Das kann man doch so nicht sagen. Es hängt vom Armutsbegriff ab, den man verwendet. Wenn man z.B. einen absoluten Armutsbegriff verwendet, ist da kein relativer Anteil drin.
Das kann man natürlich tun, aber was macht das für einen Sinn, wenn die Leute subjektiv Armut auch über relative Bezüge empfinden und Teile unserer Gesellschaft mittlerweile evident abgehängt worden sind, in einem Ausmaß, dass man vor der Agenda 2010 nicht kannte?
Ein vollständiger und differenzierte Armutsbegriff hat daher sowohl einen relationalen wie auch absoluten Anteil, so wie er beispielsweise auch von der der EU-Kommission verwendet wird.
ZitatDas Problem bei dieser immer wiederkehrenden Diskussion ist, dass von den Kritikern so getan wird, als wäre eine relative Verschlechterung automatisch auch eine absolute, was so eben nicht stimmt... wenn man da aber anfängt zu differenzieren, kann man sich nicht mehr so schön empören und den moralischen Zeigefinger schwingen.
Umgekehrt habe ich immer den Eindruck, dass Leute, die einen relativen Bezug in der Armutsdefinition ignorieren, dies vor allem deshalb tun, weil man dann so schön Fragen nach gerechter Verteilung, besserer Sozialsysteme oder schlicht und ergreifend der Moral und Ethik des Besitzes ausklammern kann.
ZitatDie Zahlen will ich gar nicht bestreiten, aber deren Sinnhaftigkeit hinterfragen... und weil ich schreibfaul bin, zitiere ich Walter Krämer, den Mitherausgeber der Unstatistik des Monats... die in diesem Monat genau dieser Armutsbericht ist:
http://www.deutschlandradiokultur.de/armut-in-deuts…ticle_id=312180
"... die aktuelle Statistik des Wohlfahrtsverbandes, die hilft uns leider nicht. Denn die bis 15 Prozent Armen bei uns ist reiner Unfug. Das sind die Menschen bei uns, die weniger verdienen als 60 Prozent des Durchschnitts. Und dieser Prozentsatz bliebe ja gleich, wenn alle auf einmal das Doppelte verdienen würden. Also, das kann man nicht als Armutsindikator nehmen, das ist totaler Mist, Unfug.
Ich hatte ja schon geschrieben, dass man den Mikrozensus, der dieser Studie zu Grunde liegt, durchaus valide kritisieren kann. Krämer weißt ja auch beispielsweise vollkommen zurecht auf ein implizites Problem mit den regionalen Quoten hin. Von daher will ich gar nicht behaupten, dass der Bericht der Paritätler den heiligen Gral der Armutsempirie darstellt. Ich halte zudem fachlich (in puncto Statistik) prinzipiell sehr viel von Krämer. Aber ich weiß nun wirklich nicht, ob ein Mathematiker den richtigen Ansprechpartner bei Themen darstellt, die auch eine psychologisch-emotionale Komponente beinhalten. Krämer ist es auf jeden Fall nicht. Das von Dir zitierte Beispiel mit Becker demaskiert seine vermeintliche Kompetenz in diesem Zusammenhang ganz prächtig. Denn obwohl er mathematisch natürlich Recht hat (ein unglücklicher und besoffener Becker ist kein armer Becker) kann man das nicht mal im Ansatz mit Kindern vergleichen, die in der Grundschule nicht mit auf Klassenfahrt können, weil die Eltern die 60 € für Bus und Übernachtung nicht zusammenbringen, weil das AL-II-Kontingent für dieses Halbjahr bereits ausgeschöpft ist, während andere Kinder sich jetzt schon überlegen, welches Outfit sie für den Disko-Abend rauslegen. Der rein mathematische Unterschied zwischen beiden ist dabei nicht mal im Ansatz so dramatisch wie der zwischen Becker und Gates. Der psychologische ist riesig.