlaubt (Footwork ist auch lateral top, daher ist sein Sidestep mit anschließendem Rip bspw. so effektiv). Eine solche Variabilität bei einem Big Man – unfassbar. Nicht umsonst haben ihn Saban und DC Lupoi in den entscheidenden Spielen gerade bei obvious passing situations immer öfter als 5tech DE eingesetzt, um diese Passrush-Variabilität von der Edge zu bringen. Und es ist ja nicht so, dass er sich im Run Game double teams nicht erwehren kann. Quinnen hat eine so natürliche Balance und Leverage (gutes Body Positioning pre-Contact, gelangt fast immer unter die Pads des iOL), dass er trotz seiner vergleichsweise geringen Masse eben nicht so ohne weiteres aus dem/den Gap(s) zu schieben ist. Hat die Augen dabei beständig im Backfield, findet den Ball und tacklet sehr sicher. Quinnen hatte Top C und OGs gegen sich, kaum einer konnte ihn auch nur ansatzweise kontrollieren. Totale Dominanz, wie man sie auch im College Football selten erlebt.
Was ihn so einzigartig macht, ist meiner Meinung nach eben nicht die exzellente Athletik, sondern die extrem ausgereifte Technik – und Vielfalt derselben! Das bei einem redshirt Sophomore first year Starter ist einfach extrem selten anzutreffen und zeugt von einer sehr sorgfältigen Preparation und hohen natürlichen Spielintelligenz. Das eine oder andere Interview hätte er sich vielleicht sparen können, aber das soll hier keine größere Rolle spielen
Sprach Ende der regulären Saison davon, dass Quinnen für mich ein generational talent ist. Eigenttlich sogar noch mehr: einer der Defensive Prospects mit dem höchsten Floor überhaupt. Und damit meine ich, seitdem ich die Draft intensiver verfolge (was mittlerweile auch schon über zwei Jahrzehnte sind). Die Mock-Cardinals haben das meiner bescheidenen Meinung nach also besser gelöst, als es (voraussichtlich) Keim und die realen Cardinals tun werden.
Nick Bosa: Hat ebenso wie Quinnen das Potenzial zu einem generational Talent, ist aber sicher nicht ganz so sehr über den Top-Edgerushern der vergangenen Jahre einzuordnen. Auch in seinem Spiel gibts wenig Lücken. Herausragender variabler Passrush dank seines superquick first Steps, sowohl Speed around the Edge (ist twitchy, hat einen starken Bend, gute Balance und raumgreifende Schritte und vor allem einen sehr engen Arc zum QB, bietet dabei wenig Angriffsfläche für Blocks, kann sich schmal machen) als auch eine Reihe herausragender Passrush-Techniken, von denen wirklich jede extrem effektiv ist. Hier ist er eindeutig der beste Edge der Klasse, und zwar mit weitem Abstand. Ebenso gut gefällt mir aber sein Footwork, was er hervorragend zum Manipulieren des OTs einsetzt, etwa die Stutter Steps bei Counter Moves, nachdem er den OT durch die ersten Schritte dazu bringt, Gewicht und Body Positioning Richtung Outside Foot zu verlagern (oder andersherum: erst kurze Schritte, um einen Inside oder Bull Rush anzudeuten, also die Innenschulter zu attackieren und urplötzlich zu „widen“ mit gutem Bend. Nutzt die Tendenzen der OTs regelmäßig zu seinen Gunsten aus. Counters sind ultraeffektiv. Speed-to-Power ansatzlos, sehr schwer zu verteidigen.
