Der Rücktritt von Lahm hat mich regelrecht geschockt. Ich habe mir in den letzten Wochen immer wieder Gedanken darüber gemacht, dass wir im deutschen Fußball eine unglaubliche Zahl hochtalentierter Spieler haben, dass es aber an starken Außenverteidigern und "echten" Stürmern mangelt.
Wer bleibt im Sturm, wenn Klose altersbedingt zurücktritt? Gomez dürfte gemessen an internationalem Top-Niveau die Schulnote 3 verdienen und paßt nicht sonderlich gut zum Löw'schen System. Dahinter warten schon die international (bislang) kaum konkurrenzfähigen Kruse und Volland, der faktisch kaum in Betracht kommende Kießling und offensive Mittelfeldspieler wie Müller oder Götze.
Noch schlechter sieht es auf den Außenverteidigerpositionen aus. Löw hat ja nicht zum Spaß in der Vorrunde mit 4 Innenverteidigern spielen lassen. Bislang gab es mit Lahm - dem weltweit überragenden Spieler (zumindest) auf der rechten Außenverteidigerposition - wenigstens einen, der - da nicht verletzungsanfällig - diesen Mangel überdecken konnte. Wenn er wieder gesund wird, ist Schmelzer (links) solide. Durm ist immerhin ein Talent. Boateng kann notfalls rechts spielen, aber das ist natürlich nicht Ansatzweise ein Vergleich zu Lahm, speziell auch in der Offensive. Bei der WM hat man den Unterschied zwischen Lahm/Müller rechts und Höwedes/Özil links deutlich sehen können.
Lahms sportliche Qualität und sein öffentliches Auftreten haben mir immer den größten Respekt abverlangt. Das Guardiola-Zitat, wonach Lahm der intelligenteste Spieler sei, mit dem er je zusammengearbeitet habe, spricht Bände auch über den Wert, den er über seine rein spielerischen Fähigkeiten hinaus für eine Mannschaft hat(te). Auch sein Rücktritt auf dem Zenit seines Leistungsvermögens und Erfolges ist ein Zeichen von Größe.
So bin ich hin und her gerissen zwischen dem Respekt vor seiner Entscheidung und der Trauer über den auf absehbare Zeit wohl unersetzlichen Verlust, der für die Nationalmannschaft mit dieser Entscheidung einher geht.
p. s.: Die Äußerungen von Schweinsteiger in den Pressekonferenzen in Brasilien sprechen m. E. nicht gerade dafür, dass er zurücktreten will.