Bosa ist vielleicht nicht der Speedrush Demon wie ein anderer Rusher der Klasse, aber als Kombination aus hervorragendem (aber nicht Weltklasse) Outside Rush, Weltklasse Moves und dazu einem prototypischen 4-3 DE Body reicht ihm keiner das Wasser. Stärker als vermutet gegen den Lauf, sowohl als Edge Setter (hier merkte man übrigens sein Fehlen in der zweiten Saisonhälfte extrem deutlich, ich verweise nur aufs Maryland-Game) als auch im Block Shedding (Top Club Move/Punch, noch besserer two-hand-swipe gegen beide Arme des OT, den er auch beim Passrush häufig einsetzt) und im Pursuit bei Plays auf die andere Seite (kann RBs mit den ersten dreivier Schritten im Backfield erreichen). Im Lösen von Blocks verlässt er sich auf seine Technik, aufgrund seiner hervorragenden Länge wäre dabei fast noch mehr rauszuholen. Mal schaun.
Halte Bosa zwar für einen kleinen Vollpfosten, aber nicht in der Hinsicht, dass dies sich in irgendeiner Form auf seine NFL-Karriere auswirken dürfte. Vom athletischen Talent vielleicht nicht ganz die Klasse von Myles Garrett, aber in einigen Punkten (Effort, Pursuit) vor ihm einzuordnen. Ich fand das abrupte Ende seiner College-Laufbahn zwar einigermaßen strange, aber nungut, das gehört in den gesamten Spielerdiskurs, zu dem sich der College Football irgendwann demnächst mal positionieren muss.
Immerhin hatte Ohio State schnell hochkarätigen Ersatz am Start: DE Chase Young bringt ebenfalls einen hervorragenden 1st step und Burst mit, konnte seit Saisonbeginn als Counterpart von Bosa glänzen und war nach dessen Ausfall auch als RDE gegen starke LTs wahnsinnig beeindruckend (Speed/Bend bei der Physis ist top). Aufgepasst, hier kommt der nächste Edge-Star der Buckeyes.
Josh Allen: Kaum ein Starter hat in der letzten Saison von einem so hohen Floor aus einen so gewaltigen Sprung gemacht wie Allen. 2017 war er ein durchaus gefährlicher Passrusher, aber wenig deutete darauf hin, dass er dermaßen explodieren würde. 17 Sacks ein 13 Spielen, die meisten über außen mit hervorragendem Burst, Body Flexibility und Bend. Insbesondere letzteres sah man im Jahr davor noch deutlich weniger, wirkte eher ein wenig stiff. Muss extrem an einem sehr schwierig zu verändernden Trait gearbeitet haben – was ist also noch möglich?
Dabei hat er IMO nicht mal den schnellsten ersten Schritt der Klasse, aber macht mit den nächsten Schritten so viel Ground gut, dass die OTs schlicht nicht hinterherkommen. Und das waren in der SEC beileibe nicht nur Graupen, die er uralt aussehen ließ. Closing Speed ist exzellent, sieht man auch immer dann, wenn sein erster Move verpufft, der QB aber noch in Reichweite ist. Hands Usage ist gut, aber für einen Top Prospect sicher noch ausbaufähig. Dennoch alles andere als ein one trick pony.
In der Run D besser als gedacht, wenngleich eher der Gap Shooter als der Edge Setter. Hier fehlt ihm etwas die Power und teilweise die Leverage. Dafür bringt er nicht nur Potenzial, sondern auch Erfahrung als OLB/LEO mit. Ist athletisch und fluid genug für Aufgaben in Space, sah in Coverage durchaus vielversprechend aus (wenngleich da für die NFL noch einiges zu tun ist, aber eben eine Ecke weniger als bei vielen anderen Hybrid-Prospects).
Die sensationelle Saison der Wildcats kann er sich zu einem gehörigen Teil ans Revers heften. Durchgehend stark bis dominant, auch gegen die besten Teams des Landes (allein die herausragende Georgia-OL konnte ihn etwas einbremsen). Sicherlich nicht ganz in der Klasse (und 'Safenesss') von Quinnen und Bosa, aber erstens anderer Spielertyp und zweitens wahnsinniges Potenzial.
Auch wenn ich mit pointi ansonsten in Mock-Fragen recht oft einer Meinung bin, sehe ich Devin White ein wenig kritischer als viele andere, wenngleich er ein absurd hohes Ceiling hat. Aber dazu eventuell morgen mehr, ist spät geworden.